S. Rebenich (Hrsg.): Monarchische Herrschaft im Altertum

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Titel
Monarchische Herrschaft im Altertum.


Herausgeber
Rebenich, Stefan
Reihe
Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 94
Erschienen
Berlin 2017: de Gruyter
Anzahl Seiten
XIII, 678 S.
Preis
€ 139,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Lambrecht, Institut für Geschichte, Universität Koblenz-Landau

Der Sammelband mit dem harmlos-eingängig klingenden Titel und dem respektheischenden Umfang sucht in insgesamt 26 Beiträgen ganz allgemein Zugänge und Perspektiven zur monarchischen Herrschaft im Altertum zu erfassen und so dem Leser ein Phänomen zu präsentieren, das je nach historischen und kulturellen Zusammenhängen in der – hier keineswegs nur auf Griechenland und Rom beschränkten – Antike unterschiedlichste Ausformungen hervorbringen konnte, welche synchron und diachron zu einem Vergleich herausfordern, der Eigenheiten und Gemeinsamkeiten hervortreten lässt. Dabei soll das Thema nicht zuletzt dadurch an Farbe gewinnen, dass in den Beiträgen „dem spannungsreichen Wechselspiel zwischen der monarchischen Herrscherfigur und der politischen Ordnungsform der Monarchie im Altertum“ (S. 19) Rechnung getragen wird, wie der Herausgeber Stefan Rebenich1 und Johannes Wienand in der gemeinsam verfassten Einführung betonen. Zu diesem Zweck stellen sie die Notwendigkeit heraus, über gängige Erklärungsmuster im Gefolge der „Geschichte großer Männer“ und auch herkömmlicher staatsrechtlicher oder ideengeschichtlicher Zugänge zur Monarchie hinauszugehen und die sozialgeschichtlichen Aspekte des Themas gebührend zu berücksichtigen, wie sie etwa in Max Webers Herrschaftssoziologie fassbar sind, auch wenn man damit allein den vielfältigen Facetten monarchischer Herrschaft nicht gerecht zu werden vermag. Daher skizziert die Einführung in allgemeiner Form zum einen bestimmte Perspektiven auf die antike Monarchie, indem sie Polis und Territorialherrschaft, Infrastruktur und Wirtschaft, Verwaltung und Zentrale, Elite und Bevölkerung als Komplementärbegriffe gegenüberstellt, aus denen sich Tendenzen zu einem wie auch immer gearteten Interessenausgleich ergeben. Zum anderen bietet sie Perspektiven auf den Monarchen, zu denen die Funktion des Herrschers, seine Sakralität, die Monarchie Gottes, das Zeremoniell, die Repräsentation, dynastische Stabilität, Autorität und Charisma gerechnet werden. Alle diese Aspekte spielen in der einen oder anderen Weise in den Einzelbeiträgen eine Rolle, so dass sich mit ihnen synchron interkulturelle Vergleichsmöglichkeiten eröffnen und darüber hinaus diachron im Epochenvergleich Entwicklungspotentiale erweisen können.

Die Beiträge sind chronologisch angeordnet: So werden beispielsweise die altägyptische Monarchie, das mesopotamische Königtum, die Herrschaftsform der mykenischen Welt, das Königtum im Alten Testament und die Monarchie im frühen Rom hintereinander abgehandelt. Aufs Ganze gesehen dominieren quantitativ durchaus die jeweils am chronologisch passenden Ort eingefügten Aufsätze über die Ausformungen monarchischer Herrschaft in Griechenland und Rom. Allerdings werden diese in der durch die zeitliche Reihenfolge der Beiträge bewirkten Durchmischung anhand der Beispiele aus den Nachbarkulturen zugleich kontrastiert und erhellt von den entsprechenden Verhältnissen in Ägypten, Mesopotamien, im alten Israel bzw. Juda und auch im Judäa der Hasmonäer, in Persien unter Teispiden und Achaimeniden sowie Arsakiden und Sasaniden, in den prähistorischen Kulturen der Kelten und der Skythen, im frühen China, im frühen Islam und im abendländischen Frühmittelalter. Ein Ausblick gilt der Auseinandersetzung der frühneuzeitlichen Monarchie in Europa mit antiken Herrschaftsvorstellungen und ihren Folgen für die Inszenierung der Herrscher. Insofern ist der Rahmen monarchischer Herrschaft im Altertum hier bewusst sehr weit gefasst, vielleicht weniger um den Eigenheiten der Monarchie in den sogenannten antiken Randkulturen gerecht zu werden als vielmehr vor dem damit skizzierten Hintergrund, eine Vergleichsfolie für die monarchische Herrschaft im griechisch-römischen Mittelmeerraum zu bieten und insofern zum Erkenntnisgewinn über das Phänomen insgesamt ebenso wie in dessen einzelnen Facetten beizutragen.

Um den Reichtum an Aspekten des Bandes bei der Würdigung monarchischer Herrschaft zu illustrieren, seien beispielhaft die Beiträge zu den griechischen Formen der Monarchie herausgegriffen. Zu der methodisch nicht ganz leicht zu erfassenden politischen Herrschaft in mykenischer Zeit hält Tassilo Schmitt fest, ein regionales oder gar zentrales Königtum sei für die Mykener nicht bezeugt. In den Begriffen ánax und basileús der Epen Homers und Hesiods erkennt Christoph Ulf ebenfalls lediglich Hinweise auf den Wettbewerb um Anführerschaft, nicht auf monarchische Ansprüche; er erhärtet dieses Ergebnis mit einer Auswertung entsprechender Diskurse. Eine unzweifelhaft monarchische Herrschaftsform ist dagegen die griechische Tyrannis: Martin Dreher entwickelt deren Charakteristika aus den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu dem mit basileía bezeichneten Königtum. Er kommt zu dem Schluss, die Herrschaft eines Tyrannen bleibe „informell und persönlich“ (S. 179), der Tyrann selbst sozusagen Privatperson, so dass diese Form der Monarchie kaum institutionalisierungs- oder gar entwicklungsfähig gewesen sei. Christian Körner stellt anhand literarischer und epigraphischer Zeugnisse die in verschiedenen Stadtkönigtümern seit archaischer Zeit präsente Monarchie auf Zypern im 5. und 4. Jahrhundert v.Chr. vor. Wilfried Nippel äußert sich zur Monarchie in der politischen Theorie und zieht hierfür unter anderem Herodot, Thukydides, Isokrates, Xenophon und Aristoteles heran; dabei kommt er zu dem Ergebnis: „Die Vorstellung einer legitimen Monarchie […] konnte sich hier nicht entwickeln“ (S. 260). Das Thema der hellenistischen Monarchie handelt Hans-Ulrich Wiemer in Form eines durchgängigen Forschungsberichts ab, indem er den herrschaftssoziologischen und den institutionengeschichtlichen Erklärungsansatz gegenüberstellt. Zudem bietet der Archäologe Ralf von den Hoff mit einem Überblick zur Visualisierung des Monarchen von der Archaik bis zum Hellenismus eine Tour d’Horizon zu Deutungsansätzen für das gesellschaftliche Bild des Monarchen im antiken Griechenland.

Allerdings werden diese Beiträge nicht als ein in sich geschlossener Teil des Sammelbandes präsentiert, sondern aus chronologischen Gründen vielmehr in unmittelbarer Nachbarschaft mit anderen Vorstellungen monarchischer Herrschaft konfrontiert: So folgen auf Schmitts Aufsatz Ausführungen über das Königtum im Alten Testament (Udo Rüterswörden) und Ulfs Beitrag geht eine Analyse zum Verständnis des Königtums im frühen Rom (Uwe Walter) voraus. Zwischen Drehers und Körners Aufsatz ist ein Beitrag über die monarchische Herrschaft der Teispiden und Achaimeniden (Robert Rollinger) eingeschaltet. An Wiemers Ausführungen schließt sich ein Beitrag über das Königtum und Priestertum vereinigende Herrschaftskonzept der Hasmonäer (Andreas Hartmann) an. Auf diese Weise werden die diversen Beiträge zu den griechischen Monarchie-Vorstellungen nicht nur untereinander, sondern auch mit anderen – etwa altorientalischen – monarchischen Herrschaften vernetzt. Vielfach legen hierbei auch die auf nichtgriechische Monarchien eingehenden griechischen Quellen und griechische Einflüsse auf Nachbarregionen den Blick auf die Verhältnisse außerhalb Griechenlands nahe. So bieten die einzelnen Aufsätze Vergleichsanregungen zur Genüge.

Die bezüglich der Alleinherrschaftsformen relativ vielgestaltige und diese meist auf überschaubare Räume begrenzende griechische Welt hat in dieser Hinsicht wenig gemeinsam mit der homogener und stabiler wirkenden römischen Monarchie von Augustus bis in die Spätantike. Diese kann nun tatsächlich über einen langen Zeitraum in ihrem Entwicklungspotential verfolgt werden, und zwar vom Prinzipat des 1. und 2. Jahrhunderts n.Chr. und dessen im Nebeneinander republikanischer politischer Organisation und kaiserlicher Hofhaltung paradoxer Struktur (Aloys Winterling) über die Christianisierung der monarchischen Herrschaft und der Suche des Kaisers nach einem Platz im religiösen System während des 4. Jahrhunderts (Hartmut Leppin) bis zu den Umgestaltungen, die vom 5. bis zum 7. Jahrhundert zunächst zur Etablierung, dann zur Gefährdung des Kaisertums in Konstantinopel und aus Erfahrungen wie diesen zur Sakralisierung des Kaisertums und schließlich zur Übernahme messianischer Elemente (Mischa Meier) führten. In solchen Zusammenhängen erscheint auch ein Blick auf theologische (Wolfram Kinzig) und philosophische, neuplatonische Konzepte der Monarchie (Dominic J. O’Meara) zur römischen Kaiserzeit bzw. in der Spätantike sehr lohnend.

Damit sind die Vergleichsmöglichkeiten aber keineswegs erschöpft. Weitere ergeben sich aus den Inhalten der Beiträge, wenn man etwa an die Grenzbereiche des Monarchiebegriffs denkt, wie sie in den Aufsätzen von Schmitt, Walter und Ulf hervortreten und auch etwa beim „Königtum“ in prähistorischen Kulturen (Carola Metzner-Nebelsick) angesprochen werden. Ein anderes Thema ist beispielsweise die Sakralität des Monarchen, die auf unterschiedliche Weise in vielen Beiträgen eine wichtige Rolle spielt. Natürlich bieten alle Aufsätze zu ihrem jeweiligen Thema einen Überblick auf aktuellem Forschungsstand (mit teilweise erheblichen, aber durchweg erhellenden Forschungsberichtsanteilen) und keine ganz neuen Forschungsergebnisse. Allerdings haben die an diesem Sammelband Mitwirkenden in der Regel zum derzeitigen Forschungsstand auf ihrem jeweiligen Spezialgebiet Maßgebliches beigetragen. Das Innovationspotential dieses Bandes ergibt sich vielmehr aus der hier initiierten Zusammenschau monarchischer Herrschaftsformen im gesamten Altertum unter Einschluss der außergriechischen und außerrömischen Welt. Dieser Umstand lädt immer wieder dazu ein, einzelne Gesichtspunkte, die in unterschiedlichen historischen Zusammenhängen eine Rolle spielen, auf ihr räumlich und zeitlich übergreifendes strukturelles Potential zu untersuchen. Hilfreich auch im Sinne gezielter Hinführung zu wirklich Wichtigem ist für diesen Zweck gewiss die der Einführung beigegebene Auswahlbibliographie (S. 20–41), doch wäre es darüber hinaus sicher auch zu begrüßen gewesen, wenn den Einzelbeiträgen spezielle Literaturverzeichnisse beigegeben worden wären. Dessen ungeachtet dürfte jeder auf diesen Sammelband angewiesen sein, der sich zukünftig allgemein oder speziell mit monarchischen Herrschaftsformen im Altertum auseinandersetzen möchte.

Anmerkung:
1 Vgl. auch Stefan Rebenich, Monarchie, in: Reallexikon für Antike und Christentum 24 (2012), Sp. 1112–1196.

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