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Titel
Rom. Vom Mittelalter zur Renaissance 1378–1484


Autor(en)
Esch, Arnold
Erschienen
München 2016: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
410 S.
Preis
€ 29,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ansgar Frenken, Ulm

Eine unausgesprochene Liebeserklärung eines Wahlrömers an seine zweite Heimat – so darf man das vorliegende Buch wohl sehen. Gewidmet ist es ausdrücklich den römischen Freunden des Autors (S. 5), der von 1998 bis 2001 das Deutsche Historische Institut in der italienischen Hauptstadt als Direktor geleitet hat. In insgesamt vierzehn Abschnitten erzählt Esch darin die Geschichte Roms an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Dabei zeichnet er ein vielschichtiges und farbenfrohes Doppelporträt der Stadt der Römer und der ihrer Päpste.

Es fällt schwer, sich jemanden vorzustellen, der für diese Aufgabe ähnlich prädestiniert gewesen wäre wie dieser hochgelehrte Mediävist, der es darüber hinaus versteht, den Leser durch seinen präzis-anschaulichen, nichtsdestoweniger erfrischend lebendigen Stil mit in eine Zeit des Aufbruchs und der großen Veränderungen in der ewigen Stadt zu nehmen. Jahrzehnte des intensiven Quellenstudiums auch entlegener Bestände, deren Früchte bereits in zahlreichen kleineren und größeren Studien ihren Niederschlag gefunden haben1, bilden das solide Fundament eines grandiosen Gesamtbildes einer Epoche des Umbruchs und des beginnenden Neuanfangs in der langen und oftmals so glanzvollen Geschichte Roms.

Esch nimmt in Abschnitt I zunächst auch den weniger mit der spätmittelalterlichen römischen Stadtgeschichte vertrauten Leser mit auf eine tour d'horizont, auf der er grundlegende Einsichten in die politische und gesellschaftliche Struktur der Stadt vermittelt, gleichzeitig aber auch das Thema der Wahrnehmung Roms im Auge behält. Anschließend (Abschnitt III und IV) lässt er seine chronologisch aufgebaute Darstellung an einem Tiefpunkt der städtischen Geschichte einsetzen, nachdem zu Anfang des 14. Jahrhunderts die Päpste Rom verlassen hatten. Bald ein dreiviertel Jahrhundert residierten sie im fernen Avignon. Zu gefährlich erschien ihnen das Leben in der Stadt am Tiber, denn allzu sehr waren sie dort dem Einfluss des römischen Adels und der städtischen Bevölkerung ausgesetzt gewesen. Mit dem Papst hatte auch die Kurie der Stadt den Rücken gekehrt. Um die Hälfte soll die Bevölkerung Roms abgenommen haben; jedenfalls war sie massiv geschrumpft. Innerhalb der antiken, aus der Kaiserzeit stammenden Mauern befanden sich jetzt überall Brachen, teilweise auch landwirtschaftlich genutzte Flächen. Vielerorts lag das antike Erbe der Stadt in Trümmern und geriet im wahrsten Sinne des Wortes zum Steinbruch. Der äußeren Anarchie, geprägt durch die Kämpfe der adligen Geschlechter um Macht und Einfluss sowie den politischen Selbstbehauptungswillen der römischen Bevölkerung, folgte der wirtschaftliche Niedergang. Nicht nur die Pilger blieben aus. Für eine Stadt, deren gewerbliche Produktion gering war und deren Exporte nahezu gegen null tendierten, musste das Versiegen dieser wichtigen Geldquelle auch ökonomisch dramatische Folgen gehabt haben. Bei Esch lässt sich dies nun nachlesen.

Zwar kehrte das Papsttum 1377 zurück, doch schon ein Jahr später brach mit der Doppelwahl von Rom und Anagni das große abendländische Schisma aus. Nur mit Mühe gelang es den Päpsten der römischen Obödienz, sich fortan in der Stadt zu halten. Erst die Zerschlagung der freien römischen Kommune durch Bonifaz IX., einen gebürtigen Neapolitaner, der mit seinem Clan die Kirchenspitze (innerhalb seiner Obödienz) dominierte, stellte eine wichtige Wegmarke für den späteren Aufstieg der Stadt unter den nachfolgenden Päpsten dar. Ein von demselben Papst ausgerufenes Heiliges Jahr brachte endlich wieder viele Pilger nach Rom. Zumindest wirtschaftlich begannen die Römer zu registrieren, was sie an den Päpsten hatten.

Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum Wiederaufbau der Stadt begann mit der Ankunft Martins V., dem auf dem Unionskonzil in Konstanz gewählten Papst, und der Rückkehr der Kurie im Herbst 1420. Überfällige Sicherungsmaßnahmen an Kirchen und Klöstern wurden nun vorgenommen, Straßen und Brücken instand gesetzt, um den weiteren Zerfall der Bausubstanz zu stoppen. Auch politisch ergriff der Papst energisch die Zügel. So konnte er die latente Bedrohung der Stadt und des Papsttums, die aus dem Umland stets gedroht hatte, beenden. Dass er dabei den Nepotismus förderte, hatte mit seiner anfangs schwierigen Position in der Stadt zu tun, machte indes Schule. Nach seinem Tod geriet die Entwicklung jedoch ins Stoppen; sein Nachfolger Eugen IV. verbrachte fast ein Jahrzehnt außerhalb Roms. Erst mit dessen Rückkehr 1443 begann der eigentliche Wiederaufstieg der Stadt und des Papsttums. Innerkirchlich gelang es ihm, das über dem Papsttum hängende Damoklesschwert des Konziliarismus zu vernichten. Es ist diese Doppelentwicklung, die Rom zu einem Zentrum der damaligen (okzidentalen) Welt machen sollte und das Papsttum auf einen Höhepunkt von Macht und Ansehen hob.

Es ist an dieser Stelle kaum möglich, alle Aspekte anzusprechen, die sich in Eschs Darstellung finden. Das Buch bietet weit mehr. Neben der chronologischen Erzählung vernachlässigt der Autor keineswegs den Blick auf strukturelle Gegebenheiten. Vielmehr schaut er sich die städtische Gesellschaft genau an, untersucht die soziale Gliederung und beschreibt schließlich den Alltag, der sich außer durch serielle Quellen auch durch überlieferte Familiennachrichten, chronikalische oder tagebuchartige Aufzeichnungen (Memoriale) einfacher Leute erschließen lässt. Vor den Augen des Lesers entsteht das Bild einer aus Einheimischen und Fremden zusammengesetzten Einwohnerschaft. Esch zeichnet so ein genaues Bild einer langsam wieder wachsenden Stadt, zeigt, wie Schritt für Schritt die bebaute Fläche ausgeweitet wurde, die Bauten wieder prachtvoller wurden.

Geld floss zunehmend an den Tiber. Von den Heiligen Jahren berichtet Esch, ebenso wie er die Rolle der Florentiner Kaufleute und Bankiers beleuchtet. Zweifellos gehören diese Abschnitte zu den Kernstücken eines glänzend recherchierten und geschriebenen Buches. Insbesondere gelingt es dem Autor, Wirtschaftsquellen, die lange un- bzw. wenig erforscht geblieben sind, zum Sprechen zu bringen: Zollrechnungen beispielsweise oder auch die Notariatsimbreviaturen (vgl. S. 45–48 und öfter). Er versteht es, diesem eher spröden Material eine ungeheure Menge an interessanten Informationen abzugewinnen. Dazu kommen grundlegende methodische Überlegungen, die sich immer wieder durch seine Arbeit ziehen, etwa seine Erwägungen zu Überlieferungszufall und Überlieferungsverlusten. Leicht könnte es einem entgehen, so wenig aufdringlich wird dies von Esch präsentiert.

Mit dem Pontifikat Nikolaus' V. sieht Esch den entscheidenden Schritt in Richtung Renaissance gemacht (Abschnitt VIII–X). Steht zu dessen Anfang ein letztes Aufbegehren der Kommune, so beginnt nun eine Epoche, in der das Papsttum der Stadt immer stärker seinen Stempel aufdrücken wird. Das Ende des Konziliarismus verweist die Kardinäle in eine Stellung, die sie nach einer neuen Bühne für den schwindenden Einfluss auf die Lenkung der Kirche suchen lässt. Es wird gebaut. Der Umgang mit den Humanisten, die neue Wahrnehmung des antiken Roms, die ersten Antikensammlungen – all das und noch vieles mehr lässt Esch Revue passieren. Die Wirtschaft stellt sich immer stärker auf die Bedürfnisse der Kardinäle, aber auch des päpstlichen Hofs ein, das Bedürfnis nach Kunst und Repräsentation wächst.

Eschs Publikation endet im Jahr 1484, dem Todesjahr Sixtus' IV., der schon ein richtiger Renaissancepapst war. Wurde ein gutes halbes Jahrhundert zuvor nur hier mal repariert, dort etwas instand gesetzt, so hatte jetzt längst die großflächige Umgestaltung Roms eingesetzt. Planmäßig wurde die Stadt verändert, Straßentrassen wurden geschlagen und ganze Viertel neu angelegt. Die Stadt änderte ihr Aussehen quasi beim bloßen Zusehen (Abschnitt XIII). Das Erscheinungsbild wurde nun an die längst gewonnene weltpolitische Bedeutung des Renaissancepapsttums angepasst. Sein sichtbarstes Zeichen fand es im Neubau von St. Peter, zu dessen Planung und Ausgestaltung die namhaftesten Architekten und Künstler der Zeit herangezogen werden. Rom und das Papsttum stehen nicht mehr an der Schwelle einer neuen Zeit, sondern haben die Schwelle zu einer neuen Epoche überschritten.

Für die vorliegende Arbeit hat Arnold Esch ein weit größeres Publikum im Blick gehabt als nur die engere 'scientific community' der Fachkollegen und Spezialisten. Außer an der Sprache lässt sich dies auch an der deutlichen Zurückhaltung des Autors ablesen, das von ihm verarbeitete Quellenmaterial in seiner ganzen Breite zu präsentieren und minutiös zu analysieren. Diese Entscheidung steht indes keineswegs im Widerspruch dazu, dass Esch ein profundes Werk verfasst hat, das allen wissenschaftlichen Ansprüchen standhält. So gelingt ihm sogar das Kunststück, methodische Fragen und Probleme nicht nur für den Laien verständlich, sondern auch wissenschaftlich fundiert zu diskutieren – etwa nach dem Erkenntniswert einzelner Quellengattungen.

Eschs Anmerkungen sind in Form von Endnoten (S. 343–375) mit notwendigen, manchmal aber recht summarisch zusammengefassten Belegen gestaltet. Ihnen folgt ein kaum Wünsche offen lassendes Literaturverzeichnis (S. 376–394), das Eschs souveräne Kenntnis des Forschungsstands und der -diskussionen widerspiegelt. Ein Bildnachweis (S. 395f.) und ein Personenregister (S. 397–410) beschließen den Band.

Wenn dem Rezensenten daher am Ende ein paar kritische Anmerkungen erlaubt seien, so zielen diese mehr in Richtung des Verlags als auf den Autor. Einige Abbildungen sind reichlich klein geraten (z.B. Abb. 4 auf S. 29), andere zu wenig kontrastreich (z.B. Abb. 18 auf S. 120, Abb. 21 auf S. 146, Abb. 36 auf S. 228), als dass noch viel zu erkennen wäre. Eine Entscheidung für farbige Abbildungen hätte Anschaulichkeit und Gebrauchswert erheblich gesteigert, auch wenn sich dies möglicherweise ungünstig auf die verlagsinterne Preiskalkulation ausgewirkt hätte. Überdies würde es sich bei einer Publikation, die eine Stadt in den Mittelpunkt stellt, geradezu anbieten, dieser zusätzlich ein Orts-, Gebäude- und Straßenverzeichnis zu spendieren. Vielleicht findet dieser Wunsch des Rezensenten Gehör bei einer Folgeauflage. Zu wünschen wäre sie diesem Buch ebenso, wie dass es zahlreiche Leser findet.

Anmerkung:
1 Arnold Esch, Dalla fine del libero comune al Quattrocento. Conflitti ed equilibri tra Papato e il Comune romano, in: Maria Chiabò (Hrsg.), Congiure e conflitti. L'affermazione della signoria pontificia, Rom 2014, S. 11–20; ders., Economia, cultura materiale ed arte nella Roma del Rinascimento: studi sui registri doganali romani, 1445–1485, Rom 2007; ders., Deutsche im Rom der Renaissance: Indizien für Verweildauer, Fluktuation, Kontakte zur alten Heimat, in: Brigitte Flug u.a. (Hrsg.), Kurie und Region. Festschrift für Brigide Schwarz zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2005, S. 263–276.

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