Cover
Titel
Machines of Youth. America’s Car Obsession


Autor(en)
Cross, Gary S.
Erschienen
Anzahl Seiten
227 S., 28 SW-Abb.
Preis
$ 32.50; £ 24.50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christopher Neumaier, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

Das Auto begleitete mehrere Generationen US-amerikanischer Teenager bei ihrem Übergang von der Kindheit ins Jugend- und Erwachsenenalter. Diese Entwicklung analysiert Gary S. Cross in seiner lesenswerten Studie „Machines of Youth“ facettenreich und argumentativ überzeugend. Cross zeigt nicht nur, wie im Laufe des 20. Jahrhunderts um das Auto verschiedene Jugendkulturen entstanden, sondern auch, wie diese in soziale und wirtschaftliche Prozesse eingebettet waren. Dabei zieht er die Analysekategorien Generation, Race, Class und Gender heran und setzt sie in Relation zur Automobilkultur, wodurch die bereits gut erforschte Geschichte des Autos in eine neue erhellende Perspektive rückt. Cross' Arbeit ist jedoch nicht nur für Historiker relevant, die zur Konsumgeschichte des Autos oder zur Geschichte von Mobilität und Verkehr forschen. Sie gibt insbesondere Aufschluss über den Generationenkonflikt, den Einfluss von sozialen und ethnischen Milieus sowie von Geschlechterbeziehungen auf kulturelle Praktiken zwischen den 1930er- und den 1980er-Jahren. Geografisch bleibt die Perspektive auf die USA beschränkt. Schließlich sei nur dort schon während der 1930er-Jahre ein riesiger Markt von billigen Gebrauchtwagen entstanden, die sich bereits Jugendliche leisten konnten. Eine weitere spezifisch US-amerikanische Entwicklung sei das Ideal, dass Neuartigkeit und Jugend höher zu bewerten seien als Tradition und Alter. So lauten zwei zentrale Prämissen des Autors, die gleichwohl zu Entwicklungen in anderen Ländern in Relation gesetzt werden müssten.

Aufbauend auf diesem Rahmen legt Cross in der Einleitung dar, wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts sich meist Männer über das Auto in ihrer sozialen Umwelt positionierten. Es ging nicht nur um den Besitz. Vielmehr war entscheidend, wie der Fahrer das Auto benutzte und ob er die komplizierten Wartungsarbeiten selbst durchführen konnte. Beides waren Marker für „Männlichkeit“, die den Autobesitzer zudem mit einer sozialen Identität sowie mit Macht und Prestige ausstatteten. Darüber hinaus konnte über das Auto Individualität ausgedrückt werden, die im Kontrast zur Einpassung des arbeitenden Menschen in die Fließbandfertigung stand – also jenem Ort, wo die US-amerikanischen Autos produziert wurden. Das Auto symbolisierte folglich auch individuelle Freiheit, die jedoch stets entweder eine Illusion war oder sich nur temporär realisieren ließ, wie Cross zu Recht betont. Das Eingangstor in diese Welt war der Führerschein, der im Kontrast zum Mindest-Wahlalter (21 Jahre) bereits von Jugendlichen erworben werden konnte – in einigen Staaten zunächst schon mit 14 Jahren, ab den 1950ern landesweit vereinheitlicht mit 16 Jahren. Wie die Altersgruppe der Jugendlichen die Automobilkultur der Erwachsenen modifizierte sowie an ihre spezifischen Bedürfnisse adaptierte und dabei über das Auto ihre Individualität, ihren sozialen Status und ihre Fähigkeiten ausdrückte, diskutiert Cross in sieben inhaltlichen Kapiteln. Seine Argumentation stützt er insbesondere auf zahlreiche zeitgenössische Publikationen wie Tageszeitungen und Zeitschriften sowie auf Interviews.

Sein Fokus liegt auf den weißen, in der Regel männlichen „Hot Rodders“ aus der Arbeiterklasse, die sich über das Herumbasteln und Tunen eines Autos als Individuen in der Gesellschaft profilierten. Darüber hinaus berücksichtigt Cross auch die ethnische Variation des „Low Rider“, der sein Auto tieferlegte, mit hydraulischen Federn ausstattete und individuell verzierte. Diese Praxis entstand unter Latinos im Los Angeles der 1940er-Jahre. Dass die soziale Identität der jeweiligen Automobilkultur immer sowohl durch die Abgrenzung von „dem Anderen“ sowie die Adaption „des Anderen“ geprägt war, ist ein Hauptmotiv von Cross' Analyse. Zum Beispiel erlernten Jugendliche aus der Arbeiterklasse von ihren Vätern, wie man Autos reparierte. Das festigte den generationenübergreifenden Zusammenhalt. Obwohl die Jugendlichen das Wissen dazu verwendeten, die Motoren zu „frisieren“ oder das Erscheinungsbild der Fahrzeuge zu verändern, blieben Generationenkonflikte zunächst aus, verschärften sich aber nach 1945, als die Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrten. Cross begründet das mit einem Verweis auf den „quest for velocity and appearance“, der „deep-set in the American psyche“ (S. 20) sei. In den 1930er-Jahren hätten dies die jungen Männer an die Jugendlichen weitergegeben, doch als die ältere Generation zum Militärdienst eingezogen wurde, entstand in deren Abwesenheit eine neue Jugendkultur. Sie definierte „Männlichkeit“ anders, was nach dem Zweiten Weltkrieg eine Auseinandersetzung zwischen „Racer“ und „Customizer“ aufkommen ließ. Während erstere ihre Autos tunten und Rennen fuhren, modifizierten letztere das äußere Erscheinungsbild, indem sie die Wagen zum Beispiel tieferlegten.

Das Fahren von Rennen auf öffentlichen Straßen gehörte laut Cross zur Jugendkultur und wurde selbst von der Polizei zunächst toleriert oder zumindest nicht rigoros verfolgt. Um Konflikte zu vermeiden, wichen die Rennfahrer aber auch auf ausgetrocknete Seen aus, woraus schließlich mit dem „Drag Racing“ eine spezifische Form des Autorennens hervorging. Das „Cruising“ war eine weitere soziale Praxis, bei der US-Jugendliche die von ihnen modifizierten Autos auf den öffentlichen Straßen – meist den Hauptstraßen mit zahlreichen Geschäften und großem Publikum – zur Schau stellten. Dabei ging es nicht nur um die Autos als solche. Schnelle und individualisierte Autos symbolisierten Macht und kompensierten zugleich die soziale Ächtung, der sich Jugendliche der Unterschichten auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sahen. Zudem tauschten sich die Jugendlichen während des Cruisens untereinander über Partys oder Telefonnummern von Mädchen aus.

Die jugendliche Automobilkultur vergrößerte aber auch die Kluft zwischen den Geschlechtern, da in der Regel die Männer die Autos lenkten und das Fachwissen über die Technik besaßen. Lediglich vereinzelt gab es autofahrende Frauen, die dann aber durchaus am Cruise partizipierten. Während die Jungen meist allein oder zu zweit unterwegs waren, cruisten die wenigen Frauen als Gruppe, was auf eine spezifisch „weibliche“ Form der Autonutzung verweist. Das „Parking“ war eine weitere soziale Praxis, bei der die männlichen Autofahrer mit ihrer weiblichen Begleitung meist zu einem entlegenen, an einem Hügel gelegenen Ort fuhren und dort das Auto abstellten. Während es den Jungen und Mädchen beim Cruisen eher um den potenziellen Kontakt einer „culture of the ‚almost‘“ (S. 78) beim Austesten heterosexueller Rollenmodelle ging, beinhaltete das „Parken“ das Ausprobieren von Sexualität. Hier galten zwar soziale Regeln, doch waren die Mädchen dem Verhalten der Jungen ausgeliefert – schließlich waren letztere die Wagenlenker und bestimmten die Ziele.

Cross entfaltet damit ein Panorama an Zugriffen auf die US-amerikanische Jugendkultur, das aber nicht auf die diskutierten Fallbeispiele beschränkt ist. Er behandelt darüber hinaus die „Greaser“ – die Rocker mit ihren Pomade-gestylten Haaren und schwarzen Lederjacken –, die eine weitere Ausprägung der Jugendkultur der weißen Arbeiterklasse waren und in den 1970er-Jahren wieder verschwanden. Dem „Low Rider“ widmet Cross ebenfalls ein eigenes Kapitel und analysiert, wie die Latinos im Unterschied zu den „Greasern“ Männlichkeit weniger über Geschwindigkeit und Motorleistung als vielmehr über die Bewunderung ihrer individuell gestalteten Autos durch die Bewohner ihres Viertels und das weibliche Geschlecht zum Ausdruck brachten.

Wie sich die Formen der Jugend- und Autokultur seit den 1970er-Jahren grundlegend änderten, behandelt das abschließende inhaltliche Kapitel, von dem Cross zur Frage überleitet, ob die jugendliche Automobilkultur am Ende sei. Wie der Autor diese Frage beantwortet, kann hier nur angedeutet werden: Die Verschiebungen lassen sich nicht ohne die Digitalisierung erklären. Sie veränderte einerseits die Automobiltechnologie und erschwerte das Tunen. Andererseits entwickelten Jugendliche stärker ein Faible für Computer, und damit einhergehend verlor die soziale Praxis rund um das Auto ihre zentrale Funktion als „rite of passage into adulthood“ (S. 13). Gary S. Cross' Studie verfolgt eine erfrischend neue Perspektive auf die Geschichte des Autos im 20. Jahrhundert und ist jedem zu empfehlen, der zur Jugendkultur, aber auch zu Geschlechterrollen, sozialen Ungleichheiten und ethnischen Gruppen arbeitet.