Cover
Titel
Conon the Athenian. Warfare and Politics in the Aegean, 414–386 B.C


Autor(en)
Asmonti, Luca
Reihe
Historia – Einzelschriften 235
Erschienen
Stuttgart 2015: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
200 S.
Preis
€ 49,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniel Pauling, Institut für Evangelische Theologie, Technische Universität Dresden

Luca Asmonti verspricht mit dem gut gewählten Titel „Conon the Athenian“ eine anregende biographische Lektüre über den aus Athen stammenden Flottenadmiral, der nach mehreren Einsätzen in der letzten Dekade des Peloponnesischen Krieges zunächst ins zyprische Exil nach Salamis floh und in den 390er-Jahren in die Dienste der persischen „barbaroi“ trat, um der spartanischen Vorherrschaft in der Ägäis in der Schlacht von Knidos 394 v.Chr. einen herben Dämpfer zu versetzen. Vor allem dieser Erfolg verhalf ihm zu überaus großem Ansehen in Athen. Asmonti geht es vor allem darum, jenes Bild eines strategisch überragenden und extrem patriotischen Konon zu hinterfragen, welches die athenischen Quellen des vierten und späterer Jahrhunderte uns überliefert haben (S. 18–22) und das die althistorische Forschung nach wie vor dominiert (S. 23).

Daher und aufgrund der Quellenlage, welche das Leben Konons jenseits seiner militärischen Engagements weitgehend im Dunkel lässt, wird aus der Biographie eine Folge nicht minder spannender Analysen der politischen und militärischen Verhältnisse in der Ägäis zwischen dem ersten überlieferten Einsatz Konons als mutmaßlicher Stratege in Naupaktos 414/13 und dem sogenannten Königsfrieden 386 v.Chr. Asmonti geht bei dieser Analyse in den fünf Hauptteilkapiteln, abgesehen von einigen, politische Hintergründe erhellenden Rückblenden, streng chronologisch vor. Er entwickelt aus dem biographischen Blickwinkel Konons heraus originäre Interpretationen und eine überzeugende, stringente Darstellung der Entwicklungen dieser turbulenten drei Jahrzehnte.

Nach einer einleitenden Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse des Untersuchungszeitraums sowie der wichtigsten Ergebnisse, die den Leser erwarten, (S. 28–37) widmet sich Asmonti im ersten Kapitel der Frage, warum die Athener nach der Niederlage bei Notion anstelle des verrufenen Alkibiades ausgerechnet Konon 407/6 zum mutmaßlichen strategos autokrator mit umfassenden Befugnissen wählten (S. 39–65). Im zweiten Kapitel (S. 67–94) wird Konons Einsatz in Samos und seine Rolle am Ende des peloponnesischen Krieges erörtert. Seine Flucht vor spartanischer Vergeltung nach der athenischen Niederlage zum salamischen König Euagoras auf Zypern und die Anheuerung Konons als Admiral der persischen Flotte durch den phrygischen Satrapen Pharnabazos stehen im Zentrum des dritten Kapitels (S. 95–129). Dieser Übertritt in persische Dienste bildet den entscheidenden Angelpunkt in Asmontis Argumentation, der Konons Erfolge als Flottenkommandant und die spartanische Niederlage gegen die persische Flotte bei Knidos ab dem vierten Kapitel vor allem aus der strategischen Perspektive Persiens beleuchtet (S. 131–154). Das fünfte Kapitel (S. 155–178) widmet sich den Folgen dieser Niederlage für die zwischenstaatlichen Verhältnisse in der Ägäis, Konons Rückkehr nach Athen und mysteriösen Tod im Zuge einer Gesandtschaft nach Persien. Es bietet, zusammen mit der Konklusion (S. 179–183), einen Ausblick auf die allgemeinen Friedensschlüsse (koinai eirenai) und die persische Autonomiepropaganda der Folgezeit, die Konon zumindest initial mitbeeinflusst habe.

Im Folgenden soll vor allem Asmotis innovative Perspektive auf die diplomatischen und militärischen Entwicklungen in der Ägäis hervorgehoben und näher beleuchtet werden: Ab S. 96 konzentriert sich der Autor intensiv auf die bisher oft vernachlässigten strategischen Ziele der Perser. Die Anheuerung Konons als alleinigen Admiral der persischen Flotte gegen die spartanische Kontrolle der Ägäis im Jahr 398/7 erklärt er mit der überzeugenden Hypothese eines Wechsels der persischen „grand strategy“: Der Satrap Pharnabazos habe gemeinsam mit Konon den Plan entwickelt und den Großkönig Artaxerxes von dessen Durchführung überzeugt, die Spartaner sowohl zur See, als auch durch finanzielle Unterstützung der griechischen Poleis in einen Zweifrontenkrieg zu verwickeln (S. 134–141). Für den Seekrieg habe Pharnabazos auf die neuen Methoden gesetzt, welche während des peloponnesischen Krieges entstanden, und dafür mit Konon einen in der Kontrolle von Flottenbasen und im Kampf gegen Sparta erfahrenen Admiral für sich gewonnen (S. 120–129, 146f.). Diese neue Strategie sei auf die Erfüllung der politischen Zielvorgabe Artaxerxes‘ ausgerichtet gewesen, die persische Kontrolle über die kleinasiatischen Griechenstädte dauerhaft zu stabilisieren (S. 126f. und 153). „The Greek problem harmed Persian interests, not owing to its present intensity […], but because of its chronic nature.“ (S. 142) Asmonti sieht deshalb auch die Adaption der griechischen Autonomieparole durch die Perser als Ausdruck dieser Strategie, auf die Konon maßgeblich eingewirkt habe (S. 181). Er betont jedoch immer wieder zu Recht, dass diese „new grand strategy“ nicht vom Großkönig ausging, sondern zugleich ein Kampfmittel in der institutionalisierten Konkurrenz zwischen den Satrapen, vor allem zwischen Pharnabazos und Tissaphernes in ihrem Bemühen um die Gunst des Großkönigs gewesen sei (S. 101–103, 120f., 169–174, 181f.).

Somit sei es weniger dem militärischen Genius Konons und seinem patriotischen Einsatz für Athen zu verdanken, dass die spartanische Kontrolle der Ägäis 394 gebrochen wurde. Hinter diesem heroischen Bild Konons, welches unsere Quellen zeichnen, konnte Asmonti vielmehr die politischen Zielsetzungen des persischen Großkönigs als entscheidende Triebfedern entlarven. Zugleich kommt er durch seine Betonung der Satrapenkonkurrenz zu dem bisher selten gezogenen, doch durchaus überzeugenden Schluss, dass sich in diesen diplomatischen und militärischen Wechselfällen bereits die institutionelle Schwäche Persiens gezeigt habe, die das Riesenreich später unter dem Angriff Alexanders zusammenbrechen ließ (S. 181–183).1 Umso dankenswerter ist es, dass Asmonti der strategischen Perspektive des Großreichs in seiner Darstellung so viel Raum gegeben hat, denn er hat damit das Bild Persiens als eines monolithischen Machtapparats relativiert, welcher die griechischen Geschicke nach Belieben beeinflussen konnte.

Asmonti ist mit seinem Werk zudem der Spagat zwischen Fachpublikation und einer auch für Nichtfachleute gut lesbaren Darstellung gelungen. Seine Schilderung der politischen Verhältnisse und Entwicklungen in der Ägäis des späten fünften und frühen vierten Jahrhunderts v.Chr. ist regelrecht spannend zu lesen und macht damit dem Buchtitel alle Ehre. Das Konzept einer Biographie eines in den Quellen eher unterrepräsentierten Admirals vor dem erhellenden Hintergrund der politischen Geschichte seiner Lebenszeit bietet eine erfrischend neue Perspektive auf diesen Abschnitt der griechischen Geschichte. Vor allem überzeugt, dass Asmonti dabei immer sehr quellennah und quellenintensiv argumentiert. Das zeigt unter vielen Beispielen sein klarer Blick auf die Diskussion über das vermeintliche Treffen zwischen Pharnabazos und Konon, in dessen Folge letzterer ab 398/7 – nach der von Asmonti verteidigten Darstellung Diodors – zum Oberkommandierenden der persischen Flotte ernannt wurde (S. 121–124).

Angesichts dessen wäre ein Quellenstellenregister vielleicht angebracht gewesen; am Ende des Buches ist aber lediglich ein Namensregister zu finden. In Bezug auf die umfangreiche Liste an Sekundärliteratur, die Asmonti zu dieser turbulenten Zeit der griechischen Geschichte anführt, würde man sich stellenweise eine intensivere Diskussion der verschiedenen Forschungspositionen wünschen.2 Dies bleibt wohl der Kürze des Werkes geschuldet und schafft auf den knapp über 180 Seiten Raum für eine beeindruckende Prägnanz der Darstellung.

Insgesamt ist es Luca Asmonti hervorragend gelungen, diese verworrene und auch für den Forscher oft verwirrende Epoche der griechischen (und persischen) Geschichte durch den Fokus auf den historisch wichtigen Akteur Konon und die persische Strategie in einer knappen Darstellung stringent und überzeugend nachzuzeichnen.

Anmerkungen:
1 Vgl. vor Asmonti v.a. Michael Zahrnt, Hellas unter persischem Druck? Die griechisch-persischen Beziehungen in der Zeit vom Abschluß des Königsfriedens bis zur Gründung des Korinthischen Bundes, in: Archiv für Kulturgeschichte 65 (1983), S. 249–306, der die anderen Satrapien und die Zeit nach dem Königsfrieden einbezieht und dabei zu demselben Schluss kommt.
2 Bspw. wäre eine Abgrenzung Asmontis eigener Position (S. 109, und S. 156) gegenüber der von Peter Funke, Homónoia und Arché. Athen und die griechische Staatenwelt vom Ende des Peloponnesischen Krieges bis zum Königsfrieden (404/3–387/6 v.Chr.), Wiesbaden 1980, S. 122, vertretenen Position wünschenswert gewesen, dass Konon im Dienste Pharnabazos‘ kaum politischen Einfluss in Athen habe ausüben können.

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