G. S. De Krey: Following the Levellers, Vol. One

Cover
Titel
Following the Levellers, Volume One. Political and Religious Radicals in the English Civil War and Revolution, 1645–1649


Autor(en)
De Krey, Gary S.
Erschienen
Basingstoke 2017: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
XIX, 299 S.
Preis
€ 96,29
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lars Behrisch, Universität Utrecht

Die Levellers waren eine lockere Gruppierung politischer Schriftsteller und Aktivisten, die zwischen dem Ende des ersten Bürgerkriegs im Jahr 1646 und der Errichtung des republikanischen Commonwealth drei Jahre darauf massiv Einfluss auf die politische Debatte in England nahmen. Sie werden mitunter als die ersten und womöglich einzigen ‚Demokraten‘ der Vormoderne bezeichnet. So vorsichtig man dieses schillernde (und zu der Zeit kaum verwendete) Attribut handhaben sollte, erscheint es doch nicht als gänzlich anachronistisch – und neuere, äußerst fundierte Historisierungen arbeiten den in vieler Hinsicht ‚unzeitgemäßen‘ oder ‚radikalen‘ Charakter der Levellers erst recht deutlich heraus.1

Zwar konnten sie ihre Ideen und ihre Wirkung nur unter den ganz und gar einmaligen Bedingungen des Bürgerkriegs entfalten, als die politische Ordnung aufgebrochen war, Hierarchien grundsätzlich in Frage gestellt wurden und eine nie dagewesene Vielfalt politischer Presseerzeugnisse nahezu frei zirkulierte und Absatz fand. Zudem besaß England eine starke Tradition konstitutionalistischen und religiös kontroversen Denkens und Schreibens, die in den 1620er-Jahren eine erneute Stärkung erfahren und auch die repressiven 1630er-Jahre gut überstanden hatte. Schließlich war London eine ökonomisch und demographisch rasant wachsende Metropole mit hoher Empfänglichkeit für heterodoxe Ideen und Gruppenbildungen politischer wie religiöser Art. Auch innerhalb dieses Kontextes aber waren die Levellers unzeitgemäß mit ihrer radikalen Diskreditierung traditioneller Hierarchien, traditioneller politischer (Legitimations-)Formen und religiöser Gewissheiten und Autoritäten – und einem dazu spiegelbildlichen, in sich konsistenten Katalog von Forderungen nach individueller Gleichheit, darauf basierender gleicher Repräsentation und politischer Willensbildung sowie äußerst weitgehenden und konstitutionell gesicherten individuellen Grundrechten.

Den ideengeschichtlichen Kontext und damit auch die Originalität und Konsistenz der Argumentationen der Levellers hat Rachel Foxley sehr präzise herausgearbeitet.2 Gary S. De Krey erhebt nicht den Anspruch, ihre Arbeit zu ergänzen oder zu revidieren. Vielmehr verfolgt er eine mit dem Titel ‚Following the Levellers‘ angedeutete doppelte Zielsetzung: Zum einen möchte er das sozio-kulturelle Umfeld und die Anhängerschaft der Gruppe beleuchten, zum anderen – in einem Folgeband – ihr Nachleben und ihre Nachfolger in den Blick nehmen. Der vorliegende Band vermag so auch einige viel diskutierte Fragen neu zu bewerten: Speisten sich die Anliegen der Levellers aus religiösen Motiven? Waren sie entrückte Intellektuelle, die in dem von ihnen reklamierten und adressierten ‚Volk‘ gar keine breite Anhängerschaft finden konnten? In welchem Maß schließlich ist die Politisierung und teilweise Radikalisierung der New Model Army auf sie zurückzuführen? Bevor De Kreys Antworten skizziert werden, sei vorausgeschickt, dass er eine weitere Kernfrage nicht eingehend behandelt: Die Frage nämlich, ob die Levellers für das vollständige männliche Wahlrecht eintraten. Die Quellenlage ist zwar insgesamt reich, an diesem – so erscheint es jedenfalls heute – doch zentralen Punkt aber quälend uneindeutig; entsprechend sind starke Argumente für wie auch gegen diese Lesart vorgebracht worden.3 De Krey geht auf die entsprechenden Diskussionen nicht explizit ein, scheint aber eher den Skeptikern zuzuneigen, also konkret der Auffassung, dass die Levellers – ähnlich wie später John Locke – nur die selbstständig wirtschaftenden und zur Armenfürsorge beitragenden Haushaltsvorstände als Subjekte der politischen Willensbildung betrachteten.

Für De Krey, der bisher vor allem als Historiker der Stadt London hervortrat, erscheinen die Levellers in erster Linie als Gewächse der Metropole. Deren Explosion brachte es mit sich, dass die korporative Verfasstheit der City mit ihren 25 Wards sozial und räumlich – durch das rasante Wachstum der Vorstädte – unterhöhlt und in Frage gestellt wurde. Neben den nicht inkorporierten Vorstadtbewohnern wollten sich auch viele Einwohner der City selbst der oligarchischen Herrschaft ihrer Aldermen und zünftischen Liverymen (sowie den damit assoziierten ökonomischen Monopolen) nicht mehr unterwerfen. Besonders lautstark war die Kritik in den Gemeinden der Baptisten und anderen Freikirchen, die zu Beginn der 1640er-Jahre als Speerspitze sowohl des religiösen als auch des (sozio-)politischen Widerstands innerhalb Londons hervortraten. Vor allem in diesem Milieu – und wenn nicht konkret theologisch (abgesehen von kategorischen Forderungen nach Toleranz), so doch durch dessen individualistische und kongregationalistische Grundhaltung geprägt – agierten und publizierten die ‚Levellers‘ John Lilburne, Richard Overton, William Walwyn sowie (seit 1647) John Wildman, und vor allem hier fanden sie ihre männlichen wie auch weiblichen Anhänger, die immer wieder zu Tausenden Petitionen unterzeichneten und sie zu Hunderten dem Parlament vorlegten. Das Besondere an den Levellers war nun weniger, dass sie dieser religiös wie politisch antihierarchischen und antikorporatistischen metropolitanen Opposition eine Stimme gaben und sie zu einer Bewegung formten (eine richtige Organisation konnten sie nie aufbauen). Besonders, ja für die Frühe Neuzeit einzigartig waren sie vielmehr, da sie die vielfach parochialen Beschwerden und Forderungen der (Vorstadt-)Londoner in eine allgemeine politische Programmatik mit – auch explizit – nationaler Stoßrichtung und Relevanz umformten. Umgekehrt bedeutete dies, dass sich auch tatsächlich breite Bevölkerungskreise in London und zum Teil in den benachbarten Grafschaften diese Programmatik zu Eigen machten und jahrelang für sie einsetzten.

Eine wirklich nationale Reichweite erlangten die Levellers gleichwohl nicht. Wie De Krey hervorhebt, war zudem die Londoner Bevölkerung – auch quer zu den sozialen Kategorien – religiös und politisch zutiefst gespalten: Neben den radikaleren Gruppierungen gab es – abgesehen von den vorläufig mundtoten anglikanischen Royalisten – jene, die dem presbyterianischen und parlamentarischen Lager nahestanden, sowie moderate Independente. Allerdings wurden die Ideen der Levellers in einer Formation aufgenommen und propagiert, die als erste wirklich nationale Institution gelten kann – und die sich auch als solche betrachtete: Die New Model Army, die unter ihren Generälen Fairfax, Cromwell und Ireton den König besiegt hatte, nun aber einer presbyterianischen Parlamentsmehrheit zunehmend antagonistisch gegenüberstand. Als diese Konfrontation im Sommer 1647 ihrem Höhepunkt (dem Einmarsch der Armee in London) zutrieb, bildete sich ein ‚General Council‘, in dem auch niedere Offiziere und sogar Vertreter einfacher Soldaten saßen. In diesem Umfeld entstand ein politisches Programm, in dem für das Land als Ganzes eine egalitärere und auf individuellen Grundrechten beruhende politische Ordnung vorgesehen war. Die Parallelen zu den Levellers sind deutlich, doch schließt sich De Krey einer zunehmend verbreiteten Sichtweise an, welche die eigenständigen organisatorischen und programmatischen Entwicklungen innerhalb der Armee gegenüber den (von ihm und anderen im Einzelnen sehr detailliert diskutierten) Einflüssen der Levellers betont und eine echte inhaltliche und personelle Konvergenz beider erst mit dem Verfassungsentwurf des ‚Agreement of the People‘ und den ihn diskutierenden ‚Putney debates‘ zwischen Generälen, Offizieren, Soldaten und Londoner Teilnehmern im Oktober 1647 beginnen lässt.4

‚Following the Levellers‘ ist ein klug argumentierendes und gut geschriebenes Buch, das allerdings grundlegende Kenntnisse des Kontextes voraussetzt, um auch gut lesbar zu sein. Ob es angesichts seiner kleinteiligen chronologischen Vorgehensweise (die gleichwohl oftmals präzise Datierungen vermissen lässt) tatsächlich, wie angekündigt, als Einführung für Studenten zu empfehlen ist (S. ix), erscheint fraglich. In jedem Fall ist es eine überzeugende und an die bestehende Forschung breit anknüpfende Interpretation der sozialen Einbettung und politischen Relevanz dieser „real revolutionaries“ (S. 268) des englischen Bürgerkrieges.

Anmerkungen:
1 Neben dem besprochenen Buch insbesondere Rachel Foxley, The Levellers. Radical Political Thought in the English Revolution, Manchester 2013.
2 Foxley, The Levellers.
3 Gegen diese Lesart klassisch: Crawford B. Macpherson, The Political Theory of Possessive Individualism: Hobbes to Locke, Oxford 1962; für diese Lesart hingegen auch Foxley, The Levellers.
4 Siehe etwa Philip Baker, The Franchise Debate Revisited: The Levellers and the Army, in: Stephen Taylor / Grant Tapsell (Hrsg.), The Nature of the English Revolution Revisited: Essays in Honour of John Morrill, London 2013, S. 103–122.

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