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Titel
Magie und Raum. Der magische Schutz ausgewählter Räume im alten Ägypten nebst einem Vergleich zu angrenzenden Kulturbereichen


Autor(en)
Theis, Christoffer
Reihe
Orientalische Religionen in der Antike 13
Erschienen
Tübingen 2014: Mohr Siebeck
Anzahl Seiten
XV, 1032 S.
Preis
€ 139,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Bojowald, Ägyptologisches Seminar, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Die Arbeit von Christoffer Theis, eine Heidelberger Dissertation aus dem Jahr 2013, befasst sich mit dem magischen Schutz von Räumen in Ägypten und dessen Nachbarkulturen. In seiner vornehmlich textorientierten Studie untersucht Theis, mit welchen Praktiken sich die Menschen im alten Ägypten vor Dämonen, Tieren, Krankheiten oder anderen Bedrohungen zu schützen versuchten; dabei werden sowohl schriftliche als auch archäologische Zeugnisse aus dem pharaonischen Ägypten ausgewertet, Theis zieht aber auch die parallelen Überlieferungen aus den zeitgenössischen Kulturen in Mesopotamien, Kleinasien und Syrien-Palästina heran.

Nach Einleitung und Skizzierung des Aufbaus wird in Kapitel 3 die begriffliche Basis für die spätere Untersuchung gelegt: Theis interpretiert die Magie dabei als positive Größe und Teil der offiziellen Religion (S. 10–18). Die ägyptologische Sichtweise wird durch ausgewählte Forschungsmeinungen exemplifiziert (S. 19–25). Den „Sitz im Leben“ der magischen Literatur siedelt Theis an der Schnittstelle von Tempelkult und Medizin an (S. 32). Der Raum wird vom ihm als Gebilde aus Menschenhand in Abgrenzung vom natürlichen Bereich verstanden (S. 61).

Das vierte Kapitel betrachtet den Schutz von Ägypten als ganzem Land, wobei die Feindabwehr im Mittelpunkt steht. Die Praxis der Ächtungstexte und Ächtungsfiguren wird als erstes Beispiel vorgestellt (65–87). Im Alten Reich wurden hauptsächlich Gefahren aus Nubien und im Mittleren Reich aus Vorderasien gebannt.1 Der Holzkäfig aus Giza/4. Dynastie folgt als zweites Beispiel, der laut Verfasser als Paradefall für magische Raumbegriffe gilt (S. 97–99).

Das Kapitel 5 beschäftigt sich mit dem Schutz der Stadt, für den nur wenige Schriftzeugnisse vorliegen.

In Kapitel 6 untersucht Theis den Schutz des Tempels. Die teilweise beschrifteten Wasserspeier üben eine wichtige apotropäische Funktion aus (S. 133–143). Theis kommentiert zudem das Ritual „Schutz des Hauses“, das für Horus und den König zelebriert wurde. Die Schlangenbekämpfung ruft Erinnerungen an die Pyramidentexte hervor (S. 235). Auch das seit dem Alten Reich bekannte Ritual „ini.t-rd“, das den Kultempfänger vor Feinden bewahren sollte, wird zur Sprache gebracht (S. 243–244). Der „Sündenbockritus“ mit Ziegen in Esna III, 199, 27f ist wegen möglicher vorderasiatischer Parallelen interessant (S. 245–247). Theis hebt schließlich hervor, dass der magische Schutz von Tempelräumen auch in Mesopotamien dokumentiert ist (S. 253–257).2

Im Kapitel 7 rekurriert Theis auf das „Ritual der vier Kugeln“, das ein privat adaptiertes Osirisritual bildet. Der Wurf der Kugeln in die vier Himmelsrichtungen zielt, begleitet von Rezitationen, auf die rituelle Feindabwehr ab (S. 272). Der Raum ist hier eher symbolisch zu denken (S. 280).

In Kapitel 8 wendet sich Theis dem Schutz des Palastes zu, dessen ältestes Textzeugnis aus der 26. Dynastie stammt. Die Sprüche sollten vor allem das Eindringen von schädlichem Getier verhindern (S. 295). Der Palast wird durch den Aktanden im Ritual beispielsweise kreisförmig umrundet (S. 295). Auch in diesem Kapitel verweist Theis darauf, dass der magische Schutz des Palastes ebenfalls in Mesopotamien zu finden ist (S. 305–309).

Das Kapitel 9 setzt sich mit dem Schutz des Privathauses auseinander, dessen pharaonische Belege vom Mittleren Reich bis zur Spätzeit reichen. Der Schutz sollte gegen Schlangen, Insekten und Dämonen helfen. Das gewünschte Resultat wurde durch das Ziehen eines Kreises (S. 330) oder Besprengen der Hauswände mit Flüssigkeiten (S. 351–359) erzielt. Das Privathaus wurde auch im griechischen (S. 336), koptischen (S. 363–376) und mesopotamischen (S. 377–384) Kulturbereich durch Magie geschützt.3

Im Kapitel 10 betrachtet Theis dann den Schutz des Schlafgemaches: Das Bett sollte unter anderem von Krankheitskeimen gesäubert werden (S. 391). Der Schutz wird für Kleinkinder (S. 391–394) und Erwachsene (S. 395–399) erwirkt. Die Bedrohung des Schlafenden durch schädliche Tiere sollte ebenfalls ausgeschaltet werden (S. 417–421). Der Nutznießer wird sehr oft durch den lebenden König personifiziert.

Schließlich wendet sich Theis in Kapitel 11 der Magie zum Schutz des Grabes zu. Die Deponierung von Rinderschädeln und -hörnern (S. 434–441) und „s3“–Zeichen (S. 441–442) in Gräbern der 1. Dynastie werden dazu als archäologischer Beleg herangezogen. Die Schlangensprüche der Pyramidentexte des Alten Reiches kommen als philologisches Zeugnis hinzu (S. 442), in denen die Tiere ambivalent als Schädling und Wächter besetzt sind (S. 464). Die Sprüche sollten den verstorbenen König außerdem vor Hunger und Durst bewahren. Zudem diskutiert Theis Droh- und Fluchformeln aus Privatgräbern, die vom Alten Reich bis zum Neuen Reich laufen (S. 490–519). Die Inschriften zum Grabschutz nehmen allerdings ab dem Mittleren Reich zahlenmäßig ab (S. 507). Erörtert wird auch das Ritual „Zerbrechen der roten Töpfe“ zur Fernhaltung des Bösen vom Grab, das in Memphis beim Totenmahl und in Theben nach dem Sargschlittenzug zelebriert wurde (S. 534). Die vier magischen Ziegel werden mit dem zugehörigen Totenbuchkapitel 151 näher untersucht (S. 538–574). Der magische Schutz des Grabes wird auch in Vorderasien ausgeübt (S. 574–590).4

Im Kapitel 12 wertet Theis die untersuchten Aspekte aus. Dabei werden die Schutzgottheiten analysiert, unter denen höhere (Isis, Nephthys, Sachmet, Bastet, Wadjet, Thot, Atum, Osiris) und niedere Formen (Bes, Toeris) vorkommen (S. 592–612). Die Feinde des Raumes werden in Gruppen geordnet, unter denen tierische Schädlinge (S. 613–619), Krankheiten und Naturphänomene (S. 619–622) und tote bzw. lebende Menschen (S. 622–626) erscheinen. Der magische Kreis wird thematisiert, der erstmals im frühen Neuen Reich bezeugt ist (S. 631). Theis führt zudem die Wachs- und Tonfiguren an, die hauptsächlich im kultischen Kontext verwendet wurden (S. 642–647). Die schlangenförmigen Apotropaika finden Erwähnung, die von der zweiten Hälfte der 18. Dynastie bis zur späten Ramessidenzeit belegt sind (S. 655). Die Raumschutzsprüche treten meist ohne konkrete Zeitangaben auf (S. 663). Die Zahl „4“ spielt eine wichtige Rolle, was mit den vier Wänden oder vier Himmelsrichtungen zusammenhängt (S. 669–679).5

Im Anhang wird das Material übersichtlich zusammengestellt, das in die Abschnitte Gefangenenfiguren (S. 708–729), Hörner (S. 731–735), Tradierung der Schlangensprüche im Mittleren Reich und in der Spätzeit (S. 736–748), Schlangenstatuen (S. 748–752) und Scheintüren mit Augen (S. 752–754) unterteilt wird. Das Buch schließt mit Tabellen (S. 755–830), einer Synopse der Inschriften der magischen Ziegel (S. 831–949), einem Literaturverzeichnis (S. 851–879) und Indizes (S. 879–1032).

Die Untersuchung weiß durchaus zu überzeugen. Die Textauswahl lässt sich insgesamt gut nachvollziehen, Theis’ Interpretationen klingen plausibel. Die Übersetzungen ruhen auf stabilen Fundamenten. Auch die Sekundärliteratur wird ausgiebig berücksichtigt. Die Lektüre des Buches kann dem Leser wärmstens ans Herz gelegt werden.

Anmerkungen:
1 Zu den Toponymen „iw3ii“ und „i3śii“ (S. 80) vgl. Hartwig Altenmüller, Zwei Annalenfragmente aus dem frühen Mittleren Reich, Hamburg 2015, 297ff.
2 Die Bedeutung von „nbi.t“ muss „Flammende“ lauten (S. 130). „nḏri…m-ʿ=f“ muss „packen mit seinem Arm“ heißen (S. 164). Zur Schreibung „bb“ des „b3b3.t“–Gewässers (S. 165) vgl. Richard Jasnow/Karl-Theodor Zauzich, The Ancient Egyptian Book of Thot. A Demotic Discourse on Knowledge and Pendant to the Classical Hermetica, Bd. 1: Text, Wiesbaden 2005, S. 381. Zu „ṯnn.t“ „Osirisgrab“ (S. 167) vgl. Christian Leitz, Die Gaumonographien in Edfu und ihre Papyrusvarianten. Ein überregionaler Kanon kultischen Wissens im spätzeitlichen Ägypten, Soubassementstudien III, Teil 1: Text, Wiesbaden 2014, S. 178. Zum Lautwert „t“ des Skarabäus S. 176 vgl. Joshua Aaron Roberson, The Awakening of Osiris and the Transit of the Solar Barques. Royal Apotheosis in a Most Concise Book of the Underworld and the Sky, Fribourg 2013, S. 146.
3 S. 338 ist statt „šnʿ“ „śnʿʿ“ zu transkribieren. S. 375 lautet die Übersetzung richtig „jeder böse und unreine Geist“.
4 S. 561 ist die Transkription „nni.wt“ in „nmt.wt“ „Schritte“ zu korrigieren. S. 564f. ist „iḥ“ besser mit „wegwischen“ wiederzugeben. Zu „iḥ“ (=ʿḥ) „abwischen“ vgl. Hermann Kees, Die Laufbahn des Hohenpriesters Onhurmes von Thinis, in: Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde 73 (1937), S. 77–89, hier S. 82; zum Zusammenhang zwischen „iḥ“ und „ḥwi“ vgl. Joris F. Borghouts, The Magical Texts of Papyrus Leiden I 348, Leiden 1971, S. 192.
5 Zum Dämon „Sh3ḳḳ“ (S. 627) vgl. Hans-Werner Fischer-Elfert, Magika Hieratika in Berlin, Hannover, Heidelberg und München. Mit einem Beitrag von M. Krutsch, Ägyptische und Orientalische Papyri und Handschriften des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin, Bd. 2, Berlin 2015, 230–248. S. 635 streiche „viele“ vor „Amulette“ (es liegt nur unbestimmter Artikel Plural vor!).

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