W. Telesko (Hrsg.): Repräsentation d. Habsburg-Lothringischen Dynastie

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Titel
Die Repräsentation der Habsburg-Lothringischen Dynastie in Musik, visuellen Medien und Architektur 1618–1918. Representing the Habsburg-Lorraine Dynasty in Music, Visual Media and Architecture 1618–1918


Herausgeber
Telesko, Werner
Erschienen
Anzahl Seiten
448 S.
Preis
€ 55,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Rainer Leitner, Graz

Der von Werner Telesko herausgegebene Band bildet eine Zusammenschau zum Themenkomplex der Wirkung höfischer Repräsentation in Musik, bildender Kunst und Architektur, welche im Fokus einer internationalen Tagung der Arbeitsgruppe „Habsburgische Repräsentation“ des Instituts für kunst- und musikhistorische Forschungen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2015 stand. Die zentrale Fragestellung dreht sich um die Prämissen, auf welche Weise in Musik und Kunst der Donaumonarchie spezifische Strategien die Repräsentation betreffend zum Ausdruck gelangt sind und beleuchtet die spezifischen Themen und Medien. Fragen zum Herrscher bleiben nicht ausgespart, auch jene nicht, die den Staat und die Nation betreffen sowie Vernetzungen und zeremonielle Räume in ihrer Beziehung zu den „Öffentlichkeiten“.

Als Hilfe dienen Werner Telesko bei der Strukturierung des Inhaltes vier Sektionen in thematischer Gliederung. Die Sektion I setzt sich mit „Themen und Medien der Repräsentation“ auseinander. Der Herausgeber verweist auf den Umstand, dass in forschungsgeschichtlicher Hinsicht jene Themen und Medien, die der Repräsentation dienen, stets die höchste Aufmerksamkeit erhalten haben. Die Beiträge der Sektion I sind in dem Sinne neu zu bewerten, dass weniger die propagandistische Rolle der Bildkünste wie bisher im Vordergrund steht als die Frage nach der Existenz eines verbindlichen Kanons an Themen, Topoi und Narrativen. Diese sollen nämlich nicht allein in einzelnen Gattungen besonders hervortreten, sondern die Bereiche der bildenden Kunst, Architektur und Musik umgreifend abdecken. Hier spielen auch die Fragen der technischen Entwicklungen der Kunstgattungen eine Rolle, da beispielsweise die druckgrafischen Medien im 19. Jahrhundert verstärkt von der Fotografie unter Konkurrenzdruck gerieten. Besonders die Fotomontage ist in der Lage, durch „composite portraits“ von Mitgliedern der habsburgischen Dynastie die erwünschten Darstellungen zu liefern und indirekt damit auf die bereits existenten Brüche und Verwerfungen im Selbst- und Familienbild zu verweisen.

Sektion I eröffnet mit einem Beitrag des US-Kunsthistorikers Michael Yonan. Seinen Ausgangspunkt bildet ein methodisches Konzept, in dem er den „material turn“ als jüngeren Aspekt der Kunstgeschichte zum Anlass nimmt, über die Notwendigkeit der Einbeziehung der materiellen Qualitäten der Artefakte, insbesondere für die Zeit Maria Theresias, zu reflektieren. Deren Portraits vermitteln nach Meinung Yonans überaus subtile Botschaften in Bezug auf Autorität und Herrschaftsverständnis der Regentin. Die anderen Beiträge dieser Sektion legen ihren Schwerpunkt stärker auf Fragestellungen, welche die Geschichte der Medien und Themen betreffen, so etwa Friedrich Polleroß, der in seinem Beitrag „Repräsentation und Reproduktion. Der ‚Kaiserstil’ in den zeitgenössischen ‚Massenmedien’“ das Verhältnis zwischen Repräsentation und ihrer medialen Verbreitung durch Druckgrafiken analysiert und auf deren Bedeutung verweist. Die Beiträge anderer Autorinnen und Autoren sind dem Portrait gewidmet; auch der Fotografie, die durch die Möglichkeit der Fotomontage einen bedeutenden Stellenwert erhält, ist ein Artikel gewidmet. Den Hintergrund dazu bildet die Verbreitung der „carte de visite – Fotografie”, die gleichsam eine Sucht nach Bildern monarchischer Familien verursacht.

Für die Repräsentation durch und in Musik sind die Oper und Hymne bedeutend. So geht Andrea Lindmayr-Brandl in ihrem Beitrag „Vom patriotischen Volkslied zur nationalen Kaiserhymne“ auf die Entstehung der Kaiserhymne durch Joseph Haydn ein. Nachgezeichnet werden die historischen Motive für den Auftrag einer „Volkshymne“ und deren weitere Rezeption. Die Librettistik des 17. und 18. Jahrhundert bildet das Thema des Aufsatzes von Adriana de Feo – die jeweils erste und letzte Oper von Johann Joseph Fux werden im Beitrag der Autorin hinsichtlich thematischer Libretti untersucht. Irena Veselá nimmt sechs für das Kaiserpaar aufgeführte Opern zum Anlass, nicht allein auf das hohe Niveau der am Kaiserhof aktiven Komponisten, Musiker und Sänger hinzuweisen (Imperialstil), sie lassen auch Einblicke in die spezifische Satztechnik, die Orchesterbesetzung und das Wort – Ton – Verhältnis zu.

Sektion II des Buches ist dem Thema „Herrscher, Staat, Nation“ gewidmet. Die Autoren Richard Kurdiovsky und Stefan Schmidl gehen in der Einleitung davon aus, dass die psychische Emergenz von Souveränität durch ihre Repräsentation bedingt ist. Diese gewährleistet eine Vermittlung, welche die Vorstellung einer herrschaftlichen/staatlichen Ordnung sowohl im Bewusstsein des Regenten als auch den untergeordneten Personen konsolidiert. In der Auseinandersetzung mit historischen Artefakten bzw. der Rekonstruktion von repräsentativen Prozessen ist tunlichst zu unterscheiden, ob es sich dabei um „heiße“ oder „kalte“ Repräsentationen (nach der Klassifizierung des deutschen Politikwissenschaftlers Philip Manow) handelt, ob also der Herrscher seinem „Volk“ physisch gegenübertritt oder ein abwesender Souverän innerhalb einer gouvernementalen Situation Vertretung findet. Die Autoren übertragen dieses von der Politikwissenschaft ausgehende System auf die Ebene der Repräsentation. So kann die Begegnung nach Kurdiovsky und Schmidl mit dem Bild bzw. der Metapher des Herrschers, bei dem es sich um ein eminentes Beispiel politischer Kommunikation handelt, „heiß“ (intensiv-unmittelbar-ephemer) oder „kalt“ (konsekutiv-ritualisiert-institutionalisiert) passieren. Bekanntlich stellen Heterogenität und Diversitäten der Donaumonarchie während des 19. Jahrhunderts ein zunehmendes Potential an Konflikten dar und verhindern die Ausbildung einer nationalstaatlichen Identität. An deren Stelle tritt ein Corporate Design, das die Herrschaft der Habsburger „zur Instanz über den binnennationalen Fraktalen der Monarchie deklariert" (S. 160). Die Artikel dieses Abschnittes haben dynastische, staatliche und nationale Repräsentationen als Abbild obrigkeitlicher Macht bzw. als Vorstellung von den Funktionen dieser Macht, wie sie gleichermaßen von „oben“ (von der ausführenden Seite) als auch von „unten“ (von der Seite der untergeordneten Verwaltungseinheiten) erfahren werden kann.

Andrea Baotić-Rustanbegović widmet sich dem „Zugriff von oben“, ihr Themenbereich behandelt die Modalitäten, wie der habsburgische Staat als neue Staatsmacht in Bosnien-Herzegowina öffentliche Räume mit unterschiedlicher Zugänglichkeit mit Monumenten ausstattet und wie sich dieser Vorgang im Verlauf der Zeit ändert. Nataša Ivanović hingegen analysiert, wie die Staatsmacht von „unten“, von den beherrschten Untertanen bzw. ihrer kommunalen Vertretung erlebt wird. Timo Hagens Beitrag stellt einen Monument-Bereich, nämlich militärische Bauten im siebenbürgischen Hermannstadt, vor. Diese erscheinen zunächst neutral, erweisen sich letztlich aber auch als Mittel der Repräsentationspolitik „von oben“.

Sektion III trägt den Titel „Netzwerke“. Den Begriff fassen die Autorinnen Anna Mader-Kraty und Stefan Schmidl als ambivalent auf. Hinsichtlich des Themas Integration lässt er sich allerdings begrenzen. In diesem Kontext kann er nämlich als typische Interaktions- und Organisationsform alteuropäischer Monarchien bezeichnet werden, die jene Struktur, welche die Formation des „Hofes“ herausbildete, erst erzeugt hat. Wer repräsentiert wird und wie diese Repräsentation in Netzwerken sich ausdrückt, sind entscheidende Analysekriterien.

Hier setzt Milan Pelc mit seinem Beitrag über Kaiser Leopold I. in der Sammlung des krainischen Feldherrn und Historikers Johann Weichhard Valvasor an. Dessen Sammlungstätigkeit konzentriert sich besonders auf Darstellungen des Zeitgeschehens mit Schwerpunkt von Bildnissen von Kaiser Leopold I. So zeigt sich hier eine Problemstellung der Repräsentationsforschung, die sich auf die Wahrnehmung der „Anderen“ im höfischen Gefüge fokussiert und fragt, ob es ein Selbstverständnis außerhalb der Rollendeterminierung in der Hofgesellschaft gibt. Stefan Seitschek nähert sich dieser Frage aus der Perspektive des Herrschers an, indem er die Tagebuchnotizen von Kaiser Karl VI. zwischen 1720 und 1725 analysiert. Dadurch sind Rückschlüsse auf die kaiserlichen Netzwerke, also jene Menschen und Vertrauten, mit denen der Kaiser sich zu umgeben und auszutauschen pflegt, möglich.

Mit erweiterten Netzwerken beschäftigt sich Martin Krumholz mit seinem Beitrag, der den kaiserlichen Gesandten am päpstlichen Hof 1714–1719, Johann Wenzel von Gallas, zum Inhalt hat wie auch die Propaganda des Kaisers ebendort. Der Gesandte stellt nämlich nicht die allein physische, sondern auch die symbolische Vertretung seines Souveräns dar. Jana Perutková nähert sich Fest und Zeremoniell an. Die Aristokratie Mährens veranstaltet in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts musikdramatische Aufführungen, die als Spiegel musikalischer Feste am Wiener Kaiserhof gesehen werden können und als Exempel, die Mannigfaltigkeit der Repräsentationen zu demonstrieren, dienen.

„Zeremonielle Räume und die ‚Öffentlichkeiten‘” ist die Thematik der Sektion IV des Bandes. In ihrer einleitenden Definition erklären Elisabeth Hilscher und Herbert Karner, sich dem Phänomen der Repräsentation über ihre räumlichen Kontexte zu nähern. Die Autoren weisen auf den von ihnen häufig zitierten „spatial turn” hin, der seit den 1980er-Jahren eine topologische Wende in den Kultur- und Sozialwissenschaften bezeichnet und den geographischen Raum wieder als kulturelle Größe wahrnimmt, um den Disziplinen Geschichte, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft neue methodische Impulse zu verleihen.

Der Begriff der „Repräsentation“ ist vielschichtig. In den Beiträgen findet vor diesem Hintergrund eine punktuelle Beleuchtung der Ereignisse zwischen Hochbarock und dem ausgehenden 19. Jahrhundert statt. Zur Analyse gelangen persönlich vom Herrscher gesetzte Akten, in denen er bzw. seine Familie Staat und Dynastie öffentlich darstellen sowie die Repräsentation im Sinn von Selbstvertretung durch Bauwerke und Denkmäler. So bringt Thomas Hochradner in seinem Beitrag über Johann Joseph Fux, dem Hofkapellmeister Kaiser Karl VI, ein Beispiel für die Stellvertreter-Repräsentation. Mirjana Repanich-Braun untersucht die unterschiedlichen Möglichkeiten der symbolischen Landnahme durch die Landesherren des Hauses Habsburg. Symbolische Repräsentationshandlungen mit direktem Einfluss auf die Realpolitik sowie ihre manchmal beachtliche ausgleichende Funktion in politischer Hinsicht bilden den Inhalt des Beitrages von Peter Konečný.

Filip Šimetin Šegić analysiert das urbane Milieu von Zagreb/Agram als zeremoniellen Raum. Mit dem Besuch Kaiser Franz Josephs verbunden ist die Herausbildung von unterschiedlichen temporären zeremoniellen Bereichen in der Stadt. So werden mit Mitteln der Architektur, Malerei, Theater, ephemeren Festinszenierung und Kunstgewerbe verschiedene Räume der Stadt auf hierarchisierende Weise für unterschiedliche Publikumsgruppen instrumentalisiert.

Im von Werner Telesko edierten Band findet sich eine Fülle an Exempeln, wie in Musik, visuellen Medien und Architektur des Hauses Habsburg-Lothringen die Repräsentation zum Ausdruck kam. Das Werk ist gekennzeichnet durch eine große Zahl von Beiträgen, die das Thema aus verschiedensten Perspektiven betrachtend interpretieren und dadurch viele innovative wie neue wissenschaftliche Erkenntnisse liefern. Doch ein Umstand schmälert die Verdienste dieses Bandes: In sprachlicher Hinsicht erschwert der Wissenschaftsjargon Verständnis und Zugang für interessierte Laien erheblich. Schon Ferdinand de Saussure, Begründer der modernen Sprachwissenschaft und Zeichenlehre, fordert Klarheit im Ausdruck – diese Prämisse möge die positiven Aspekte dieses Bandes aber nicht überdecken!

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