N.T. Elkins: The Image of Political Power

Cover
Titel
The Image of Political Power in the Reign of Nerva, Ad 96–98.


Autor(en)
Elkins, Nathan T.
Erschienen
Anzahl Seiten
XVI, 207 S.
Preis
€ 76,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christoph Michels, Institut für Geschichtswissenschaften, Heinrich-Heine-Universität-Düsseldorf

Nathan Elkins hat mit der anzuzeigenden Monographie eine Studie zur Münzprägung der nur sechzehnmonatigen Herrschaftszeit Nervas vorgelegt, die insofern eine Forschungslücke füllt, als dass sie die Reichsprägung dieses von der Forschung oft vernachlässigten Princeps systematisch erschließt und bei der Untersuchung der politischen Botschaften der Münzen viele wichtige Beobachtungen macht. Seine numismatische Dimension ist denn auch die besondere Stärke des Buches, das die sechs Emissionen Nervas komfortabel in 4 Appendizes präsentiert (S. 155–180) und zudem mit zahlreichen großen, allerdings unterschiedlich gut erkennbaren Abbildungen ausgestattet ist. Elkins verfolgt dabei den vielversprechenden Ansatz, die auf den Münzen dargestellten Bilder und Texte als Kontrast zur eher einseitigen literarischen Überlieferung zu nutzen, die das Bild eines schwachen Herrschers zeichnet. Die Untersuchung ist gleichzeitig eine Fallstudie zur Funktionsweise von Münzen als systemstabilisierendes Medium politischer Kommunikation (vgl. S. 31f.). Elkins plädiert richtig dafür, Charakterzüge antiker Persönlichkeiten nicht in Porträts hineinzulesen (etwa S. 3, 49, 91, 137), vermischt allerdings zwei durchaus verschiedene Aspekte, wenn er dies damit gleichsetzt, die schwache Machtstellung Nervas in der Symbolik der Münzen wiederzufinden (vgl. etwa S. 44). Auch wenn Elemente bereits von früheren Principes bekannt sind und, wie Elkins richtig betont, den Princeps stets positiv darstellten, kann das Prägen bestimmter Themen wie beispielsweise concordia exercituum, obwohl damals natürlich affirmativ gemeint, für den modernen Betrachter durchaus ein Anzeichen damaliger Krisen sein (vgl. jedoch S. 51f.).

Zwei methodische Ausgangspunkte von Elkins sind dabei hervorzuheben, da sie die Arbeit wesentlich bestimmen. Zum einen bedient er sich der Methoden der Fundnumismatik, um die Häufigkeit und geographische Verteilung der einzelnen Prägungen zu untersuchen und aufgrund dessen auch nach adressatenspezifischen Botschaften zu fragen. Dieser Forschungsansatz hat in den letzten Jahrzehnten beachtliche Erkenntnisse gezeitigt.1 Er birgt allerdings auch Probleme.2 Nervas kurze Regierungszeit ermöglicht es, seine Prägungen vollständig zu erfassen (S. x); jedoch sind die aus Funden und Horten gewonnenen Zahlen zum Teil so gering, dass sich eine statistische Auswertung der einzelnen Typen eigentlich verbietet. Diese Problematik wird von Elkins zuweilen auch eingeräumt, lässt jedoch seine mitunter heftige Kritik an früheren und alternativen Zugängen zum Material als überzogen erscheinen (vgl. besonders S. 15). Zum anderen wendet sich Elkins zu Recht gegen eine Interpretation der Münzen als Medium gezielter Propaganda. Bei der immer noch umstrittenen Frage nach der Entstehung der Münzikonographie greift er jedoch auf ein problematisches Modell zurück3, welches die Auswahl der Themen und Darstellungsformen den Beamten der Münzstätte zuspricht. Der Princeps war in diesem Modell nicht nur lediglich indirekt (S. 8, vgl. zum Beispiel S. 48f.) an der Auswahl der Motivik beteiligt, sondern war als Geehrter zwar nicht ausschließliches, aber doch wesentliches Publikum der Symbolik (S. 10, 12). Elkins sieht die Münzen daher nur als Reflex der Herrschaftsrepräsentation des Princeps, vergleichbar mit für den Kaiser gestifteten Monumenten oder der zeitgenössischen Panegyrik insofern, als hier Themen des politischen Diskurses aufgenommen worden seien. Das Problem der Autorenschaft der Münzsymbolik ist sicherlich komplex. Mitunter in Umbruchszeiten feststellbare korrigierende Eingriffe des Princeps in die Münzprägung weisen darauf, dass er nicht immer in die Auswahl involviert war.4 Gerade anhand neuartiger Motive lässt sich aber auch die direkte Urheberschaft der kaiserlichen Zentrale plausibel machen.5 Eine Themenwahl (die Elkins’ Ergebnissen zufolge zudem teilweise adressatenspezifisch ablief) ganz ohne „imperial agency“ (S. 7–11) weist den zuständigen Beamten aber doch zu große Bedeutung zu. Die Natur des Verhältnisses der Symbolik der Münzen zur zeitgenössischen „political rhetoric“ (zum Beispiel S. 146) bleibt zudem unklar, was auch daran liegt, dass bei der Kontextualisierung mit Martial, Frontinus, Plinius und Tacitus (S. 12), die als Verfasser von „contemporary laudatory texts“ (S. 23) zusammengruppiert werden, eine feinere Differenzierung zwischen den durchaus verschieden gelagerten Texten und Autoren lohnenswert gewesen wäre. Aus einem Nahverhältnis der Münzbeamten zum Princeps sollte man deren postulierte Kenntnisse der maßgeblichen Diskurse zudem kaum ableiten (S. 147–149). Letztlich erschien auf den Münzen in einem monarchischen System wie dem Prinzipat jedenfalls das, was dem Herrscher genehm war.6

Elkins hat seine Untersuchung dabei in drei Kapitel unterteilt, in denen er verschiedene Rollen des Herrschers und die maßgeblichen Kommunikationspartner betrachtet. Im ersten Kapitel, „Nerva as Supreme Military Commander“ (S. 24–51), analysiert Elkins die militärische Imago Nervas, unter die er auch die besonders zahlreichen concordia exercituum-Prägungen subsumiert. Sicher zuzustimmen ist ihm darin, dass diese nicht nur an die Soldaten gerichtet waren (S. 48) und auch nicht die literarisch bezeugte fehlende Akzeptanz beim Heer thematisierten (S. 43f.), sondern vielmehr die Einigkeit der Armeen ebenso den anderen relevanten Gruppen kommunizierten. Dass dies aber gerade aufgrund des angespannten Verhältnisses zur Armee angeraten war, steht nicht im Widerspruch dazu, dass ähnliche Prägungen auch unter Kaisern begegnen, für die der Rückhalt im Heer kein akutes Problem darstellte. Dahinter steht die auch für Pax (S. 36f.) formulierte, problematische Sicht, dass gleiche Symbolik in verschiedenen historischen Situationen die gleiche Botschaft vermittelt habe. Zu Recht führt Elkins oft vergleichbare Prägungen unter anderen Kaisern an. Er macht es sich jedoch etwa bei der Annahme des Germanicus-Titels durch Nerva zu leicht, wenn er bemerkt (S. 48f.), Siegestitel seien „traditional imperial practice“ gewesen, und auf Claudius und Domitian verweist. Die jüngere Forschung hat vielmehr gezeigt, dass die Annahme des Germanicus-Namens durch Nerva noch mehr als diejenige Domitians einen Traditionsbruch darstellte.7 Kapitel 2, „Nerva, the Senate and People of Rome, and Italy“ (S. 52–101), behandelt Zielpublika im Reichszentrum, an die sich freilich auch schon die Botschaften des ersten Kapitels richteten. Hier werden jetzt spezifische Themen untersucht, die Wohltätigkeit des Princeps nun nicht nur gegenüber Rom, sondern auch Italia und sein senatsnahes Auftreten. In diesem Kontext diskutiert Elkins auch die Restitutionsmünzen mit dem divus Augustus (S. 76–83), die er als Versuch sieht, Nerva als Begründer einer neuen Dynastie darzustellen. Wenn Elkins allerdings den Befund, dass diejenigen Motive, die auf konkrete Maßnahmen des Princeps anspielten, vergleichsweise selten sind, damit erklärt, das jeweilige Zielpublikum im Kerngebiet des Imperiums habe im Verhältnis zur gesamten Reichsbevölkerung lediglich „a small target audience“ ausgemacht (S. 93), vermag dies kaum zu überzeugen. Im dritten Kapitel mit dem etwas irreführenden Titel „Nerva and the Roman Empire“ (S. 102–136) geht es um allgemeinere Botschaften der Münzen, das heißt kaiserliche virtutes bzw. Ideale8 wie providentia und libertas, die nicht auf ein spezifisches Publikum zielten. Elkins betont mit Recht die systemstabilisierende Bedeutung der ebenso zahlreichen wie geographisch weit verbreiteten Personifikationen. Unter diesen spielte libertas, der ein überraschend langer Exkurs gewidmet wird, auf den Münzen Nervas die wichtigste Rolle (S. 119–136). Die Rolle der libertas ist von der Forschung unterschiedlich gedeutet worden. Plausibel ist jedoch Elkins Sicht, dass die verschiedenen Gruppen mit diesem Konzept durchaus ganz unterschiedliche Werte und Ideale verbinden konnten, worin gerade auch die Wirkkraft solcher Ideologeme lag.

Im Fazit (S. 137–154) bringt Elkins zum einen nochmals die Wechselbeziehung zwischen den in zeitgenössischen Texten formulierten kaiserlichen Herrschertugenden und der Symbolik der Münzen auf den Punkt und stellt zum anderen denjenigen Nerva dar, der von der Bildsprache der Münzen, also (indirekt) aus der Selbstdarstellung des Princeps konstruiert wurde: ein aktiver und progressiver Herrscher, der als das gerade Gegenbild zum Vorgänger Domitian erschien. Dessen Herrschaft kommt in der Darstellung indes generell zu kurz, und er begegnet oft lediglich als negativer Kontrast zur Herrschaft Nervas (vgl. besonders S. 84), obgleich mehrere jüngere Studien ein differenzierteres Bild dieses ‚malus princeps‘ gezeichnet haben. Auch an anderen Stellen kann die historische Dimension des Buches nicht völlig überzeugen. Nicht wirklich durchdrungen wird etwa der Kontext der Adoption Trajans (vgl. etwa S. 47). Die Einordnung in den historischen Kontext hätte zuweilen noch vertieft werden können (vgl. etwa S. 48–51). Mitunter schimmern zudem problematische Grundannahmen zum politischen System der Kaiserzeit durch.9

Die anregende Studie besitzt nichtsdestoweniger für die zukünftige Forschung zu Nerva großen Wert. Aufgrund der genannten Monita wird sie in der historischen Auswertung dieses Princeps und hinsichtlich der anhand dieser Fallstudie vertretenen Rekonstruktion der Entstehung kaiserzeitlicher Münzikonographie allerdings auch Widerspruch finden.

Anmerkungen:
1 Vgl. unter anderem Fleur Kemmers, Coins For a Legion. An Analysis of the Coin Finds From Augustan Legionary Fortress and Flavian canabae legionis at Nijmegen, Mainz 2006.
2 Vgl. dazu etwa die Bemerkungen bei Johannes Wienand, Der Kaiser als Sieger. Metamorphosen triumphaler Herrschaft unter Constantin I, in: Klio Beihefte NF 19 (2012), S. 56–66.
3 Vertreten unter anderem von Barbara Levick, Propaganda and the Imperial Coinage, in: Antichthon 16 (1982), S. 104–116 sowie relativiert in dies., Messages on the Roman Coinage. Types and Inscriptions, in: George M. Paul / Michael Ierardi (Hrsg.), Roman Coins and Public Life under the Empire, E. Togo Salmon Papers II. Ann Arbor 1999, S. 41–60.
4 Reinhard Wolters, Die Geschwindigkeit der Zeit und die Gefahr der Bilder. Münzbilder und Münzpropaganda in der römischen Kaiserzeit, in: Gregor Weber / Martin Zimmermann (Hrsg.), Propaganda, Selbstdarstellung, Repräsentation im römischen Kaiserreich des 1. Jhs. n. Chr. (=Historia ES 164), Wiesbaden 2003, S. 175–203, hier S. 185–189.
5 Anhand des Erscheinens der Agrippina auf den Aversen von frühen Münzen Neros etwa vertreten von Werner Eck, Herrschaft und Kommunikation in antiken Gesellschaften. Das Beispiel Rom, in: Ulrike Peter / Stephan J. Seidlmayer (Hrsg.), Mediengesellschaft Antike? Information und Kommunikation vom Alten Ägypten bis Byzanz (=altertumswissenschaftliche Vortragsreihe an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berichte und Abhandlungen / Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Sonderband 10), Berlin 2006, S. 11–33, hier S. 15–19.
6 Christopher Howgego, Geld in der antiken Welt. Was Münzen über Geschichte verraten, Darmstadt 2000, S. 80.
7 Gunnar Seelentag, Die Dynamik von Herrschaftsdarstellung und Triumphideologie im ausgehenden 1. und frühen 2. Jh., in: Fabian Goldbeck / Johannes Wienand (Hrsg.), Der römische Triumph in Prinzipat und Spätantike, Berlin u.a. 2017, S. 177–214, hier S. 182–187.
8 Hierin folgt er Carlos F.Noreña, Imperial Ideals in the Roman West. Representation, Circulation, Power, Cambridge, NY 2011.
9 Davon etwa, dass es sich beim kaiserzeitlichen Senat um „a body of around 600 old men“ (S. 134) gehandelt habe, kann nicht die Rede sein kann; vgl. vielmehr Tim G.Parkin, Old Age in the Roman World. A Cultural and Social History, Baltimore 2003, S. 104f. zur vermutlichen Altersstruktur. Der Prinzipat wird an mehreren Stellen als „office“ benannt (S. 3, 49), was besonders S. 131f. zu problematischen Deutungen führt. Senat und plebs urbana werden ohne wirkliche Diskussion als homogene Gruppen dargestellt.

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