M. Woolmer: A Short History of the Phoenicians

Cover
Titel
A Short History of the Phoenicians.


Autor(en)
Woolmer, Mark
Reihe
I.B. Tauris Short Histories
Erschienen
London 2017: I.B. Tauris
Anzahl Seiten
XXII, 233 S.
Preis
$ 15.95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Eicke Granser, Institut für Archäologische Wissenschaften, Ruhr-Universität-Bochum

Mark Woolmers „A Short Story of the Phoenicians“ knüpft nahtlos an eine lange Tradition von Überblickswerken wie etwa Glenn Markoes „The Phonicians” an.1 Auch wenn die Phönizier schon seit langer Zeit integraler Bestandteil der archäologischen Forschung sind, so bleiben die antiken Bewohner der levantinischen Küsten für einen großen Teil des fachfernen Publikums nach wie vor ein Mysterium. Aus diesem Grund scheint die Welle an Überblickswerken nicht abzuebben. Im Wesentlichen folgt auch Mark Woolmer mit seiner 233 Seiten umfassenden Monographie dem Aufbau eines Überblickswerkes zum Thema der Phönizier.

Er beginnt mit einem einleitenden Teil, in dem er sich mit der altbekannten, aber dennoch aktuellen Frage beschäftigt, wer die Phönizier eigentlich waren. Woolmer legt konzise die Komplexität dieser simpel erscheinenden Frage dar und begibt sich umgehend in das Spannungsfeld zwischen antiken Fremdbeschreibungen, archäologischen Hinterlassenschaften und forschungshistorischen Topoi. Nach einem kurzen Exkurs zur geographischen Einordnung widmet er sich den zur Verfügung stehenden Quellen und erläutert sein methodisches Vorgehen: „…accept that the literary texts contain kernels of truth […] and use the archaeological evidence to assess critically the merits of each“ (S. 21). Seiner allgemeinen Einleitung in das Thema lässt Woolmer eine historische Einführung folgen (S. 22 ff.), wendet sich dann der phönizischen Gesellschaftsform zu (S. 56), fügt ein Kapitel über die Religion an (S.103 ff.) und schließt seine Betrachtung mit den zwei Themenkomplexen der materiellen Kultur (S. 138 ff.) und den „Overseas Expansions“ (S. 170 ff.) ab.

Den historischen Überblick gliedert Mark Woolmer in die Abschnitte Bronzezeit, Eisenzeit (I und II), babylonische Zeit, Perserzeit und die Phase der Eroberung durch Alexander den Großen. Sein geschichtlicher Abriss endet mit der Eroberung Tyros. Der Fokus seines Exkurses liegt auf dem geographischen Raum der Levante und umfasst somit die bekannten Zentren wie Tyros, Byblos oder Sidon. Die Geschichte der nordafrikanischen, sardischen, andalusischen oder sizilischen Siedlungen wird in diesem Teil des Werkes nicht bearbeitet, sondern wird im letzten Kapitel (Overseas Expansion, S.170 ff.) systematisch vorgelegt.

Woolmer arbeitet die beiden wichtigen Aspekte der phönizischen Aktivitäten in und außerhalb der Levante isoliert voneinander auf. Durch eine Zusammenführung beider Themen zu einem Kapitel, hätte er der Leserschaft eventuell ein kohärenteres Bild der antik-mediterranen Geschichte aufzeigen können.

In seinem folgenden Kapitel „Government and Society“ (S.56) widmet er sich neben grundsätzlichen Fragen zum Aufbau der Gesellschaft und ihrer Regierungsform der sozialen und ökonomischen Rolle der phönizischen Frau (The Woman of Ancient Phoenicia, S. 65 ff.). Jedoch sollte dieses Kapitel aufgrund der unbefriedigenden Quellenlage und Datenbasis als ein Ausblick auf eine sehr spannende Fragestellung bewertet werden, die, wie der Autor einleitend feststellt, mit einigen methodischen Herausforderungen behaftet ist: „Although all the social classes identified above included female members, reconstructing the daily lives of woman is still a challenging task.“ (S. 65–66). Kunstobjekte mit Frauendarstellungen, die im zurückliegenden Forschungsdiskurs häufig mit Stereotypen phönizischer Kultpraxen behaftet waren2, müssen viel mehr als ikonographische Idealbilder, denn als Spiegelbild der Lebensrealität verstanden werden. Mark Woolmer weist hier auf ein methodisches Problem hin, das sowohl textlicher als auch materieller Natur ist: So wie die Kunstobjekte Idealtypen darstellen, beziehen sich die von Männern verfassten Textquellen selten auf Frauen und wenn doch nur auf die weiblichen Mitglieder der Elite. Somit bleibt der größere Teil der phönizischen Frauen von den antiken Narrativen unberücksichtigt.

Dem entgegensteuernd rückt Woolmer die nicht-elitäre, agrarische Gesellschaft in den Fokus seiner Betrachtung und erhofft sich durch den Perspektivwechsel von urbaner zur ländlichen Bevölkerung, die Rolle der Frau herausarbeiten zu können. Aufgrund der wenigen archäologischen Zeugnisse der ländlichen Bevölkerung der Levante stützt er sich auf anthropologische Studien aus dem Libanon des 19. Jahrhundert. Er hält fest, dass die Verarbeitung von Getreide zu Mehl eine Tätigkeit darstellte, welche exklusiv von Frauen ausgeführt wurde (S. 67). Seine vergleichende Studie kann hierbei nur ein Schlaglicht auf eine Thematik werfen, dessen Komplexität den Rahmen einer als Einführung intendierten Arbeit überschreiten würde.

Im Kapitel über die phönizische Religion widmet Mark Woolmer ein Unterkapitel den phönizischen Bestattungsriten (S. 132 ff.). Er beschreibt treffend den Wechsel von Körperbestattungen zu Brandbestattungen im Übergang von Bronze- zu Eisenzeit und exemplifiziert seine Ausführungen am vergleichsweise gut erforschten Beispiel der Nekropole Tyros Al-Bass.3 Ihm gelingt es in diesem Kapitel die verschiedenen Spielarten phönizischer Bestattungen wie Brandbestattung und Körperbestattung, sowie verschiedene Grabformen zusammenfassend darzustellen. Eines seiner Hauptaugenmerke liegt hier auf der Rekonstruktion der Bestattungszeremonie, also auf dem Teil, der sich der Archäologie fast völlig entzieht. Er erläutert detailliert die Ausführung phönizischer Bestattungen, die er in vier Phasen gliedert.4 Die wichtigste Phase stellt seiner Ansicht nach die dritte Phase dar, in der die menschlichen Überreste zusammen mit persönlichen Gegenständen im Grab niedergelegt wurden.

Woolmer hält seinen Exkurs über das phönizische Bestattungswesen allgemein, ohne die Herausstellung zeitlicher, geographischer sowie demographischer Unterschiede. Seine Ausführungen können hierbei als adäquater Einstieg in das Themenfeld dienen, jedoch bietet Woolmers Publikation nicht den nötigen Raum, die zeitlich und geographisch sehr heterogene Entwicklung des phönizischen Bestattungswesens im vollen Umfang darzustellen.5

Im Kapitel zu den „Overseas Expansions“ widmet sich Woolmer zunächst einigen konzeptuellen Fragestellungen bezüglich der Migration phönizischer Menschen. Er reißt eine bereits lange geführte Debatte über die Intention und den modus operandi der Gründung phönizischer Siedlungen entlang der Küste des Mittelmeeres an. Mark Woolmer beschreibt hierbei die verschiedenen Positionen zwischen Expansion und Kolonisation. Er akzentuiert folgerichtig, dass kein singulärer Grund für den massiven Exodus levantinischer Menschen zu Beginn der Eisenzeit festzustellen ist, wie etwa der Reflex auf die assyrische Expansion im 8. Jahrhunderts. v.Chr. Somit zeigt er deutlich auf, dass jenes Phänomen multiplen Faktoren unterlag und nicht mit einem allgemeingültigen Faktor erklärt werden darf (S. 170–178). Im Verlauf des Kapitels überträgt er seine konzeptuellen Gedanken auf einige, in geographischer Ordnung aufgeführte, Fallbeispiele (S. 178–208). Hier wäre alternativ zu einer geographischen Ordnung der Fallbeispiele durchaus eine chronologische Reihenfolge denkbar, um den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Migrationsbewegungen besser fassbar zu machen.

Mark Woolmers Monographie stellt ein gelungenes Einführungswerk dar, das die Leser schnell und verständlich durch das Thema „The Phoenicians“ führt. Sein stringenter Schreibstil ist hierbei sehr dienlich und lädt zu einer mühelosen Lektüre ein. Die geschickte methodische Vorgehensweise aus der Verknüpfung der Analyse verschiedener Schriftquellen und der Auswertung der archäologischen Befunde, birgt das Potenzial, eine divers interessierte und vor allem interdisziplinäre Leserschaft zu begeistern. Aufgrund des Rahmens und der damit verbundenen Intention der Publikation können einige Themengebiete nur schlaglichtartig und häufig losgelöst von einer spezifischen Fragestellung vorgestellt werden. Die angefügte Bibliographie, die sich großteilig aus englischsprachiger Einführungsliteratur zusammensetzt, kann als Ausgangpunkt für die weiterführende Lektüre dienen.

Anmerkungen:
1 Bereits im Jahr 2011 verfasste Woolmer ein Einführungswerk in die phönizische Kultur: Mark Woolmer, Ancient Phoenicia. An Introduction. Classical World Series, London 2011. Hierzu Eleftheria Pappas Rezension, in: Bryn Mawr Classical Review 42 (02/2012)
2 Max Mallowan, The Nimrud Ivories, London 1978, S. 31. Die frontale Darstellung eines Frauenkopfes umrahmt von einem Fenster wurde aufgrund biblischer Textpassagen (Jeremiah 3:3) pauschal mit der Kultpraxis der Tempelprostitution assoziiert.
3 Maria Eugenia Aubet, The Phoenician Cemetery of Tyre. The Excavations 1997–1999. Bulletin d’Archéologie et d’Architecture Libanaises. Hors-Série I, Beirut 2004.
4 Vgl. Maria Eugenia Aubet, Burial, symbols and mortury practices in a Phoenician Tomb, in: Edward Herring (Hrsg.), Across Frontiers. Etruscans, Greeks, Phoenicians and Cypriots. Studies in honour of David Ridgway and Francesa Romana Serra Ridway, London 2006, S. 35–48.
5 Bärbel Morstadt, Bestattungen von Phöniziern, Fremden und Anderen im Mittelmeerraum, in: Alexander Berner / Jan-Marc Henke / Achim Lichtenberger / Bärbel Morstadt / Anne Riedel (Hrsg.), Das Mittelmeer und der Tod. Mediterrane Mobilität und Sepulkralkultur. Mittelmeerstudien 13, Paderborn 2016, S. 37–60.

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