A. Carandini u.a. (Hrsg.): The Atlas of Ancient Rome

Cover
Titel
The Atlas of Ancient Rome. Biography and Portraits of the City. Bd. 1: Text and Images; Bd. 2: Tables and Indexes


Herausgeber
Carandini, Andrea; Carafa, Paolo
Erschienen
Anzahl Seiten
Bd. 1: XIII, 640 S.; Bd. 2: 464 S.
Preis
$ 199,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Institute for the History of Ancient Civilizations, Northeast Normal University, Changchun, China

„Monumental“ ist das erste Wort, das einem beim Durchblättern der zwei gewichtigen Bände des „Atlas of Ancient Rome“ durch den Kopf geht. Die englische Version der ursprünglich italienischen Fassung1 ist in der Tat ein eindrucksvoller und reich bebilderter Rekonstruktionsversuch der verschiedenen Stadien der antiken Stadtgeschichte Roms von den ersten Anfängen bis hin zur Spätantike, unterfüttert mit einleitenden Essays, Analysen zur Stadtgeschichte und -topographie im Allgemeinen sowie den einzelnen (in augusteischer Zeit organisierten und der Gliederung zugrunde gelegten) Regionen. Die Autorengruppe um den unter anderem am Palatin-Hügel tätig gewordenen Archäologen Andrea Carandini schließt mit dem Atlas an Rodolfo Lancianis detaillierte, aber schon über 100 Jahre alte „Forma Urbis“ genauso an, wie er eine handlichere und preiswertere Alternative zum „Lexicon Topographicum Urbis Romae“ (LTUR) sein möchte.

Aber natürlich ist stets Vorsicht bei der Benutzung eines solchen Gesamt(kunst)werkes geboten, das mit prächtiger Aufmachung aufwartet, worauf bereits ein exzellenter Kenner gerade der frührömischen und republikanischen Epoche, Timothy Peter Wiseman, in einer umfangreichen Rezension der italienischen Fassung aufmerksam gemacht hat.2 Ohne die Benutzung der zugehörigen Texte und Anmerkungen, also beim reinen Betrachten der zum Teil auch farbigen Rekonstruktionszeichnungen, ist man verleitet, den oftmals imaginären Charakter der jeweiligen Baustruktur für bare Münze zu nehmen, obschon gerade die Deutung der archäologischen Hinterlassenschaften für die römische Frühzeit – aber auch für andere Epochen – mehr als nur umstritten ist. Derlei Forschungsdebatten werden durch die Einstreuung von Photographien real erhaltener Bauwerke, archäologischer Fragmente und Münzen oder etwa auch durch Stadtansichten aus späteren Epochen, etwa der Renaissance, verwischt.

Auch suggerieren die zusammenhängenden Texte, insbesondere für die jeweiligen augusteischen Regionen mit ihrer Feingliederung nach Epochen, mit ihrem narrativen Charakter und dem steten Versuch der Verbindung von archäologischer Evidenz, literarischen wie epigraphischen Quellen und Annahmen eine durchgängige Kontinuität sowie größtenteils Erklärbarkeit aller problematischen Befunde. Sie sollten daher bei fachwissenschaftlicher Benutzung immer zusammen mit dem Anmerkungsapparat gelesen werden. Die umfangreiche Vermarktungsstrategie von Princeton University Press3 macht zudem deutlich, dass eben nicht auf ein rein akademisches Publikum gezielt wird. Insofern kann der „Atlas of Ancient Rome“ stets nur als Startpunkt für eine tiefgründigere Analyse, etwa durch Hinzuziehung des nach wie vor unersetzten LTUR oder auch wissenschaftlichen Online-Projekten wie zur severischen Forma Urbis Romae4 oder zum Forum Romanum5, dienen und muss als ein Stand-, nicht als Endpunkt in der Forschungsdiskussion wahrgenommen werden.

Bei der Benutzung der Karten und Pläne ist es nicht immer leicht, die Übersicht zu behalten, da unterschiedliche Ebenen, farblich abgesetzt, Verweise auf Detailpläne und Index- wie Legendennummern und manchmal auch Originalphotographien ineinanderwirken. Daher sollte man ein Buchzeichen stets bei den Übersichtskarten Nr. 1–37 einstecken, die Rom im 4. Jahrhundert n.Chr. samt Überlappung der einzelnen Monumente sowie mit Verweisen auf die Einzelkarten zeigen. Mit kritischem Blick und hinterfragender Leseweise ist der „Atlas of Ancient Rome“ ein Gewinn. Es bleibt zu hoffen, dass die dahinter- und zugrundeliegenden Daten auch in naher Zukunft für alle Forscher zugänglich, nutzbar und damit diskutierbar gemacht werden. Es wäre der wissenschaftlichen Auseinandersetzung gewiss dienlich. Mit kritischem Blick und hinterfragender Leseweise ist der „Atlas of Ancient Rome“, trotz des stattlichen Preises, ein Gewinn für jede Fachbibliothek.

Anmerkungen:
1 Andrea Carandini (mit Paolo Carafa) (Hrsg.), Atlante di Roma antica: Biografia e ritratti della città, 2 Bde., Mailand 2012.
2 Timothy Peter Wiseman, Review: The Palatine, from Evander to Elagabalus, in: Journal of Roman Studies 103 (2013), S. 234–268.
3 Der Atlas hat eine eigene Homepage: http://atlasofancientrome.com/ (20.10.2017); ebenso gibt es hier wie auf Youtube ein Interview-Video mit dem Herausgeber: https://www.youtube.com/watch?v=y9qQhvwx5V8 (20.10.2017).
4 Stanford Digital Forma Urbis Romae Project: http://formaurbis.stanford.edu/ (20.10.2017).
5 Digitales Forum Romanum: http://www.digitales-forum-romanum.de/ (20.10.2017).

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