Cover
Titel
Wilhelm von Humboldt. Ein Leben als Werk


Autor(en)
Maurer, Michael
Erschienen
Anzahl Seiten
310 S., 24 s/w Abb.
Preis
€ 24,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sandra Rebok, Madrid

Unter den zahlreichen neuen Publikationen zur Person und dem Werk Wilhelm von Humboldts, die anlässlich der 250-Jahrfeier seines Geburtsjahres 1767 auf den Markt gebracht worden sind, befindet sich auch diese hervorragende Biografie aus der Feder des Kulturhistorikers Michael Maurer. Während Humboldt heutzutage meist mit dem Begriff der Bildungsreform in Verbindung gebracht und vorwiegend als Stifter des humanistischen Gymnasiums in Preußen und Gründer der Berliner Universität wahrgenommen wird, war es das Anliegen des Autors, auch die anderen Facetten seiner umfangreichen beruflichen Tätigkeit und intellektuellen Interessen zu beleuchten, zu denen auch seine Aktivitäten als Sprachwissenschaftler, sein Studium der griechischen Klassik sowie seine politischen Aufgaben in seiner Position als Diplomat und Minister zählen.

Detailliert analysiert Maurer das humanistische Menschenbild Humboldts, seine alle Lebensphasen durchziehende liberale Haltung, seinen Glauben an die freie Entfaltung der Fähigkeiten und die Kräfte des Einzelnen im Rahmen der Herausbildung der eigenen Persönlichkeit, sowie die äußeren Umstände, die gemäß Humboldt diesem Prozess förderlich sind. Neben der Beschreibung von biografischen Eckdaten legt der Autor viel Wert auf die Darstellung von Humboldts innerer geistiger Entwicklung. Eingehend werden sein Denken und die Umsetzung seiner Überzeugungen durch sein Handeln beschrieben, sowie auch der jeweilige historische Kontext und das soziale Umfeld, in dem er sich bewegte. Auch seine politischen Ideen und die Fragestellungen, denen er in den verschiedenen Lebensphasen nachgegangen war, und unter denen sich auch wiederkehrende Themen befinden, denen sich Humboldt im Laufe der Zeit auf unterschiedliche Weise genähert hat, werden ausführlich dargestellt. Sehr hilfreich ist ebenfalls, dass die wichtigsten humboldtschen Schriften, die durch die Auseinandersetzung mit diversen Themen in den verschiedenen Phasen seines Schaffens entstanden waren – wie beispielsweise seine Arbeiten zu der Beziehung zwischen den Geschlechtern, der vergleichenden Anthropologie, oder seine Auffassung von den unterschiedlichen Nationalcharakteren – inhaltlich zusammengefasst und in ihrer umfassenden Bedeutung erklärt werden. Der Autor zeigt darüber hinaus auf, wie sich Humboldts Werk im Laufe der Zeit geformt und weiter entwickelt hat, er thematisiert sein Suchen und sein Finden in den verschiedenen Aufgabenbereichen, beeinflusst sowohl durch die Orte, an denen er lebte und an denen er den jeweiligen intellektuellen Fragestellungen nachging, als auch durch sein soziales Umfeld und insbesondere durch bestimmte Personen, die Teil seines engeren sozialen Netzwerkes waren. Maurer geht auch auf die Krisen und Wendepunkte in Humboldts Leben ein und versucht diese für den Leser nachvollziehbar darzustellen. So erläutert er beispielsweise die Gründe für dessen frühes Ausscheiden aus dem Staatsdienst – und somit das Verlassen des traditionell von ihm erwarteten Berufsweges – und beschreibt, wie Humboldt im Laufe seines Lebens immer wieder gependelt ist zwischen seinen Ambitionen als unabhängiger Gelehrter und Freigeist einerseits, und andererseits dem, was er als seine Verpflichtungen als preußischer Staatsbürger ansah. Dies geschieht in einer sehr ansprechenden Weise, die den Leser mit einbezieht und ihn teilhaben lässt an Humboldts Gedankengängen, den Herausforderungen seiner Zeit, denen er sich in seinem Leben stellte und den von ihm getroffenen Entscheidungen.

Die Darstellung eines so aktiven, facetten- und ertragreichen Lebens wie das von Wilhelm von Humboldt ist eine Herausforderung für jeden Biografen, die Maurer mit Bravour gemeistert hat. Die chronologische Abfolge der Beschreibung und Erklärung seines Lebens wurde des Weiteren inhaltlich gegliedert, indem für bestimmte Lebensabschnitte ein Thema gefunden wurde, das seine vorrangige geistige Beschäftigung zu dieser Zeit reflektiert oder aber seine berufliche Tätigkeiten an unterschiedlichen Orten Europas – Paris, Rom, Preußen, Spanien und Wien – genauer betrachtet. Der Autor beweist hierbei nicht nur sein umfangreiches und detailliertes Wissen hinsichtlich der verschiedenen Stationen in Humboldts Leben, sondern auch in Bezug auf den zeitgenössischen Kontext, in dem sich diese außergewöhnliche Biographie entwickelt hat. Die reichhaltige Information wird hierbei sehr übersichtlich dargestellt und ist zudem durchaus unterhaltsam in der Lektüre. Die Biografie eignet sich sowohl für Experten wie auch für Leser ohne spezielle Vorkenntnisse über den preußischen Reformdenker und seine Zeit. Das Buch bietet somit eine gute Grundlage, um sich bei Interesse tiefergehend mit bestimmten Aspekten des Denkens und Wirkens des Gelehrten und Politikers zu befassen. Hierbei beschränkt sich der Autor nicht auf die Darstellung eines historischen Themas, sondern lädt ein zur Reflexion über das humboldtsche Bildungsideal. Somit ist ein gelungener Beitrag zu diesem Humboldt-Gedenkjahr entstanden, um einem interessierten Publikum das Leben und das Vermächtnis dieser faszinierenden Persönlichkeit näherzubringen.