Brodersen, Kai (Hrsg.): Ailianos, Antike Taktiken. Taktika. Zweisprachige Ausgabe. Wiesbaden 2017 : Marix Verlag, ISBN 978-3-7374-1071-7 160 S. € 15,00

Brodersen, Kai (Hrsg.): Polyainos. Strategika. Griechisch-deutsch. Berlin 2017 : de Gruyter, ISBN 978-3-11-053664-5 720 S. € 69,95

Brodersen, Kai (Hrsg.): Arrianos / Asklepiodotos. Die Kunst der Taktik. Griechisch-deutsch. Berlin 2017 : de Gruyter, ISBN 978-3-11-056216-3 192 S. € 29,95

Brodersen, Kai (Hrsg.): Aineias / Aeneas Tactikus. Stadtverteidigung. Poliorketika. Griechisch-deutsch. Berlin 2017 : de Gruyter, ISBN 978-3-11-054423-7 200 S. € 39,95

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Institute for the History of Ancient Civilizations (IHAC), Northeast Normal University, Changchun, China

Militärgeschichte als Forschungsfeld hatte lange Zeit einen schweren Stand in Deutschland – im Gegensatz zum angelsächsischen Raum, wo diese an Universitäten fest etabliert ist. Verständlich ob der folgenschweren Geschichte des deutschen Militarismus, hat dies in Bezug zur Antike dazu geführt, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit Militär und Krieg in Deutschland – allgegenwärtig in antiken Gesellschaften – nur langsam und mit Verzögerung die Entwicklungen und Forschungstrends durchgemacht hat, die andernorts bereits Standard sind. Hierzu gehört – neben einem einführenden Forschungsüberblick1 – auch die intensivere Beschäftigung mit Militärschriftstellern, ihren jeweiligen Perspektiven, Methoden, Vorschlägen, literarischen Mustern und historischen Kontexten.

Kai Brodersen, Professor für Antike Kultur an der Universität Erfurt, hat hierzu jetzt mit den in kurzer Folge erschienenen Übersetzungen von gleich fünf wichtigen antiken Schriftstellern zur Thematik einen kleinen Meilenstein gesetzt, und zwar nicht nur hinsichtlich der Breitenwirkung, welche eine Übersetzung über die Spezialisten und Fachwissenschaft hinaus zu entfalten vermag. Seine Leistung ist besonders hervorzuheben, da alle Übersetzungen auf neuesten textkritischen Erkenntnissen basieren, in zweisprachiger Form gestaltet sind und (sehr) alte Übertragungen ersetzen.

Der erste in der Reihe, nach dem Polyhistor und Militärexperten Xenophon das Feld beackernd, stellt dabei Aeneas Tacticus dar, von dessen Werk neben einigen Fragmenten nur das Buch zu den „Poliorketika“ („Belagerungstaktik“) erhalten ist. Der um die Mitte des 4. Jahrhunderts v.Chr. schreibende Autor ist dabei, wie auch Brodersen betont, nicht nur auf rein taktische Anweisungen aus, sondern bettet seine Empfehlungen in den größeren politischen und sozioökonomischen Kontext der Poliswelt seiner Zeit ein, verbindet also Taktik mit Strategie. Hierbei ist besonders die Aufrechterhaltung der Ordnung und Harmonie, Garant der Stabilität und Verteidigungsfähigkeit, hervorzuheben, wofür Aeneas die politischen, sozialen, ökonomischen, aber auch religiösen Strukturen und Abläufe2 genauestens in den Blick nimmt. Die kurzen Erläuterungen Brodersens im Einführungsteil (S. 7–29) sowie die umfangreiche Bibliographie (S. 193–199)3 machen den flüssig übersetzten Text leicht zugänglich.

Hingegen ist das Werk des unter Kaiser Trajan zu Beginn des 2. Jahrhunderts n.Chr. schreibenden Aelian insgesamt mehr taktisch ausgerichtet. Seine Vorschriften zur Ordnung, Aufstellung und Bewegung des Heeres samt Untereinheiten sind jedoch ebenfalls Ausdruck des in der Antike stets präsenten Zusammenhangs von Wohlordnung und militärischem Erfolg. Der Zeitgenosse des militärische Strategeme sammelnden Frontin setzt dabei auf eine theoretische, allgemein verständliche Durchdringung des Stoffes, auch komplexerer Abläufe. Die unter Heranziehung der maßgeblichen Handschrift, des Codex Laurentianus LV 4, erfolgte Übersetzung ist ebenso leicht zu lesen. Interessant in der Einleitung ist – neben den aufgrund der spärlichen Quellenlage nur wenigen möglichen Angaben zu Autor und Werk – die Darstellung der Wirkungsgeschichte durch Brodersen (S. 17–22), die tiefe Einblicke in die Kulturgeschichte des Militärischen wie auch der Abwege der Rezeption gewährt, so vor allem im kaiserzeitlichen Deutschland, wo Aelians Werk als Erziehungsratgeber im schulischen Sportunterricht empfohlen wurde.

Ähnlich, jedoch mit Unterschieden im Detail, sind die beiden anderen taktischen Werke, diejenigen des Arrian und des Asklepiodotos, gelagert, die Brodersen in einem weiteren Band versammelt hat. Während Arrian kurze Zeit nach Aelian schrieb, ist die Lebenszeit des Autors Asklepiodotos in der Forschung umstritten (zwischen dem 2. Jahrhundert v.Chr. und dem 3. Jahrhundert n.Chr.). Gut arbeitet Brodersen in seiner Einleitung jedoch die Parallelen zwischen den drei „Taktiken“ heraus, die auf eine gemeinsame Vorlage (Poseidonios?) zurückgehen dürften (S. 12–14). Diese wurde jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten exzerpiert und eigenem Material angereichert. Auch diese beiden Autoren präsentieren die taktischen Einheiten, Aufstellungen und Manöver in einfacher Sprache, teils mit Zeichnungen. Hinsichtlich der Übernahme griechischer Taktiken durch die Römer sind insbesondere die Passagen in Arrians Werk interessant und lesenswert (vor allem Arr. Takt. 33,1–6).

Viel umfangreicher ist die zu Beginn der Regierungszeit Mark Aurels und des Lucius Verus entstandene strategische Beispielsammlung des Polyainos. Ähnlich derjenigen Frontins werden in den acht fast vollständig erhaltenen Büchern nach Zeiten und Ethnien gegliedert Strategemata unterschiedlichster Art dargebracht. Diese beschränken sich nicht allein auf Kampftaktiken, sondern umfassen auch andere Tricks, die zumeist berühmten Feldherren zugeschrieben werden; etwaige Parallelüberlieferung ist leicht durch den sehr nützlichen Index im Anhang (S. 697–710) zu fassen. Zumeist als „Fundgrube“ für historische Forschungen zu den jeweiligen Feldherren genutzt, hat das Werk erst in jüngerer Zeit durch die Initiative Brodersens vermehrt Aufmerksamkeit als Vertreter einer eigenständigen literarischen Gattung erlangt.4 Eine tiefergehende Beschäftigung kann nun auf einer soliden Text- und Übersetzungsgrundlage erfolgen.

Alles in allem bereiten die genannten Textausgaben, denen in Kürze noch weitere zu Xenophons kleinen Schriften mit militärischem Charakter und Onasander aus der Feder Brodersens folgen werden5, einen leichten und guten Zugang zu diesen Basistexten antiken Militärwissens.

Anmerkungen:
1 Vgl. dazu jetzt Christian Mann, Militär und Kriegführung in der Antike, München 2013.
2 Zum Zusammenhang zwischen religiösen Festen und potentiellen Gefährdungen vgl. jetzt Tong Wu, Public Festivals, Political Manipulations and Civil Strife: Aeneas Tacticus on Rituals and City Defenses, in: Marburger Beiträge zur antiken Handels-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte 34 (2016), S. 41–51.
3 Vgl. auch die aktuelle Bibliographie auf: Aeneastactitus.net / Aeneas Tacticus: Bibliography / <http://www.aeneastacticus.net> (07.01.2018).
4 Kai Brodersen (Hrsg.), Polyainos. Neue Studien / Polyaenus. New Studies, Berlin 2010. Siehe auch die umfangreiche Bibliographie in der besprochenen Ausgabe, S. 711–716.
5 Vgl. die Ankündigungen auf der Homepage zu Xenophons „Peri Hippikes“, „Hipparchikos“ und „Kynegetikos“ sowie Onasanders „Taktikos“: Universität Erfurt. Geschichtswissenschaft / Kai Brodersen: Neuerscheinungen und "preprints" /<https://www.uni-erfurt.de/geschichte/antike/forschung/neuerscheinungen> (07.01.2018).

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