M. Flower (Hrsg.): The Cambridge Companion to Xenophon

Cover
Titel
The Cambridge Companion to Xenophon.


Herausgeber
Flower, Michael A.
Reihe
Cambridge Companions to Literature
Erschienen
Anzahl Seiten
XX, 520 S.
Preis
£ 80,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Olga Chernyakhovskaya, Institut für Klassische Philologie und Philosophie, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Der von Michael A. Flower herausgegebene neue Band der Reihe der Cambridge Companions ist das erste Handbuch zu Xenophon dieser Art, dessen Erscheinen nicht nur von dem in den letzten Jahrzehnten erfreulicherweise stetig bleibenden Interesse an Xenophons Werken, sondern auch von der besonderen Vorliebe der Verlage für diese eher populärwissenschaftliche Form der Fachliteratur zeugt. Auf Grund der Qualität ihrer Aufsätze sind aber viele Companions – und der hier vorzustellende gehört zweifellos dazu – auch für die Fachwissenschaftler von Interesse. Das in fünf Abschnitte gegliederte und insgesamt 23 Beiträge (überdies noch eine Einleitung von Michael Flower) umfassende Buch setzt sich zum Ziel, die Gründe der andauernden universellen Popularität Xenophons zu erklären, die Hauptfragen der xenophontischen Forschung darzustellen und die Vielseitigkeit der Schriften Xenophons – wie es sich gattungsmäßig für einen Companion gehört – einem breiten Lesekreis zu präsentieren.

Damit der Leser diese Vielseitigkeit unverzüglich erfasst, werden im ersten Abschnitt, der unter dem Titel „Contexts“ vier Beiträge vereinigt, die Hauptbereiche des xenophontischen Denkens und Schreibens dargestellt. Zunächst gibt John W. I. Lee eine klare Übersicht zu Xenophons Biographie und den historischen Umständen, unter denen er lebte und seine Schriften verfasste; dann beschreiben drei weitere Aufsätze die Stellung seiner Werke in der griechischen Philosophie, im politischen Denken und in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung. Louis-André Dorion schildert die Haltung Xenophons zu Vorsokratikern, Sophisten und Sokratikern einschließlich Platons und geht auf die Frage der möglichen Verbindung zwischen Xenophons und Aristoteles’ Aussagen und des Einflusses der Werke Xenophons auf die stoische Lehre ein. Da diejenigen Schriften Xenophons, die man gewöhnlich als philosophisch bezeichnet, vor allem seine sogenannten Sokratischen Schriften sind, verschiebt sich der Fokus der Darlegung bisweilen verständlicherweise von Xenophon auf Sokrates; hier muss man aber beachten, dass damit nur der Xenophontische Sokrates (also das Bild des Sokrates bei Xenophon) gemeint ist, der weder mit dem historischen Sokrates noch mit dem Autor selbst gleichgesetzt werden kann. Der Aufsatz von Sarah Brown Ferrario schildert symptomatische Ähnlichkeiten zwischen dem politischen Denken von Xenophon, Platon und Isokrates, da alle drei mit der athenischen Demokratie unzufrieden und auf der Suche nach einer idealen politischen Form und idealen Herrschern waren. Bei der Beschreibung der Eigenschaften, die für Xenophon einen guten Herrscher ausmachen, wird die Rolle des Wissens bzw. fachlicher Kenntnisse nur beiläufig bemerkt, sollte aber wohl stärker betont werden. Nino Luraghi gibt einen Überblick über die Geschichtsschreibung des 4. Jahrhunderts v.Chr., deren Autoren – hier vor allem Xenophon – sich als Fortsetzer des Thukydideischen Werkes verstanden. Insgesamt bietet der erste Abschnitt des Bandes eine gute zusammenfassende Einführung zu Xenophon, die besonders für diejenigen Leser nützlich sein wird, die zum ersten Mal mit diesem griechischen Autor Bekanntschaft machen.

Die deskriptive Darstellungsweise bleibt im zweiten Abschnitt, der sechs Beiträge zu „Individual works“ versammelt, weiter erhalten. Der Aufsatz von John Marincola stellt die Anabasis und die Hellenika vor, zeigt den didaktisch-moralisierenden Charakter der historischen Schriften Xenophons auf, die immer viel Raum für Interpretation lassen und den Leser zum eigenen Denken inspirieren sollen, und beschäftigt sich mit der Frage, mit welchem Zweck Xenophon die für ihn wichtigen ethischen und politischen Probleme auch im historiographischen Genre behandelte, warum er also sich mit seinen philosophischen und politischen Schriften nicht begnügte (die kaum nachweisbare Chronologie seiner Werke bleibt bei dieser theoretischen Erörterung vernünftigerweise unberücksichtigt). Die folgenden drei Beiträge können auch einen konservativ-skeptischen Leser davon überzeugen, dass die Sokratischen Schriften Xenophons in vielerlei Hinsicht interessant und lesens- und untersuchungswert sind: Der der Apologie und den Memorabilien gewidmete Aufsatz von David M. Johnson bildet eine Verteidigung des Xenophon als Sokratiker. Johnson stellt dabei die These auf, dass Xenophons Bild des Sokrates mit dem Platons vereinbar sei. Die These ist sicher wahr; wie die krassen philosophischen Unterschiede zwischen den beiden Sokrates-Bildern in Einklang gebracht werden können, wird jedoch nicht erläutert – dies entspricht aber wohl dem Hauptzweck des Companions, Xenophon einem breiteren Publikum zu erschließen. Besonders herauszustellen ist der nächste Beitrag von Gabriel Danzig, der sich mit dem Symposion befasst und (in diesem Band beinahe ausnahmsweise) eher an einen mit Xenophon bereits vertrauten Leser gerichtet ist. Der Aufsatz von Fiona Hobden zeigt, dass das im Oikonomikos geäußerte Gedankengut – trotz des auf den ersten Blick spezifischen Gegenstandes – auch alle anderen Werke Xenophons durchdringt und dass der Autor mit dieser Schrift an der zeitgenössischen philosophischen Debatte über Methoden der Erkenntnis und des Lernens teilnimmt. Melina Tamiolaki stellt dem Leser die Kyrupädie vor und vertritt die Auffassung, dass die Erziehung des Kyros eher als historiographische Schrift konzipiert sei; die Widersprüche in der Schrift seien vom Autor beabsichtigt, um den Leser zum Nachdenken anzuregen. Zum Schluss beschreibt John Dillery die übrigen kleinen Schriften Xenophon, den Agesilaos, den Hieron, den Hipparchikos, Über die Reitkunst, den Kynegetikos, die Poroi und das Das Staatswesen der Lakedämonier: Wie in allen Aufsätzen dieses Abschnittes wird auch hier deutlich, dass Xenophon in jedem Werk – unabhängig vom behandelten Thema und Gegenstand – besonderen Nachdruck auf die moralische Komponente legt und alle Schriften nach seinem Vorhaben gedankenanregend wirken sollen und daher höchst interpretationsbedürftig sind.

Die vier Beiträge des dritten Abschnittes mit dem Titel „Techniques“ widmen sich dem Stil und der schriftstellerischen Manier Xenophons. Vivienne Gray beschreibt an ausgewählten Zitaten Xenophons die Gestaltung des sprachlichen Ausdrucks in der Darstellung von Schlachten, in Liebes- und Humorszenen und in philosophischen Passagen; Christopher Pelling versucht, Xenophon-Erzähler und Xenophon-Autor zu trennen; Tim Rood bestimmt drei Haupteigenschaften des narrativen Stils Xenophons: „variety, inscrutability, and immediacy“ (S. 277). Diese Aufsätze bieten zwar einige interessante Beobachtungen, viele Thesen werden aber denjenigen Leser kaum überzeugen, der kein Anhänger der narratologischen Untersuchungsmethode ist. Zum Schluss des Abschnittes legt Emily Baragwanath eine einleuchtende Analyse der Funktion der Reden in den xenophontischen Schriften vor und geht auch auf die Beziehung zwischen Sprechen und Handeln sowie die vergleichende Wirksamkeit von Worten und Taten in Xenophons Darstellung ein.

Die fünf Beiträge des vierten Teils befassen sich vorwiegend mit der Politik- und Geschichtsthematik, daher scheint der Titel des Abschnittes „Major subjects“ nicht sehr glücklich gewählt. Zunächst schildert Michael A. Flower Xenophons Methode und Art der Geschichtsschreibung, indem er sich mit der Frage beschäftigt, warum Xenophon in den Hellenika nicht alles erzählt, was er weiß. Der Beitrag von Richard Fernando Buxton ist der Gestalt des idealen xenophontischen Herrschers gewidmet, der sich um das Wohl seiner Untergebenen kümmert und dem diese freiwillig folgen, so dass dieses gegenseitige Wohlwollen an Xenophons Vorstellung von Freundschaft erinnert. Die folgenden drei Beiträge nehmen drei Staaten in den Blick, mit denen Xenophons Leben verbunden war: Christopher Tuplin untersucht athenische Spuren in den xenophontischen Schriften und die Einstellung des Verfassers zu seiner demokratischen Heimatstadt; Kostas Vlassopoulos beschreibt Xenophons kontextabhängiges, mannigfaltiges Persien-Bild, und Paul Christesen stellt Xenophons Urteil über Sparta dar, wobei er auch auf die von Xenophon angeführten moralischen Gründe für den Untergang eines Staates eingeht.

Die Themen vieler Beiträge in diesen vier Abschnitten überschneiden sich in einigen Fällen, wenn sie sich nicht sogar direkt wiederholen, so dass Redundanzen unvermeidlich sind; der Leser stößt daher in den einzelnen Beiträgen immer wieder auf ähnliche und gleiche Angaben. Andererseits fehlen aber Aufsätze zu manchen wichtigen Themen der Xenophon-Forschung, so etwa zu seinen Auffassungen über Ethik oder Religion, auch wenn mehrere Fragen aus diesen Themenkreisen in einigen Beiträgen beiläufig angesprochen oder angedeutet werden.

Im Fokus des letzten Abschnittes mit drei Aufsätzen steht die Rezeption: Zunächst wird im Beitrag von Ewen Bowie Xenophons Einfluss auf die griechische Literatur der römischen Kaiserzeit – insbesondere auf Arrian – beleuchtet; Noreen Humble befasst sich mit dem Einfluss sowohl der Kyrupädie als auch des Oikonomikos und des Hieron auf die Fürstenspiegel-Literatur und die politische Philosophie der Frühen Neuzeit; zuletzt beschreibt Tim Rood stereotype Wertungen Xenophons und Vorurteile gegen dessen Schriften im 20. Jahrhundert, die im Kontrast zur hohen Wertschätzung seiner Person und seiner Werke im 18. und 19. Jahrhundert stehen, so dass man seit dem Ende des 20. Jahrhunderts immer wieder von der Rehabilitierung Xenophons spricht. Als Epilog beschließt den Band eine Lobrede auf Xenophon von Edith Hall. Die sich an jeden Beitrag anschließenden Hinweise zum „Further Reading“ sowie die zitierte Sekundärliteratur und folglich die Gesamtbibliographie am Ende des Bandes beschränken sich – bis auf wenige Ausnahmen – auf Bücher und Aufsätze in englischer Sprache.

Insgesamt bietet der vorliegende Companion zu Xenophon eine nützliche Einführung für Studierende und einen guten Ausgangspunkt für Einsteiger in die Materie; Xenophon-Forscher werden in manchen Beiträgen interessante Beobachtungen finden und den Band hin und wieder zum Auffrischen einiger bekannter Themen gewinnbringend konsultieren.

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