A. Shanken: Into the Void Pacific

Cover
Titel
Into the Void Pacific. Building the 1939 San Francisco World's Fair


Autor(en)
Shanken, Andrew
Erschienen
Anzahl Seiten
248 S.
Preis
€ 55,73
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Oliver Schmerbauch, Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien, Universität Erfurt

Mit der Konjunktur kulturgeschichtlicher Ansätze sind Weltausstellungen zu beliebten Untersuchungsgegenständen geworden. Seit Robert Rydells einflussreichen Arbeiten kann dies auch für die Geschichte der Weltausstellungen in den USA konstatiert werden.1 Mit seiner Studie zur 1939er „Golden Gate International Exposition“ (kurz: GGIE) in San Francisco knüpft Andrew Shanken an diese Forschung an. Sein Ziel ist es zu zeigen, wie die Architektur und die Planungen für die GGIE kulturelle und politische Aushandlungen widerspiegelten. Shanken verortet sich im Kontext kulturgeschichtlicher Studien, macht jedoch deutlich, dass es ihm vordergründig um die Analyse der Diskurse von Architekten und Planern geht und deren Aushandlungen regionaler, nationaler und internationaler Architekturstile bei der Umsetzung der GGIE. Dabei konzentriert er sich auf close readings von Gebäuden und Außenanlagen, die er mittels einer großen Zahl von Fotografien, Grundrissen, Skizzen und Karten erarbeitet.

Im ersten der sieben Kapitel beschreibt Shanken die Genese der Idee der Weltausstellung in San Francisco in den frühen 1930er-Jahren. Dies war nach der gefeierten 1915er „Panama-Pacific International Exposition“ die zweite Weltausstellung, die in der Stadt stattfinden sollte. Die Planungen standen im Zeichen des zunehmenden Interesses der USA, insbesondere Kaliforniens, an pazifischen Absatzmärkten und der damit verbundenen infrastrukturellen Erschließung des pazifischen Raums. So sollte die für die Ausstellung in der Bucht von San Francisco angelegte Halbinsel „Treasure Island“ im Anschluss als Flughafen genutzt werden und San Francisco zum Drehkreuz für transpazifische Flugverbindungen machen. Die Organisatoren wollten mit der Ausstellung vor allem zwei Ideen befördern: die eines neuen, friedlichen und gemeinschaftlichen pazifischen Zivilisationsraums und die von San Francisco als dessen wirtschaftliches und kulturelles Zentrum.

In den Kapiteln 2 und 3 beschreibt Shanken die Arbeit der für die Ausstellung verantwortlichen „Architectural Commission“. Er rekonstruiert die schwelenden Konflikte zwischen den Anhängern des klassizistischen Beaux-Arts-Stils und denen moderner Architekturströmungen. Anhand einzelner Gebäude analysiert Shanken die fortwährenden Debatten um die Entwürfe für Außenanlagen und Gebäude und kommt zu dem Schluss, dass trotz der Dominanz des Beaux-Arts-Stils Elemente des Modern Movement und kalifornischer Architektur einflossen. Den von den Architekten unternommenen Versuch einer „Pacific Architecture“ (S. 106), die Merkmale der Architekturen verschiedener pazifischer Kulturen verbinden sollte, sieht Shanken hingegen als gescheitert. Die Kombination von Elementen ohne Rücksicht auf spezifische kulturelle Bedeutungen führte zu architektonischen und semantischen Dissonanzen, die die architektonische Abbildung einer gemeinsamen pazifischen Kultur nicht überzeugend umsetzen konnten.

In den Kapiteln 4 bis 6 nimmt Shanken drei zentrale Ausstellungsbereiche in den Fokus: die „Federal Area“, die „California Area“ und die „Pacific Area“. Er schaut sich hier an, wie durch die Architektur und die Ausstellungsinhalte regionale, nationale und pazifische Identitäten konstruiert wurden. Das „Federal Building“ als Teil der Federal Area zeichnete sich laut Shanken durch eine stilistisch nicht eindeutige Architektur aus. Gleichzeitig stand es zwischen der California Area und der Pacific Area und zeigte so räumlich vermittelt die Machtverhältnisse bei der Aneignung des Pazifiks an. Neben zwei großen Ausstellungen zur Kultur der Native Americans und zum New Deal, widmete sich die Federal Area der Rolle der US-Bundesregierung bei der Förderung unter anderem von Wissenschaft und Naturschutz. Die Pavillons der California Area spiegelten eine stilistische Vielfalt wider, bei der sich die Architektur des kalifornischen Mission Revival mit Elementen von Art Deco und Modern Movement verband. Die Ausstellungen konstruierten Kalifornien als „wonderland of commerce and agriculture, adventure and recreation, travel and California living” (S. 146), so Shankens Befund.

Im nächsten Schritt untersucht Shanken die kulturellen Aushandlungen einer gemeinsamen pazifischen Kultur in der „Pacific Area“. In Abgrenzung zur bisherigen Forschung, die die GGIE als eine weitere imperiale Weltausstellung der 1920er- und 1930er-Jahre interpretiert, die rassistische und imperiale Diskurse reproduzierte, zeichnet Shanken ein komplexeres Bild. Zwar seien die imperial-wirtschaftlichen Motive der US-amerikanischen Planer zentraler Bestandteil der Ausstellungsnarrative. Auch sei zum Beispiel der „Court of Pacifica“ (S. 97) – an dessen Wänden die Geschichte der europäischen Entdeckung des Pazifiks als Zivilisierungsmission erzählt wurde – ein Beispiel für die Fortschreibung kolonialer / imperialer Diskurse gewesen. Demgegenüber stehe jedoch das zentrale Narrativ vom Pazifik als friedlicher und kulturell vielfältiger Raum, in dem Kooperation wichtiger sei als die Zivilisierungsmission. Die Beliebigkeit der räumlichen Anordnung der Pavillons pazifischer Nationen und Kolonien habe die üblichen raumzeitlichen Hierarchisierungen von zivilisiert / unzivilisiert und fortschrittlich / rückständig durchbrochen.

Im finalen siebten Kapitel widmet sich Shanken dem „Yerba Buena Club“, einem Gebäude, das von der „California Federation of Women’s Clubs“ in Auftrag gegeben wurde und das laut Shanken zu den für ihre Architektur am meisten bewunderten Gebäuden der Ausstellung zählte. Unter den Auflagen der Beaux-Arts geprägten Architectural Commission habe der Architekt William Wurster für das Gebäude einen ganz eigenen Stil entworfen, der moderne Elemente genauso aufgriff wie den kalifornischen „Bay Area Style“. Gleichzeitig führte der beschleunigte Wandel von Geschlechterbildern seit den 1920er-Jahren dazu, dass sich die Rolle von Gebäuden von Frauenvereinen auf Weltausstellungen veränderte. Während auf früheren Weltausstellungen Gebäude wie der Yerba Buena Club als politische Räume für die Darstellung der politischen Agenda der Frauenbewegung genutzt wurden, führte die Einführung des Frauenwahlrechts und der zunehmende Erfolg von Frauen in vormals klassisch männlichen Berufen zu einem Bedeutungsverlust von Frauenvereinen und frauenpolitischen Ausstellungen auf Weltausstellungen in den 1920er- und 1930er-Jahren. Bereits die Weltausstellung in Chicago 1933–34 habe kein Gebäude mehr gehabt, das eine spezifische frauenpolitische Programmatik beförderte. Die Begründung dafür war, dass aufgrund der erreichten Gleichberechtigung ein separates Gebäude der Frauenbewegung nicht mehr zeitgemäß sei. In diesem Sinne beschränkte sich auch die Funktion des Yerba Buena Clubs auf der GGIE auf die eines entpolitisierten Aufenthalts- und Erholungsraums für weibliche Besucher der Weltausstellung.

Shankens Arbeit überzeugt in weiten Teilen, jedoch bleiben einige Fragen unbeantwortet. So werden die Stimmen der Besucherinnen und Besucher nicht berücksichtigt. Welchen Blick hatten sie auf die Gebäude und Anlagen der Ausstellung? Wie eigneten sie sich die durch die Architektur vermittelten Narrative über den Pazifik an? Shankens Beschränkung auf Elitendiskurse von Architekten, Planern und Organisatoren bietet hier keine Antworten. Die Perspektive der „Anderen“ bleibt oft unberücksichtigt. So erwähnt Shanken zwar, dass Hawaii und die Philippinen ihre Pavillons von einheimischen Architekten gestalten ließen – was angesichts ihres quasi-kolonialen Status unüblich gewesen sei – ein close reading dieser Pavillons und eine Analyse der Brüche und Reproduktionen kolonialer / imperialer Diskurse unternimmt er nicht.

Trotz dieser offenen Fragen legt Shanken mit seiner Studie der bislang wenig erforschten Golden Gate International Exhibition einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Weltausstellungen in den USA vor. Mit seinem architekturgeschichtlichen Fokus leistet er gleichzeitig einen Beitrag zur Geschichte der Genese der Architektur Kaliforniens und deren Aneignung internationaler Architekturstile. Die Analyse sich überlagernder internationalistischer Diskurse, die den Pazifik als Kooperationsraum vielfältiger Kulturen konstruierten, und imperialer Diskurse die San Francisco als zukünftiges wirtschaftliches Zentrum einer pazifischen Frontier darstellten, ermöglichen in Verbindung mit dem raum- und architekturgeschichtlichen Ansatz zudem neue Blickwinkel auf die Kulturgeschichte der US-Expansion im Pazifik.

Anmerkung:
1 Vgl. u.a. Robert W. Rydell, All the World’s a Fair: Visions of Empire at the American International Expositions, 1876–1916, Chicago 1984.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension