C. Meier: Die Ohnmacht des allmächtigen Dictators Caesar

Cover
Titel
Die Ohnmacht des allmächtigen Dictators Caesar. Drei biographische Skizzen


Autor(en)
Meier, Christian
Erschienen
Stuttgart 2015: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
274 S.
Preis
€ 24,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Simon Lentzsch, Alte Geschichte, Historisches Institut, Universität zu Köln

Die Epoche der späten römischen Republik erfreut sich sowohl in der Forschung als auch bei einem interessierten breiteren Publikum seit langer Zeit einer großen Popularität. Im Zentrum des Forschungsinteresses steht dabei nach wie vor auch die Krise der römischen Republik selbst, die schließlich in die offenen Bürgerkriege der 40er- und 30er-Jahre des ersten Jahrhunderts mündete, die wiederum den Weg zur Transformation des Gemeinwesens zum Prinzipat bereiteten.1

Die ‚große Frage‘ nach der Natur und den Ursachen der Krise der späten Republik wird dabei natürlich nicht in jeder Studie zur späten Republik aufgeworfen. Vor dieser und anderen großen Fragen ist der Münchener Emeritus Christian Meier im Laufe seiner Karriere indes bekanntlich nicht zurückgeschreckt. Auch aus diesem Grund zählen seine Arbeiten zur Geschichte der römischen Republik zu den bedeutendsten und einflussreichsten althistorischen Studien zu diesem Themengebiet, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erschienen sind. In Hinsicht auf die späte Republik und die Fragen nach den Ursachen ihres Zerfalls sind dabei insbesondere die bahnbrechende Habilitationsschrift „Res publica amissa“ (Erstveröffentlichung 1966) sowie seine Caesar-Biographie (1982) zu nennen, die Forschenden und Lehrenden sowie (hoffentlich auch) Studierenden der Alten Geschichte gut bekannt sein dürften.

Gewissermaßen zwischen diesen beiden großen Arbeiten hat Meier im Jahr 1980 eine Sammlung von drei „biographischen Skizzen“ zu drei der prominentesten Protagonisten der späten Republik vorgelegt, nämlich zu C. Iulius Caesar, M. Tullius Cicero und dem ersten Princeps Augustus. Diese Skizzen basieren wiederum auf Vorträgen, die Meier in den späten 1970er-Jahren gehalten hatte. Diese Sammlung war seit einiger Zeit vergriffen, weshalb der Steiner Verlag sich 2015 einer Neuauflage angenommen hat, die der Autor um eine Einleitung erweitert hat, in der er in knapper Form auch auf wichtige Arbeiten der letzten Jahre verweist (S. 9–16).2

Erklärtes Anliegen Meiers in der Anlage dieser „Skizzen“ war es – ähnlich wie in der erwähnten Caesar-Biographie – zu „zeigen, wie sich strukturgeschichtliche Fragestellungen gerade auch im [biographischen] Erzählen fruchtbar machen“ ließen (S. 15). Dementsprechend geht es in den drei Kapiteln auch nicht so sehr um eine Nacherzählung der Lebenswege der Protagonisten, sondern vielmehr darum zu untersuchen, welche „Entfaltungsmöglichkeiten und -grenzen“ die Zeit der „Krise der späten römischen Republik“ einflussreichen Politkern bot, um auf diesem Wege schließlich Erkenntnisse über Ursachen und Anlässe sowie Form und Lösungsmöglichkeiten jener spezifischen ‚Krise’ zu gewinnen.

Schon auf Grund dieses komplexen thematischen Anspruches dürfte eine solide Grundkenntnis der Ereignisgeschichte der späten römischen Republik zum Verständnis der Ausführungen sehr hilfreich sein. Die Beiträge sind indes grundsätzlich auch an ein breiteres Publikum gerichtet.

Der erste Beitrag ist C. Iulius Caesar gewidmet (S. 17–106). Caesar, der sich durch die Erfahrung des Bürgerkrieges zwischen Marius und Sulla und der wenig ambitionierten Politik des von Sulla eigentlich mit großer Machtfülle ausgestatteten Senates wohl bereits früh in Distanz „zu Teilen der herrschenden Aristokratie“ sah (S. 32), konnte sich auf der anderen Seite mit großem Geschick in eben dieser Adelsschicht bewegen. Unter Inkaufnahme erheblicher persönlicher Risiken gelang es ihm wichtige politische Ämter zu besetzen und so eine auf Agitation in der Volksversammlung gestützte Politik zu betreiben.

Diese mündete in dem denkwürdigen Konsulatsjahr 59, das – so betont Meier – für Caesars Verhältnis zu weiten Teilen der Nobilität einen Riss markierte, der offenbar nur noch schwer zu kitten war. Caesars Feldzugsjahre in Gallien hätten dann zu einer noch tieferen Entfremdung von vielen Senatoren beigetragen, die sich besonders auf die stadtrömische Politik konzentrierten. Nach dem jahrelangen Kommando über die Legionen, die er als Feldherr zu großen militärischen Erfolgen geführt hatte, sei es für Caesar dann undenkbar gewesen, sich wieder in die stadtrömische Hierarchie einzugliedern. Seine Gegner waren wiederum nicht an einem friedlichen Ausgleich interessiert, sondern wollten Caesar für seine Übertretungen von Gesetzen und Normen während seines Konsulates bestrafen, um den Führungsanspruch des Senates zu unterstreichen.
Diese Konstellation ließ zwar nicht bei allen, aber eben bei einflussreichen Akteuren offenbar keine Aussicht auf einen Kompromiss zu. Der Bürgerkrieg begann in den bekannten Konstellationen und mit den bekannten Folgen.
Über diese personelle Konstellation hinausgehend war es jedoch eigentlich die oft zitierte „Krise ohne Alternative“, die die Republik in den Bürgerkrieg getrieben habe. Diese sei ganz wesentlich dadurch gekennzeichnet gewesen, dass eine Reihe von Krisenfaktoren zusammengekommen wäre (Frage der Landversorgung von Veteranen, Ausführung der Administration in den Provinzen, Bewältigung umfassender militärischer Aufgaben), die mit dem politischen Instrumentarium der Republik nicht hätten gelöst werden können. Meier spricht den Zeitgenossen zudem ganz generell die Fähigkeit zur grundsätzlichen Einsicht in die eigentlichen Ursachen der Problematik ab, besonders da ein verfassungstheoretisches Denken nicht in dem Maße entwickelt und etabliert gewesen sei, dass an eine grundsätzliche Lösung der Krise zu denken gewesen wäre.

Zwar plante und handelte Caesar zwar in größeren Horizonten und Maßstäben als die meisten anderen Politiker seiner Zeit, doch blieb es dabei, dass er lediglich „Macht in den Verhältnissen“ gewann und ausbaute, „Macht über die Verhältnisse“ im eigentlichen Sinne – verstanden als die Fähigkeit zu grundsätzlichen Neuordnung des römischen Gemeinwesens – jedoch nicht gewann.

Moderne Deutungen der möglichen Pläne Caesars sehen sich mit dem fundamentalen Problem konfrontiert, dass keine Aussagen des Diktators selbst darüber erhalten sind, wie er sich eine etwaige Neuordnung der Republik vorstellte (siehe etwa S. 22). Anhand einer Durchsicht der verschiedenen Gesetze und sonstigen Maßnahmen Caesars kann Meier jedoch nahelegen, dass sich diese Pläne letztlich doch lediglich auf Einzelprobleme bezogen, ohne den Entwurf einer neuen Ordnung des Gemeinwesens in den Blick zu nehmen.

Dies wiederum sei jedoch kaum als ein Defizit Caesars (oder etwa seiner Gegner) im Speziellen anzusehen, sondern vielmehr eine Folge wie ein Merkmal der Struktur der späten Republik, die – unter anderem ihrer machtpolitischen Konzentration in einer kleinen Adelsgruppe wegen – die Entstehung und Formulierung politischer Alternativen nicht begünstigten (siehe etwa S. 77: „Der Rahmen des institutionellen Denkens war vermutlich eng gezogen.“).

Letztlich sei dieses Defizit auch in den politischen Konzeptionen Ciceros greifbar, dessen Karriere Meier im zweiten Kapitel beleuchtet („Cicero. Das erfolgreiche Scheitern des Neulings in der alten Republik“, S. 107–210). Ciceros Tragik lag zu einem gewissen Maß darin, dass er als homo novus zwar einerseits in einer letztlich nicht zu überbrückenden Distanz zum etablierten Senatsadel stand, was ihn Zeit seines Lebens ebenso angetrieben wie getroffen zu haben scheint, andererseits sein eigenes politisches Wirken zumindest für eine lange Zeit in hohem Maße mit ebenjenem Senat mitsamt dessen Normen und (Vor-)Urteilen verband.

Das vehemente Vorgehen des Konsuls Cicero gegen die Catilinarier sieht Meier als das Schlüsselereignis in Ciceros Biographie. Hier meinte er sich einerseits als Verteidiger der bestehenden Ordnung profilieren zu können, erschien jedoch einem offenbar eben nicht kleinen Anteil von Bürgern als verdächtig, ihre Rechte im Zweifelsfall nur gering zu achten. Dazu dass sein extremes Vorgehen gegen die Verschwörer nicht in Vergessenheit geraten konnte, trug Cicero selbst bei, indem er in den folgenden Jahren immer wieder darauf verwies und das Unheil – seine Verbannung – damit selbst heraufbeschwor.

Vor allem scheint Cicero seit seinem Konsulat die Macht und den Einfluss sowie das Potential zur Geschlossenheit des Senats von da an immer wieder überschätzt zu haben. Das betrifft vor allem die Bindungskraft der Institution, wenn es um die Suche nach Kompromissen am Vorabend des Bürgerkrieges im Winter 50/49 ging, und schließlich auch die Autorität der Senatoren über die römischen Armeen, die gar nicht daran dachten, sich den Wünschen der Erben Caesars zu verweigern.

Pointierte und sehr lesenswerte Abschnitte widmet Meier in diesem Zusammenhang auch den Konzeptionen einer politischen Ordnung, die Cicero in seinen philosophischen Schriften ausbreitet. So literarisch und philosophisch ambitioniert diese auch waren, so wird dabei doch in der Tat deutlich, dass eine wirkliche Neuordnung des Gemeinwesens in ihnen nicht konzipiert wird (S. 176–191). Letztlich war wohl auch der Aufsteiger Cicero zu sehr in den gedanklichen Horizonten der alten Ordnung gefangen, als dass es ihm gelungen wäre, einen Weg aus der Krise der Republik aufzuzeigen, geschweige denn seine Zeitgenossen auf ihn zu führen. Zur politischen Führung fehlte ihm indes nicht zuletzt die machtpolitische Basis in Form von Klienten, Vermögen und – vor allem – Legionen, die Pompeius, Caesar und seinen Erben zur Verfügung standen und die sich eben nicht mehr selbstverständlich der Autorität des Senates und seiner altehrwürdigsten Mitglieder unterordneten, zu denen Cicero gegen Ende seines Lebens ohne Zweifel gehörte.

Diese Ressourcen der Macht fielen dem jungen C. Iulius Caesar, dem späteren Augustus, durch das Testament seines Großonkels wiederum bereits zu Beginn seiner Karriere zu („Augustus. Die Begründung der Monarchie als Wiederherstellung der Republik“, S. 211–274). Zudem scheint der junge Caesar die Kluft zwischen dem machtpolitischen Anspruch des Senats und den realen Möglichkeiten, diesen durchzusetzen klar erkannt zu haben, was Meier in einer pointierten Zusammenfassung der Annäherungen und Konflikte der wechselnden Koalitionen der Jahre nach Caesars Ermordung demonstriert.

Einen Einschnitt weist Meier dabei dem Jahr 36 zu, insofern als dass Octavian dann zu der Einsicht gelangt sei, dass er für die weitere Absicherung seines Einflusses nicht allein auf die Machtmittel des Bürgerkrieges vertrauen konnte, sondern eben doch auch in höherem Maße als bisher auf die Bedürfnisse und Empfindlichkeiten von Senat und Bürgerschaft einzugehen hatte. So empfahl er sich als Garant für eine Aufrichtung der Ordnung des Gemeinwesens, ohne dabei in so offensichtlicher Weise wie es Caesar getan hatte, als Herrscher über dieses aufzutreten. Diese Rolle, die er in den 30er-Jahren noch keineswegs auf Anhieb perfekt beherrschte, entwickelte er fortan weiter und sie wurde schließlich zu einem Fundament der neuen Ordnung des Prinzipats, die Augustus nach dem Sieg über Antonius errichten konnte.

Zum Erfolg des Augustus trug zudem mit Sicherheit in hohem Maße bei, dass zum einen große Teile des römischen Adels sowie der Bevölkerung Italiens und der angrenzenden Gebiete nach zwanzig Jahren des Bürgerkrieges kriegsmüde (S. 106: „ausgeblutet“) waren.

Den hohen Anspruch, den die Rolle des Princeps an Augustus stellte, arbeitet Meier mit sensiblem Gespür heraus. Der Erbe Caesars spielte sie so gut, dass nach 40 Jahren Herrschaft die Transformation zu einer alternativen Gesellschaftsordnung vollzogen war – und eine Rückkehr zur alten Republik wiederum kaum mehr möglich schien. Damit hatte sich eine tatsächliche Alternative zur Ordnung der Republik gebildet.

Ihr ursprünglicher Charakter als Vortragstexte ist den biographischen Skizzen in ihrer äußeren Gestalt anzusehen. So sind sie in einem sehr klaren Duktus verfasst, doch weisen wiederum leider keine Fußnoten auf, was gerade in Hinsicht auf die Nachweise in den antiken Quellen bedauerlich ist.
Die Beschäftigung mit der Krise der späten Republik bleibt auch nach Generationen der Auseinandersetzung spannend und lehrreich, und auch diese Neuauflage der drei biographischen Skizzen aus der Feder Meiers regt zum Nachdenken über diese Problematik an. Sowohl Forschenden, Lehrenden und Studieren, als auch einem breiteren Publikum kann sie daher zur Lektüre empfohlen werden.

Anmerkungen:
1 Für eine pointierte Übersicht siehe etwa Karl-Joachim Hölkeskamp, Eine politische Kultur (in) der Krise? Gemäßigt radikale Vorbemerkungen zum kategorischen Imperativ der Konzepte, in: Ders. (Hrsg.), Eine politische Kultur (in) der Krise? Die „letzte Generation“ der römischen Republik, München 2009, S. 1–26.
2 Christian Meier, Res publica amissa. Eine Studie zu Verfassung und Geschichte der späten römischen Republik, Wiesbaden 1966. Im Suhrkamp-Verlag erschien 1980 eine Neuausgabe, die um eine gehaltreiche Einführung ergänzt wurde und 1997 in einer dritten Auflage erschienen ist. Die Caesar-Biographie: Christian Meier, Caesar, München 1982. In einem neueren Beitrag hat sich Meier zuletzt in umfangreicher Weise zur „Ordnung“ der römischen Republik geäußert: Christian Meier, Die Ordnung der Römischen Republik, in: Historische Zeitschrift 300 (2015), S. 593–697.

Kommentare

Von H-Soz-Kult, Redaktion18.04.2017

In der ersten Fassung dieser Rezension wurde "Res Publica Amissa" als Christian Meiers Dissertations- statt als seine Habilitationsschrift bezeichnet. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen und haben ihn korrigiert (18.04.2017).
Die Redaktion von H-Soz-Kult


Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension