E. Buchberger: Shifting Ethnic Identities

Cover
Titel
Shifting Ethnic Identities in Spain and Gaul, 500–700. From Romans to Goths and Franks


Autor(en)
Buchberger, Erica
Reihe
Late Antique and Early Medieval Iberia
Erschienen
Anzahl Seiten
218 S.
Preis
€ 79,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Alheydis Plassmann, Institut für Geschichtswissenschaft, Universität Bonn

Die vorliegende in Oxford entstandene Dissertation beschäftigt sich mit dem für die Übergangszeit zwischen Spätantike und Frühmittelalter bedeutenden Thema der ethnischen Identität, das die Forschung schon lange umtreibt, sicher nicht zuletzt deshalb, weil sich an der Frage der Identität etwa der Franken oder Goten die für diese Zeit fundamentale Problematik der Kontinuität verdeutlichen lässt. Waren die gentes, die Reiche auf dem Boden des Imperium Romanum gründeten, tatsächlich wesensunterschieden von den Menschen, die uns als Romani entgegentreten? Oder ist dies nur eine Frage der Bezeichnung?

Die Forschungsgeschichte auf der Buchberger bei ihrem Thema zwingend aufbauen muss, ist gewaltig und sei mit den Namen Reinhard Wenskus und seinem Kritiker Walter Goffart nur kurz angerissen. Buchberger selbst ordnet sich in der Einleitung, in der sie die Forschungsgeschichte zum Begriff der Ethnogenese kurz darlegt, im weiteren Sinne in die „Wiener Schule“ ein, möchte also Identität als fließend verstehen, die oftmals, aber nicht immer das Ergebnis eines bewussten Prozesses sein kann.

Für die Bestimmung der Identität setzt die Autorin zeitliche Stufen an, etwa die Entstehungszeit der Chronik des Johannes von Biclaro oder des Gregor von Tours. In den einzelnen Quellen spürt sie dann der Verwendung der Begriffe Romanus, Francus oder Gothus nach, um einen Zustand der Identität zum Zeitpunkt der Entstehung der Quelle zu beschreiben. Diesen vergleicht sie dann mit anderen Identitätszuständen, die sie aus späteren Quellen gewinnt, und erhält so das Bild von „shifting identities“.

Natürlich konstatiert sie auch, dass Identitäten zu einer bestimmten Zeit nicht immer fest sind. So möchte sie für die Zeit nach der Bekehrung der Westgoten zum Katholizismus eine ältere Schicht der religiös konnotierten Abschottung von Gothus festmachen, sieht die Bezeichnung aber auch schon auf dem Weg zur Einordnung in die politische Einheit des gotischen Reiches (S. 37–51). Diesen Befund möchte sie erhärten, indem sie auf die Bestimmung von Toledo V (636) verweist, dass nur ein Gote König sein könne. Dies sei zunächst ganz offenbar ethnisch verstanden, spätestens aber im Fall von Ervig als politische Zuordnung erfasst worden. In den Rechtsquellen des 7. Jahrhunderts versteht Buchberger Gothus nur noch als Bezeichnung für einen in der Frühzeit des gotischen Reiches tätigen Goten und geht davon aus, dass die politische Vereinheitlichung von Untertanen des gotischen Königs um 700 vollendet gewesen sei (S. 81–100).

Im zweiten Teil behandelt Buchberger die Franken und muss dort zwangsläufig mit Gregor von Tours beginnen. Im Unterschied zu Helmut Reimitz1 bescheinigt sie diesem keine absichtsvolle Vernachlässigung der fränkischen Identität, sondern stellt lediglich eine stark kontextabhängige Konzentration auf die Personen fest, die dem Weltbild Gregors zufolge politisch bedeutsam waren, also die römischen Senatoren (S. 107–131). Venantius Fortunatus, dem Zeitgenossen Gregors, hingegen schreibt sie ein deutliches Bewusstsein von Romanitas zu, das sich indes vor allem auf die Bildung und Lebensart, nicht aber auf die Abstammung bezogen habe (S. 133–146).

Bei dem späteren Fredegar lässt sich eine deutliche Abgrenzung der Franken von anderen Völkern ausmachen, die Buchberger als Zuordnung zu einer politischen Einheit verstanden haben möchte – was ihr die Erklärung der burgundischen Identität nicht gerade leicht macht (S. 147–164).

Als Beleg für die Verschiebung der Identität werden schließlich noch drei Heiligenlegenden herangezogen, um zu verdeutlichen, wie der barbarisch-romanische Gegensatz zu einer politischen Zuordnung wird (S. 165–177). Indes sind die Kriterien für die Auswahl gerade dieser Legenden nicht nachzuvollziehen und die Herkunft aus unterschiedlichen Gebieten führen auch dazu, dass man allerhöchstens davon sprechen kann, dass Schlaglichter auf die von Buchberger ausgeführte Entwicklung geworfen werden.

Ihr Fazit (S. 179–186) lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Die Zuschreibung Franken oder Goten sei nicht ethnisch und verschiebe sich in der Transformation der römischen Welt. Es handele sich nicht um feste Identitäten – ein Ergebnis, das die kundige Leserschaft kaum überraschen dürfte.

Der Ansatz, von den Bezeichnungen her die Wortfelder der Identitäten zu bestimmen, ist keinesfalls neu, was die Methode als solche natürlich noch nicht ehrenrührig macht. Indes muss man die Frage stellen, ob denn das Thema Identität für das Frühmittelalter mit seinen allfälligen Herkunftserzählungen überhaupt allein an der Benennung abgearbeitet werden kann. Die Forschung hat ja nicht von ungefähr seit Wenskus der Origo gentis-Erzählung große Aufmerksamkeit gewidmet. Ob es eine Lösung ist, die Herkunftserzählungen dann ganz außen vor zu lassen, lässt sich füglich bezweifeln. Zwar wird etwa das Werk von Magali Coumert2 zu den Origines des peuples im Literaturverzeichnis aufgeführt, mit ihren Thesen zur Identitätsstiftung setzt sich Buchberger aber ebenso wenig auseinander wie mit denen der Rezensentin selbst.3

So bleibt man nach Lektüre des Buches etwas unbefriedigt zurück, zumal die Dissertation – wie inzwischen fast schon selbstverständlich – die tiefgehende Beschäftigung mit nicht englischsprachigen Ergebnissen ganz vermissen lässt. Zum Thema Barbarus - Romanus hätte man etwa Hans-Werner Goetz‘ Namen etwas häufiger als einmal erwartet. So bleibt ein Ertrag, der als solcher nicht falsch ist, aber angesichts der fehlenden Einordnung in den Gesamtkomplex der Identitätsstiftung in seiner Nützlichkeit hinter den Möglichkeiten zurückbleibt.

Anmerkungen:
1 Helmut Reimitz, History, Frankish Identity and the Framing of Western Ethnicity, 550–850, Cambridge Studies in Medieval Life and Thought. Fourth Series 101, Cambridge 2015.
2 Magali Coumert, Origines des peuples. Les récits du Haut Moyen age occidental (550–850), Collection des études augustiniennes : Série Moyen-Áge et temps modernes 42, Paris 2007.
3 Alheydis Plassmann, Origo gentis. Identitäts- und Legitimitätsstiftung in früh- und hochmittelalterlichen Herkunftserzählungen, Orbis medievalis 7, Berlin 2006.

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