I. Piso: Fasti Provinciae Daciae II

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Titel
Fasti Provinciae Daciae II. Die ritterlichen Amtsträger


Autor(en)
Piso, Ioan
Reihe
Abhandlunge zur Alten Geschichte 60
Erschienen
Anzahl Seiten
X, 425 S.
Preis
€ 79,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Alexander Rubel, Institutul de Arheologie Iasi

Ioan Pisos (P.) neues Buch ergänzt nach 20 Jahren den ersten Teil seines Amtsträgerkatalogs für die Provinz Dacia. Während der erste Band den senatorischen Amtsträgern gewidmet war, behandelt der nun vorliegende, umfangreiche (425 S.) und mit Tabellen, Personen- und Sachregister ausgestattete Band die ritterlichen Amtsträger in vorbildlicher und umfassender Weise. Nach einer Einleitung und wichtigen Nachträgen zum ersten Band, die aufgrund neuer Entdeckungen und Forschungen erforderlich waren, ordnet P. die 74 aufgenommenen Amtsträger nach Funktionen und Provinzen gegliedert zu einem überreich kommentierten Katalog zusammen (wobei er bei der Zählung an die Nummerierung in Band I anschließt und die Liste mit Nr. 72 beginnt). So folgen den Präsidialprokuroren der Dacia Porolissensis, diejenigen von Unterdakien. Danach folgen die Finanzprokuratoren Oberdakiens (bis zum Jahr 168), denen sich die diejenigen der Dacia Apulensis, Porolissensis und Malvensis (alle ab 168) anschließen. Zoll- und Goldbergwerksprokuratoren folgen, den Abschluss bilden die praefecti legionum unter Gallienus. Ein letztes Kapitel listet drei aus den Inschriften bekannte Amtsträger auf, die P. meist mit guten Gründen ausschließen will, obwohl in der Literatur auch für deren Zugehörigkeit zur dakischen Verwaltung argumentiert wurde.

Besonders im umstrittenen Fall des L. Caesennius Sospes (S. 359–363, CIL III 6818) werden vielleicht nicht alle Leser P.s strengem, aber überaus stringenten Ausschlussverfahren folgen. Wie im Falle des Sospes gelingen dem Altmeister der rumänischen Epigraphik bei allen 74 ritterlichen Amtsträgern seines Kataloges Bravourstücke argumentativer Gelehrsamkeit. Mit der kombinatorischen Gabe und dem Weitblick des erfahrenen Gelehrten (immerhin hat P. die 70 bereits überschritten) verfolgt er mit bisweilen geradezu kriminalistischem Spürsinn die Spuren der römischen Militär- und Finanzbeamten, die in Dakien gewirkt haben. Es wird auch den Experten auf dem Gebiet schwer fallen, P. irgendwelche Lücken bei der bearbeiteten Literatur nachzuweisen, die er in bewundernswerter Vollständigkeit in die Kommentare hat einfließen lassen. Diese Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit zeugt von einer bemerkenswerten Ausdauer bei der Bearbeitung des Materials. Dass der zweite Band 20 Jahre auf sich hat warten lassen, liegt also nicht nur an vielen administrativen Aufgaben, die der emeritierte Hochschullehrer und ehemalige Museumsdirektor in dieser Zeit wahrnehmen musste, wie er im Vorwort entschuldigend bemerkt, sondern auch sicher an seinem perfektionistischen Anspruch, seinen Objekten wirklich umfassend und möglichst vollständig nachzuspüren. Dabei ist P.s Buch weit mehr als ein ausführlich kommentierter Katalog von großer Gelehrsamkeit: Die Forschungsobjekte des Klausenburger Professors werden unter seiner Feder zu historischen Subjekten. Nicht zufällig auf Stein überlieferte Namen längst vergessener Amtsträger werden hier genannt und diskutiert, sondern Persönlichkeiten stehen fast leibhaftig vor dem Leser, der mit wachsender Spannung die Karrieren der in Dacia dienenden Reichsbeamten verfolgt. Auf diese Weise wird der gattungstypisch eigentlich eher trockene Katalog geradezu zur komplexen Narrative der dakischen Provinzialgeschichte.

Am deutlichsten wird das vielleicht in P.s Schilderung des cursus honorum einer der interessantesten Gestalten der römischen Geschichte Dakiens, des Q. Marcius Fronto Turbo Publicius Severus (S. 67–109), Hadrians Prätorianerpräfekt, von dem in mehr als 20 Quellenzeugnissen, Inschriften und erzählende Quellen, ausführlich die Rede ist. P. verfolgt die Laufbahn dieses unter Trajan und besonders Hadrian zu höchsten Ämtern aufsteigenden Mannes von seinem ersten Primipilat in der legio II Adiutrix bis zu seinem Amt als Prätorianerpräfekt, das er immer noch rüstig bis ins hohe Alter ausübte, bevor er 136/37 von seinem Kaiser in den Ruhestand versetzt wurde, weil er gegen die Ernennung des Aelius Caesar opponiert hatte und deswegen in Ungnade gefallen war. In Dakien (und Pannonien) hatte Marcius Turbo ab 117 oder 118 ein Sonderkommando inne, das der Befriedung der Jazygen und anderer Barbaren der Region galt, eine sensible Aufgabe, die Hadrian zur „Chefsache“ gemacht hatte und deshalb seinen besten Mann entsandte, den er schon als Prätorianerpräfekten vorgesehen hatte. Turbo blieb bis Ende 119 in Dakien, wie ein neues Militärdiplom zeigt, das von P. ausführlich gewürdigt wird (AE 2001, 2150; AE 2005, 1703). Eine ganze Reihe neuer Militärdiplome und Inschriften, sowie bessere Lesungen haben zu vielen Nuancierungen geführt, die das gesamte Werk durchziehen und den neusten Stand für die Provinz Dacia und ihre Amtsträger markieren. Die spannende Frage, wie es Turbo als ritterbürtigem Amtsträger möglich war, Legionen zu befehligen und Provinzen zu regieren, die normalerweise senatorischen Statthaltern unterstehen musste, widmet P. breiten Raum (S. 95–98), wobei er ausführlich die umfangreiche Fachliteratur referiert. Zuvor war Marcius Turbo in Ägypten als Truppenführer aktiv gewesen (117), wobei man darüber streitet, ob er tatsächlich das Amt eines praefectus Aegypti inne gehabt hat, das einzige ritterliche Amt, das – dem eines Prokonsuls gleichgesetzt – die Führung von Legionen gestattete. Wenn er nicht zum praefectus Aegypti ernannt wurde, aber nachweislich ein konsulares Heer in Ägypten befehligte, liegt es nahe, dass man ihm 117 einen analogen Präfektentitel verlieh, um Legionstruppen führen zu können. Dieser Sachverhalt führte wiederum zu Spekulationen, ob ihm der Kaiser das Amt nicht belassen habe, als er ihn nach Pannonien und Dakien sandte. Unter Bezugnahme auf Syme plädiert P. dafür, dass Hadrian seinen Vertrauten mit dem Rang eines Präfekten, der dem ägyptischen entsprach, ausgestattet hat, sich also über Traditionen hinweggesetzt habe, obwohl er sicher auch einen Konsular für diese Aufgabe gefunden hätte. P. argumentiert nun überzeugend, dass Hadrian wegen des Konflikts mit führenden Senatoren der Trajanszeit kein Vertrauen in mögliche senatorische Kandidaten hatte und unbedingt seinen Mann an die Donau schicken wollte, ohne ihn aber zum Senator zu machen, da er ihn bereits als Prätorianerpräfekten ausersehen hatte (S. 98). Turbo kam nach seiner 119 beendeten Mission noch einmal nach Dakien und zwar an der Seite seines Kaisers, anlässlich dessen großer Reise, deren zweiten Teil auch der Prätorianerpräfekt mitmachte. Mit guten Argumenten setzt P. diese Rückkehr des Prätorianerpräfekten an seine alte Wirkungsstätte mit dem Jahr 132 an, zwei Inschriften zu Ehren des Turbo erinnern an seine Reise an der Seite Hadrians (CIL III 1462, 1551). So spannend kann römische Prosopographie sein, wenn sie mit Souveränität und Überblick betrieben wird. P. scheut auch nicht deutliche Vergleiche und bringt die Beziehung zwischen Kaiser und Marcius Turbo mit klaren Worten auf den Punkt, wenn er seine Überlegungen darlegt, warum Hadrian den nichtsenatorischen Turbo mit Sondergenehmigung zur Legionsführung für die heikle Aufgabe am Donaulimes auserkor: „Es hat den Anschein, als ob der Kaiser jetzt diese Aufgabe dem bewährten General, dem guten Kenner des Donaulimes, und nicht zuletzt dem alten Kumpel übergeben hätte.“ (S. 98)

Aus dem Umgang mit dem vorwiegend inschriftlichen Material durch P. geht unmittelbar das hervor, was P. in seinem Vorwort bekundet. Während der langen Beschäftigung mit den Amtsträgern der Provinz sind ihm einige „Helden dieser Geschichte […] sehr vertraut geworden“ (S. X). Sie sind ihm ganz offensichtlich ans Herz gewachsen. Die Unsicherheit des Autors, ob „dies die richtige Einstellung eines Historiker“ sei (S. X), teilt der Rezensent nicht. Nur so konnte P. das Kunststück vollbringen, die Steine wirklich zum Sprechen zu bringen und mit seinem wissenschaftlich anspruchsvollen Alterswerk ein Stück lebendige Geschichte zu präsentieren, die dem Anspruch gerecht wird, Dakien als Kardinalbeispiel und als „Fenster“, wie er es ausdrückt (S. IX), für die Grundzüge der gesamten römischen Provinzialgeschichte zu beschreiben. Die wenigen sprachlichen (v.a. stilistischen) Ungenauigkeiten und orthographischen Lapsus sind besonders deshalb völlig vernachlässigenswert, weil der Autor die enorme Leistung vollbracht hat, dieses Buch direkt in einer Sprache niederzuschreiben, die nicht seine Muttersprache ist, deren Beherrschung durch den Autor aber jedem Leser viel Respekt abringen wird.

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