B. Dietel: Die Universität Leipzig in der Weimarer Republik

Titel
Die Universität Leipzig in der Weimarer Republik. Eine Untersuchung zur sächsischen Hochschulpolitik


Autor(en)
Dietel, Beatrix
Reihe
Geschichte und Politik in Sachsen 31
Erschienen
Anzahl Seiten
728 S.
Preis
€ 85,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Anne C. Nagel, Historisches Institut, Justus-Liebig-Universität Gießen

Die Universitätsgeschichte gehört bis heute zu den vernachlässigten Gebieten der Geschichtswissenschaft. Sie weckt regelmäßig Interesse, wenn ein runder Jahrestag vor der Türe steht und es der Hochschule mit einem Mal unumgänglich erscheint, durch einen Rückblick auf die Vergangenheit sich ihrer selbst und ihrer Rolle in Staat und Gesellschaft zu vergewissern. Dies trifft auch auf das vorliegende Werk zu. Es handelt sich um eine am Historischen Seminar der Universität Leipzig angefertigte Studie im Umfeld des 600. Gründungstag 2009, die im Wintersemester 2013/14 als Dissertation angenommen wurde.

Die Arbeit umfaßt fünf Teile. Nach einer ausgedehnten Einleitung wendet sich Teil I den Strukturbedingungen sächsischer Hochschulpolitik zu, behandelt die politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Sonderrolle als einzige Landesuniversität im Freistaat sowie die Akteure auf staatlicher wie universitärer Seite. Teil II geht auf die Entwicklung der universitären Selbstverwaltung ein, Teil III wendet sich den komplexen beamten- und besoldungsrechtlichen Hintergründen zu, Teil IV dem großen Gebiet der Berufungspolitik. Teil V schließlich analysiert die Hochschulfinanzierung, behandelt Haushalt und Vermögen der Universität sowie die Entwicklung der staatlichen Zuwendungen. Innerhalb dieser fünf Großkapitel wird chronologisch nach der klassischen Periodisierung jener Jahre in eine revolutionäre Phase 1918–1923, eine stabile Phase 1924–1929 und eine Phase des sukzessiven Niedergangs 1930–1933 vorgegangen.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, das Zusammenspiel zwischen dem Freistaat Sachsen und der Leipziger Universität „anhand ausgewählter Problemkreise“ (S. 73) im Zeitraum 1918–1933 aufzuzeigen. Eine Gesamtdarstellung ist also nicht beabsichtigt, der Schwerpunkt soll auf der Verwaltungsgeschichte liegen und Hochschulpolitik dementsprechend verstanden werden. Das mag denn auch erklären, warum die Studentenschaft als wesentlicher Akteur einer Universität zumal in dieser Zeit außen vor bleibt und nur beiläufig in einigen Unterkapiteln Erwähnung findet. Es wurde in den einschlägigen Archiven umfangreiches ungedrucktes Material erhoben und beträchtliche Mengen an gedruckten Quellen und Literatur fleißig zusammengetragen. Angesichts der Mühen ist der Ertrag an Neuem gering.

Die Universität Leipzig, schon zur Zeit des Kaiserreichs nach Berlin und München eine der bedeutendsten deutschen Universitäten, wurde, wie Dietel feststellt, auch vom Freistaat Sachsen mit allen Mitteln gefördert. Nach einem turbulenten Beginn beruhigte sich die politische Lage rasch und die Universität erlebte in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre eine „regelrechte Blütezeit“ (S. 679). Die Zahl der Ordinarien wuchs, bemerkenswerter Weise am stärksten zu Beginn der Weimarer Jahre, als gleich mehrere neue Lehrstühle geschaffen und mit Kräften der anbrechenden „neuen Zeit“ besetzt wurden. 1930 besaß die Universität immerhin 109 ordentliche Professoren. Der sächsische Staat tat, was er konnte zur Pflege seiner einzigen Universität im Land, schließlich war es für die Republik eine Frage des Prestiges, nicht hinter der Wissenschaftsförderung der Monarchie zurückzufallen. Darin unterschied sich Sachsen so wenig von Preußen wie von Bayern. Der damals schon länger bestehende Abstand zu Berlin und München konnte nicht aufgeholt werden, sondern vergrößerte sich weiter. Wer in Berlin Ordinarius war, folgte keinem Ruf nach Leipzig, weil er die letzte Stufe auf der Karriereleiter erreicht hatte. Nach Leipzig ging, wer von einer kleineren Universität in Hessen oder Baden kam.

Verantwortlich für die kontinuierlich gute Entwicklung waren nach Dietel aber nicht die sächsischen Kultusminister, die vergleichsweise häufig wechselten und wenig Interesse an der Hochschulpolitik zeigten. Vielmehr war es die Hochschulverwaltung, respektiv die dort tätigen Referenten, die als „Schaltzentrale der sächsischen Hochschulpolitik“ (S. 665) der Universität zu goldenen Jahren verhalfen. Auch dies kann eigentlich kaum überraschen, spielten die sächsischen Hochschulreferenten schon im Kaiserreich eine maßgebliche Rolle, wie der Blick in die Protokolle der seit 1898 jährlich tagenden Hochschulreferentenkonferenzen der Länder lehrt. Der vielleicht überraschendste Befund dürfte die Harmonie sein, die offenbar zwischen Staat und Universität herrschte. Nur ein Oktroi in 14 Jahren und dies auf eine außerordentliche Professur, das ist angesichts der politischen Umwälzungen nach 1918 dann doch erstaunlich.

14 Jahre Leipziger Universitätsgeschichte auf rund 700 Seiten exemplarisch aufgezeigt, das ist viel und wenig zugleich. Es wurde gewiss lang und hart gearbeitet, aber am Ende doch zu wenig Sorgfalt auf die Präsentation verwendet. Die Akteure, die Professoren, Hochschulreferenten, Politiker (Studenten fehlen) gehen unter in einer Fülle mehr oder weniger interessanter Informationen. Es befindet sich, vom Cover einmal abgesehen, keine einzige Abbildung der Hochschule oder ihrer Institute, kein Portrait eines Professors, Ministers oder Referenten im Text. Bilder sind heutzutage kein Kostenfaktor mehr und würden auch in diesem Falle für Anschaulichkeit gesorgt haben. Ebenso hätte von Seiten des Lektorats mehr für die Lesbarkeit und damit für die Rezeption der Studie getan werden können. Zitate tauchen wortgleich zweimal auf (S. 465, Anm. 294; S. 473, Anm. 330), zahlreiche Wortwiederholungen und Flüchtigkeiten im Ausdruck sowie ein überfrachteter Anmerkungsapparat ermüden den Leser. So wird das Buch kaum viele Interessenten finden; allein der Spezialist wird es zur Hand nehmen, sollte er einmal etwas über „Einkünfte und Fonds der Fakultäten jenseits der Fakultätsfisci“ (Teil V, A. 4. c) wissen wollen.