M. Jehne u.a. (Hrsg.): Foreign "clientelae" in the Roman Empire

Cover
Titel
Foreign "clientelae" in the Roman Empire. A Reconsideration


Herausgeber
Jehne, Martin; Pina Polo, Francisco
Reihe
Historia 238
Erschienen
Stuttgart 2015: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
374 S.
Preis
€ 68,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Wendt, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

Der Belebung einer bereits seit längerem etwas aus dem Fokus geratenen Forschungsfrage nach der Rolle des Klientelmodells für die äußeren Beziehungen Roms widmet sich dieser Band, der auf den Ergebnissen einer 2013 in Zaragoza organisierten Konferenz basiert. Dabei hat der Band das erklärte Ziel, die wohl prägendste (doch beileibe nicht einzige oder gar erste) Einlassung innerhalb dieser Debatte kritisch zu hinterfragen: das aus der Oxforder Dissertation Ernst Badians hervorgegangene Werk „Foreign Clientelae (264–70 BC)“ von 1958.1 Dies ist über die mittlerweile 60 Jahre seit Erscheinen des Badian’schen Werks wiederholt und mit stichhaltigen Argumenten versucht worden – kritische Würdigungen des Badian’schen Konzepts sind Legion, ebenso wie vehemente Verteidigungen seines Ansatzes. Doch angesichts des Referenzcharakters von „Foreign Clientelae“ ist es legitim und weiterführend, dies erneut unter verändertem Blickwinkel zu unternehmen. Eine Einzelbesprechung der Beiträge kann an dieser Stelle nur in Auswahl erfolgen; insgesamt wird aber deutlich, dass Abgrenzung von Badian in stärkerem Maße versucht wird als seine Ehrenrettung:

Francisco Pina Polo ("Foreign Clientelae Revisited: A Methodological Critique") eröffnet den Band mit einigen Hinweisen zur Methode, derer sich Badian zur Untermauerung seiner Thesen bediente. Insbesondere zeigt er die Inadäquanz onomastischer Belegversuche, wie auch die zu starke Vereinfachung in der Annahme, Gefolgschaften seien ohne weiteres innerhalb einer gens vererbbar gewesen2 – die zu grobe Modellierung Badians wird an einigen Beispielen deutlich. Was indes an von Premersteins grundsätzlichem Ansatz der konkurrierenden großen und reichsweiten clientelae gerade für die ausgehende Republik „schematic and slightly simplistic“ ist, könnte Pina Polo argumentativ noch nachreichen.3 Durch die Infragestellung einzelner sogenannter "provincial clientelae", die von Badian als eine entscheidende Basis des Reichs ausgemacht wurden4, wird diese Ebene der Problematik immerhin nur in geringem Maße berührt. Doch die methodischen Einwände Pina Polos sind für die weitere Detailforschung von hoher Relevanz.

Angela Ganter ("Decline and Glorification: Patron-Client Relationships in the Roman Republic") schlägt eine methodische Justierung des Badian’schen Umgangs mit literarischen Quellen vor: Ein „literal reading“ sei nicht am Platze, wie es noch Badian selbst, aber auch einer seiner schärfsten Kritiker, Peter Brunt, betrieben hätten. Mittels einer Gegenüberstellung der Klientelbeschreibungen bei Dionysios von Halikarnassos und Plautus versucht Ganter zu belegen, wie wenig eindeutig doch das Bild einer urbanen Klientel sein könne, das aber der Konstruktion der "foreign clientelae" als Basis gedient habe. Zweierlei ist bei aller Richtigkeit dieser Beobachtung (und vieler wichtiger einzelner Erkenntnisse dieses Beitrags) zu erwidern: Dionysios evoziert im Griechischen Bilder, die nicht direkte Entsprechungen der römischen Vorstellungen von amicitia und clientela sind, und somit ist er sicher nicht die einsame Referenz, die Badians Vorstellung von Klientelverbindungen präfiguriert haben dürfte. Zudem ist bei Badian niemals von einer idealisierten Form der zwischenmenschlichen Verbindung die Rede – nicht einmal zwingend von einer freiwilligen, wie Ganter meint –, sondern von einer primär funktionalen. Insofern unterstützt die Möglichkeit, clientela sehr weit zu begreifen (sogar wenn sie, wie bei Plautus, auf wesentlich handfesteren Motiven beruht denn auf idealisierter virtus oder amicitia), Badians Verwendung geradezu. Die Differenzierung, die Ganter vorschlägt, illustriert daher einerseits das Bedürfnis nach Multiperspektivität, zeigt aber gleichermaßen, dass Klientel eben das war, was Sherwin-White eine Metapher genannt hat, die vieles abbilden konnte – und somit römischen Interessen folgend als Umschreibung ebenso wie als Idealisierung schlichter Herrschaftspolitik dienen konnte.

Der Anspruch stärkerer Differenzierung wird von Hans Beck ("Beyond 'Foreign Clienteles' And 'Foreign Clans'. Some Remarks on the Intermarriage between Roman and Italian Elites") aufgegriffen, der eine stärkere Beachtung der realen personalen Beziehungen im ehemals Münzer'schen Sinn, in seinem Beispiel mittels des Einbezugs interfamiliärer Bande, als wesentlichen Ansatz zum Verständnis von Klientelverbindungen außerhalb Roms, zumindest innerhalb Italiens, einfordert. Balanciert kann Beck zeigen, wie weit das Modell Badians reicht und wo es versagen muss: So treffend es im Erfassen der realen Machtmittel oder der Prinzipien römischer Außenpolitik ist, so wenig vermag es die soziopolitische Realität umfassend zu beschreiben, wie es Beck anhand der Heiratsverbindungen römischer und außerrömischer Eliten plausibel macht. Zugutehalten sollte man Badian, dass dies nicht sein Erkenntnisinteresse war. Doch Beck kann präzise aufzeigen, inwieweit der von ihm durchaus geschätzte Ansatz Badians im Detail der Modifikation bedarf bzw. dass er nicht allein stehen kann.

Bemühte Polemik prägt den Beitrag von Fernando Wulff Alonso ("Italians in Badian's Foreign Clientelae"); seine Fundamentalkritik beruht insbesondere auf einer Auseinandersetzung mit Literatur, die sich vor 1991 intensiv an Badian abgearbeitet hat. Einige Argumente zielen auf Badians vermeintliche logische Inkonsistenzen, etwa hinsichtlich der Terminologie von Bündnissystemen, ab; sie sind nur wenig überzeugend, verbleiben die meisten Kommentare leider bei einer regelrecht hämischen Meinungsbekundung, anstatt die kritische Position und die behauptete vollkommene Inadäquanz des Badian'schen Ansatzes nachvollziehbar zu entwickeln. Alternativen hingegen werden nicht aufgezeigt, wie bereits andernorts bemerkt wurde.5
Wolfgang Blösel ("The Etruscan and Italic Clientelae of Scipio Africanus Maior (Livy 28.45) – a Fiction?") widmet sich einer Detailstudie, um die auf dem Bericht von Livius basierende Annahme einer weitreichenden etruskischen und italischen Klientel des späteren Scipio Africanus zu widerlegen, wie sie in vielen einschlägigen Arbeiten angenommen worden ist. Überzeugend vermag Blösel (wie bereits Brunt vor ihm) die Plausibilitätsprobleme und die möglichen Konstruktionszusammenhänge der berichteten freiwilligen militärischen Hilfen durch vor allem etrurische Städte im Jahr 205, die Scipio seinen afrikanischen Feldzug auch gegen die Obstruktion des Senats ermöglichten, aufzuführen; seine direkten systemischen Schlussfolgerungen gehen aber etwas weit: Wenn Livius auch nicht als Beleg einer starken „foreign clientela“ der Scipionen herangezogen werden kann, so ergibt sich daraus nicht zwingend, dass römische nobiles derartige Einflüsse nicht grundsätzlich haben konnten, wie Blösel aber zum Ende seines Beitrags insinuiert. Auch kann es sich statt einer "outright fabrication" um eine livianische Zuspitzung mit historischem Kern handeln oder eben um eine Anpassung an spätere ähnlich gelagerte Nachrichten (im Zusammenhang mit Numantia oder Gallien). Blösel vermag jedoch mit seiner pointierten These zu vermitteln, dass das "foreign clientelae"-Konzept womöglich erst später als von Badian behauptet zu voller Ausprägung kam.

Cristina Rosillo-López‘ Beitrag ("Reconsidering Foreign Clientelae as a Source of Status in the City of Rome during the Late Roman Republic") gehört zu den stärksten des Bandes, kann sie doch die Widersprüche in zu einseitigen Annahmen, „foreign clientelae“ seien ein selbstverständlicher Bestandteil der Statusgewinnung aller nobiles gewesen, deutlich machen. Entgegnend mag man aber fragen: Warum versucht sich Pompeius dennoch genau daran? Haben wir es mit einem (noch) nicht allgemein anerkannten, sondern neuartigen Versuch dessen zu tun, der ohnehin auch außerhalb der akzeptierten Kanäle Macht demonstrieren will? Gibt es letztlich nur Versuche, die eigene Machtposition so weit wie eben möglich zu sichern, ungeachtet der traditionell etablierten oder akzeptierten Modi? Und gerät eben dadurch die "foreign clientela" und die patronus-Stilisierung zu einem entscheidenden Strukturmerkmal der existentiellen Krise der res publica, unabhängig davon, ob sie bereits früher ein akzeptiertes Ziel von nobiles war oder nicht? Doch Rosillo-López geht sehr differenziert auf diese problematische Position eines patronus ein, der nicht automatisch auf sonderlich positive Resonanz in Rom hoffen kann, aber auf seine geknüpften Bande dennoch angewiesen sein mag, unter anderem wegen des Rückgriffs auf deren Ressourcen.

Arnaud Suspène ("L'apport de la documentation numismatique à l'étude des Foreign Clientelae: le cas de Juba II de Maurétanie") wählt einen numismatischen Ansatz, um Iuba II. von Mauretanien als ein Fallbeispiel eines Klientelkönigs zu untersuchen. Suspène plädiert dafür, die lokalen Traditionen und Motive und die eigene Herrschaftsstrategie Iubas stärker ins Augenmerk zu nehmen als die bloße Loyalitätsgeste gegenüber Rom und dem princeps – Iuba präsentiere sich nicht more clientium, sondern als eigenständige und selbstbewusste Autorität. Dieser Widerspruch ist allerdings kein solcher, wie anhand vieler Studien deutlich gemacht wurde; das suetonische more clientium als Demutsausdruck zu begreifen ist verfehlt, ebenso wie die (auch von Burton) entwickelte Dichotomie zwischen amicitia und clientela, die letztlich zwei Seiten der gleichen Medaille darstellen.

Claudia Tiersch ("Von personaler Anbindung zu territorialer Organisation? Dynamiken römischer Reichsbildung und die Provinzialisierung Zyperns (58 v.Chr.)") wählt ihrerseits die Annexion Zyperns als Ausgangspunkt für die Frage, wie auswärtige Klientelen und ihre Bedeutung für die römisch-republikanische Geschichte zu bewerten sind. Dabei urteilt sie abgewogen zwischen der Ausplünderung von Gebieten einerseits (also einem Missbrauch der Klientelidee durch "schlechte" Patrone) und der faktischen Zunahme an Relevanz des nobilitären Kampfes um Klienten auch in der Peripherie.

Martin Jehne ("From Patronus to Pater. The Changing Role of Patronage in the Period of Transition from Pompey to Augustus") unterstreicht seine bereits mehrfach geäußerte Position, der princeps könne nicht als universaler patronus des Reichs gesehen werden, auch da ihn eine derartige Aufgabe real überfordert hätte, sondern Augustus habe eine neuartige Position kreiert, die ihn von den Verpflichtungen als patronus regelrecht befreit habe – statt dessen sei der Begriff des pater treffender für Augustus' avisierte Stellung und sollte in die Debatte als Substitut eingeführt werden, eben als die treffende "formalised metaphor", so Jehne. Auch müsse innerhalb der spätrepublikanischen "super-patrons" zwischen Pompeius', Caesars und Augustus' Stellung klar unterschieden werden, mache das Institut der "foreign clientela" doch eine entscheidende Wandlung durch und sei es doch in der Republik ohne direkten Einfluss auf die römischen Entscheidungsabläufe geblieben. Der Rezensent teilt diese Ansicht zwar nicht, es ist aber bei allem Dissens im Detail ein wertvoller Ansatz, das begriffliche Instrumentarium von den ihm immanenten Verallgemeinerungen zu befreien – hier bietet Jehne (wie der ganze Band) zentrale Denkanstöße, die auch künftige Debatten anregen und bereichern werden.

Dass es Badian daran gelegen war, modellhaft grundlegende Ansätze römischer Politik zu erfassen und abzubilden (etwa geht es ihm eher um die Ausweitung der Idee von Klientelverbindungen als um deren genaue Übertragung), dass er sich der begrifflichen Problematik einer weiten Auslegung des clientela-Vokabulars vollauf bewusst war6 und dennoch den explikativen Gehalt seines Ansatzes für wesentlich hielt, dass ohnehin jegliche übergreifende Modellbildung angesichts der Überlieferungssituation angreifbar sein muss – all diese Parameter scheinen in manchen Beiträgen nicht recht in Anschlag gebracht, wo sie sich hauptsächlich um Ikonoklasmus bemühen. Auch ist die grundlegende Frage, weshalb sich römische Autoren der Diktion von Patron-Klient-Beziehungen durchaus auch im auswärtigen Bereich überhaupt bedienen, nicht beantwortet.7 Badians Werkzeug zur Verdeutlichung von Strukturen verliert damit der zum Teil berechtigten Kritik zum Trotz nichts an Geeignetheit, und die um Schärfung bemühten Ansätze des Bandes zeigen dies umso deutlicher.

Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass, wenn auch die grundierende Tendenz den Rezensenten nicht restlos überzeugt, der Wert vieler Beobachtungen und Argumente, die in diesem Band versammelt sind, von großer Bedeutung für die Forschung ist. Es ist angesichts der zurzeit wieder auflebenden Diskussion über Staatlichkeiten, Normativität und Institutionen nur zu hoffen, dass noch weitere ähnlich anregende Überlegungen folgen. Somit liegt hier ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der römischen Reichsorganisation vor, der für die weitere Auseinandersetzung mit dem römischen Klientelmodell unabdingbarer Bestandteil sein wird.

Anmerkungen:
1 E. Badian, Foreign Clientelae (264–70 B.C.), Oxford 1958.
2 Badian selbst war im Übrigen vorsichtiger als von Pina Polo, etwa auf S. 35, angenommen: Badian 1958, 4, zur Diskrepanz zwischen allgemeiner Idee und tatsächlicher Vererbung der clientela.
3 daselbst, 21.
4 Badian 1958, 262–273.
5 H. Halfmann, Rezension des Werks in sehepunkte 16 (2016), Nr. 4, 15.04.2016, http://www.sehepunkte.de/2016/04/27768.html (21.05.2018).
6 Badian 1958, 11: "we must not expect foreign clientelae to conform to one pattern (...) it is the superstructure that is the realm of Fides – and that matters."
7 Dazu etwa der Band von E. Baltrusch / J. Wilker, Amici – socii – clientes? Abhängige Herrschaft im Imperium Romanum, Berlin 2015.

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