C. von Looz-Corswarem (Hrsg.): Kollegiatstift Münstermaifeld

Cover
Titel
Das Kollegiatstift St. Martin und St. Severus zu Münstermaifeld. Die Bistümer der Kirchenprovinz Trier. Das Erzbistum Trier 12


Autor(en)
Graf von Looz-Corswarem, Clemens
Reihe
Germania Sacra. Dritte Folge 10
Erschienen
Berlin 2015: de Gruyter
Anzahl Seiten
XXIII, 1182 S., zahlr. Abb. und Karten
Preis
€ 169,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Rudolf Holbach, Institut für Geschichte, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Von den Kollegiatstiften des Erzbistums Trier sind dank der jahrzehntelangen Forschungen von Franz-Josef Heyen, Ferdinand Pauly und Wolf-Heino Struck etliche innerhalb der Germania Sacra erschlossen. Für Münstermaifeld in der Südosteifel, zu dessen mittelalterlicher Geschichte immerhin durch die 2004 erschienene Dissertation von Monika Escher-Apsner ein grundlegender Beitrag geliefert wurde1, fehlte aber bislang ein vergleichbarer Band. Die Arbeiten hierzu wurden von Otto Graf von Looz-Corswarem zwar bereits in den 1960er-Jahren begonnen, zogen sich aber wegen anderweitiger Verpflichtungen und sonstiger Schwierigkeiten länger hin und wurden durch seinen Tod 1985 zunächst abgebrochen. Dafür, dass sein gewaltiges Werk überhaupt zu Ende geführt und nunmehr für die Wissenschaft zugänglich gemacht werden konnte, gebührt seinem Sohn Clemens Graf von Looz-Corswarem in höchstem Maße Dank.

Der Aufbau der Publikation orientiert sich an den Vorgaben des Unternehmens der Germania Sacra. Begonnen wird mit der Übersicht über die ungedruckten Quellen im Landeshauptarchiv Koblenz und weiteren Archiven, über die Handschriften des Johannes Büchel als eines lokalen Geschichtsforschers im frühen 19. Jahrhundert, über gedruckte Quellen und Literatur sowie über die Denkmäler. Speziell geht es hier um die Baugeschichte der Stiftskirche vom hohen Mittelalter bis zur Gegenwart wie auch um das Kircheninnere mit der wachsenden Zahl von Altären sowie weiterer Ausstattung. Ebenso werden die Stiftsgebäude und der Stiftsbering sowie der Kirchenschatz und die erhaltenen, nachweislich oder vermutlich dem Stift zuzuweisenden Handschriften genau beschrieben (S. 1–130). Archiv und Bibliothek des Stiftes, unter anderem auch mit einem größeren Bestand an Rechnungen, werden in einem eigenen Abschnitt behandelt (S. 131–149).

Der Überblick über die Geschichte der geistlichen Institution (S. 151–239) reicht bis ins frühe Mittelalter zurück. Zwar liegen für die Merowinger- und Karolingerzeit nur gefälschte bzw. verfälschte Urkunden aus späterer Zeit vor. Dennoch wird von einer Gründung der Kirche als Missionszentrum im 7. Jahrhundert ausgegangen. Die Geschichte der Klerikergemeinschaft lässt sich dann erst seit dem 9./10. Jahrhundert verfolgen. Mit 16 Kanonikaten im späten Mittelalter erreichte das Stift eine respektable Größe, vergleichbar etwa mit dem Archidiakonatssitz St. Kastor/Karden, mit mehr Pfründen als etwa St. Marien/Pfalzel oder Dietkirchen, weniger aber als z.B. St. Paulin in Trier. Verfolgt wird seine Entwicklung neben Pfarrsprengel, Besitzstruktur, Bauten und Finanzlage nach unterschiedlichen Stationen: über das Wirken besonderer Persönlichkeiten (Propst Elias de Littore im 14. Jahrhundert, Propst Nikolaus von Kues im 15. Jahrhundert), über etliche Konflikte und Krisen sowie Gegenmaßnahmen wie Visitation, Statuten und Reformen. Erwähnt wird neben der Universitätspfründe als Besonderheit die Übertragung der Propstei an das erzbischöfliche Tafelgut 1515, die zu einer anschließenden Leitung des Stifts durch den Dekan führte. Ausführlich dargestellt ist gerade auch die wechselvolle, zeitweise von Kriegen geprägte Entwicklung der Neuzeit bis zur Revolutionsphase und Aufhebung 1802.

Die Verfassung und Verwaltung (S. 241–376) entspricht im Wesentlichen den Verhältnissen bei anderen Stiften, was Statuten, Aufnahme, Rechte und Pflichten von Kanonikern, Dignitären sowie Amtsträgern betrifft. Dies gilt auch für die Zahl der bekannten Altäre (27 im Mittelalter) und das weitere in Münstermaifeld tätige Personal bis hin zur familia. Bei den äußeren Bindungen und Beziehungen fällt auf, dass Papsttum und Kurie fehlen, obwohl sich bei Sauerland2 oder im Repertorium Germanicum3 durchaus Treffer ergeben und auch in die Personenlisten eingearbeitet sind. Von Ersten Bitten durch Kaiser oder König ist nicht die Rede. Neben dem Erzbischof und der Stadt, 2004 bereits von Escher-Apsner eingehend behandelt, werden – allerdings recht pauschal und weitgehend ohne Belege – die anderen geistlichen Institutionen der Umgebung in ihren Beziehungen zu Münstermaifeld angesprochen, mit denen es personelle, besitzrechtliche wie organisatorische Verbindungen (Klerikerunionen, Treffen) gab. Beim Adel ist speziell die Beziehung zur Familie von Eltz hervorzuheben. Vögte, Ministerialen und Vasallen spielten für das Stift keine nennenswerte Rolle.

Wie an vielen Stiften stellten sich auch bei St. Martin und St. Severus in Münstermaifeld disziplinarische Probleme ein. Dies gilt ebenfalls für die religiösen Pflichten. Dennoch lässt sich ein reiches religiöses und geistiges Leben im Umfeld feststellen (S. 377–466), von Gottesdiensten und Messen, Geläut, Begehen von Jahrgedächtnissen, Kerzen, Chordienst und Chorgesang, Sakramentenempfang und Exerzitien bis hin zu den meist allerdings an der Pfarrkirche angesiedelten Bruderschaften sowie Stiftungen. Besonders eingehende Ausführungen finden sich zur Liturgie mit dem Festkalender und den Praktiken im Kirchenjahr. Spezielle Verehrung wurde nicht nur dem Altarsakrament und Maria, sondern auch – nicht zuletzt wegen eines Reliquiars – dem Hl. Kreuz und den Kirchenpatronen St. Martin und St. Severus zuteil. Das Stift war ebenso ein Bildungszentrum mit einer Stiftsschule und später auch einer "Deutschen Schule" und stellte verschiedentlich Personal für die erzbischöfliche Verwaltung bereit. Der Besitz, der in einem weiteren großen Abschnitt behandelt wird (S. 467–728), bestand aus Haus-und Grundeigentum, Einkünften und Zinsen vor allem im Umkreis von ca. 25 km bis hin zur Mosel und schloss neben Getreide, Vieh und Geldeinkünften etliche Weinerträge ein, während der Waldbesitz gering war. Hinzu kamen Kirchenrechte und Zehnten sowie Sondervermögen. Spezielle Aufmerksamkeit wird den Beziehungen zur Münstermaifelder Pfarrei St. Peter zuteil. Der Überblick über die wesentlich auf Schenkungen beruhenden Vermögensmassen lässt erkennen, dass Münstermaifeld, um 1600 wahrscheinlich das reichste Kollegiatstift im Niederstift von Trier, über ein beträchtliches Vermögen verfügte und sich der Gesamtwert der Einkünfte z.B. 1615–1623 ohne die Präsenz auf nicht weniger als 131 425 fl. belief. Allerdings teilte es seit dem Mittelalter, so schon das Vorwort, "mit der Stadt auch die wirtschaftliche Stagnation, die sich durch die zunehmende Bedeutung der benachbarten Stadt Mayen ergeben sollte" (S. VII). Eine gewisse Vorstellung über die wirtschaftlichen Spielräume ärmerer Geistlicher vermitteln die Angaben über die Einkünfte der Vikare.

Wer sich mit personellen Verhältnissen mittelalterlicher Stifte beschäftigt hat, weiß um den enormen wissenschaftlichen Wert entsprechender Zusammenstellungen, jedoch auch um den gewaltigen Aufwand hierfür und um die Schwierigkeiten beim Versuch, die Karrieren der häufig mehrfach bepfründeten Insassen möglichst vollständig zu erfassen. Zwar konnte der Bearbeiter in diesem Falle verständlicherweise nicht alle sorgfältig gesammelten Angaben seines Vaters nachrecherchieren, hat aber doch beim Personalbestand etliche Informationen hinzugefügt. Die Listen reichen von den Pröpsten, Dekanen, Scholastern, Kustoden und Kantoren über die Kanoniker bis zu den Vikaren und Altaristen sowie den Pfarrern von Münstermaifeld (S. 729–1078). Bewusst wurde darauf verzichtet, bei Stiftsgeistlichen, die in anderen Arbeiten der letzten Jahrzehnte ausführlich behandelt sind, die gesamte Laufbahn nachzuzeichnen. Daraus ergeben sich freilich etwas heterogene Angaben und einige fehlende Informationen. Ergänzt sei hier nur, dass Gottfried von Hohenlohe-Brauneck nach Knod in Bologna studierte und hier 1375 als Kanoniker von Mainz, Trier und Würzburg erwähnt ist4 sowie dass Philipp von Sierck, der Bruder des Trierer Erzbischofs Jakob, 1426/27 in Heidelberg studiert hatte und über etliche weitere Pfründen und Funktionen neben den genannten verfügte bzw. sich darum bemühte.5 Im 13. Jahrhundert war Richard von Daun auch Propst von St. Simeon in Trier und Domherr in Trier6, Heinrich von Bolanden ebenfalls Propst von St. Martin/Worms und Severus/Boppard.7 Arnold von Eltz kann deshalb nicht mit dem späteren Bischof von Cammin identisch sein, weil in einer Urkunde des Trierer Domkapitels von 1318 die Kurie „domini Arnoldi quondam de Elze canonici et custodis ecclesie Treverensis“ erwähnt wird.8 Der 1363 gestorbene Johann von Zolver war auch Kanoniker von St. Paulin und hatte mehrere Pfarrkirchen inne.9

Solche kleinen Zusätze ändern freilich nichts am hohen Wert der Zusammenstellungen. Überhaupt liegt mit dieser Publikation ein dem Standard der Germania Sacra entsprechendes, umfassendes, höchst solides Werk vor, das Quellen und Literatur gründlich erschließt, alle möglichen Facetten der Stiftsgeschichte von St. Martin und Severus von den Anfängen bis zur Säkularisation beschreibt und reiche, auch über das Register zu erschließende Informationen zu einer Vielzahl von Orten und Personen bietet. Es schließt eine Lücke in der Forschung zu den geistlichen Institutionen im Erzstift Trier, erleichtert insbesondere die weitere Erfassung von Klerikernetzwerken und liefert zugleich einen weiteren wichtigen Baustein, um jene vergleichende Stiftskirchenforschung voranzutreiben, wie sie seit längerem gefordert wird und in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen hat.

Anmerkungen:
1 Monika Escher-Apsner, Stadt und Stift. Studien zur Geschichte Münstermaifelds im hohen und späteren Mittelalter, Trier 2004. Siehe dazu auch die Rezension von Tillmann Lohse, in: H-Soz-Kult, 19.01.2005, http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-5490 (11.11.2016).
2 Heinrich Volbert Sauerland (Hrsg.), Urkunden und Regesten zur Geschichte der Rheinlande aus dem Vatikanischen Archiv, 7 Bde., Bonn 1902–1913.
3http://www.romana-repertoria.net/993.html (11.11.2016).
4 Gustav C. Knod, Deutsche Studenten in Bologna (1289–1562). Biographischer Index zu den Acta nationis Germanicae universitatis Bononiensis, Berlin 1899, S. 206 f.
5 Rudolf Holbach, Stiftsgeistlichkeit im Spannungsfeld von Kirche und Welt. Studien zur Geschichte des Trierer Domkapitels und Domklerus im Spätmittelalter, T. 2, Trier 1982, S. 591f.; Ignaz Miller, Jakob von Sierck 1398/99 ‒ 1456, Mainz 1983, S. 24, 26, 98 u.ö.
6 Franz-Josef Heyen (Bearb.), Germania Sacra NF 41: Das Stift St. Simeon in Trier, Berlin/New York 2002, S. 744f.
7 Ferdinand Pauly (Bearb.), Germania Sacra NF 19: Das Stift von St. Kastor in Karden an der Mosel, Berlin/New York 1986, S. 300–302.
8 Holbach, Stiftsgeistlichkeit, S. 459.
9 Franz-Josef Heyen (Bearb.), Germania Sacra NF 6: Das Stift St. Paulin vor Trier, Berlin/New York 1972, S. 684f.