L. Caldwell: Roman Girlhood and the Fashioning of Femininity

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Titel
Roman Girlhood and the Fashioning of Femininity.


Autor(en)
Caldwell, Lauren
Erschienen
Anzahl Seiten
VI, 188 S.
Preis
$ 95.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Marcus Hellwing, Historisches Seminar, Universität Erfurt

Lauren Caldwell, Assistant Professor für Classical Studies an der Wesleyan University (Connecticut, USA), legte mit ihrer 2015 bei Cambridge University Press erschienenen Studie zu „Roman Girlhood and the Fashioning of Femininity“ eine wichtige Arbeit für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem weiblichen Geschlecht in der römischen Antike vor. Indem sie dabei den Fokus in Gänze auf die römischen Mädchen legt, liefert sie erstmals in der bisherigen Forschungsdiskussion im Rahmen einer Monographie eine ausführliche Untersuchung des Zeitraums der Kindheit und des Heranwachsens sowie der Sozialisation römischer Mädchen bis zum frühen Eintritt in die Ehe, der oft auch mit der Geburt des ersten Kindes verbunden war.

Ein Hinweis auf die Vielfalt der vorhandenen Quellen findet sich bereits in der Einleitung. Neben den Texten verschiedener Historiographen, Lyriker, Dichter, Mediziner und Juristen führt sie auch Papyri und Grabinschriften an. Eine Eingrenzung sowohl ihres zeitlichen als auch geographischen Untersuchungsraumes nennt Caldwell indes nicht explizit. Diese lassen sich aber unter anderem durch die verwendeten Autoren sowie die Fundorte der epigraphischen Belege erschließen: Neben römischen Autoren der Kaiserzeit halten auch christliche Autoren Einzug in die Untersuchung. Weiterhin finden sich ebenso stadtrömische Inschriften wie auch solche aus dem römischen Ägypten. Am Beginn ihrer Ausführungen verweist Caldwell zudem darauf, dass die Zeugnisse vor allem über die römische Oberschicht informieren: „Offering a different perspective on the marriage pattern are literary texts written by educated members of the Roman elite. These texts, when the mention girls and first marriage, concentrate on the pattern as it played out among elite families.“ (S. 4)

Der Aufbau der Untersuchung orientiert sich im Wesentlichen an der Chronologie der körperlichen und sozialen Entwicklung römischer Mädchen von der Geburt bis zur Heirat. Eine ähnliche Systematik legte etwa auch Rawson ihrer Untersuchung „Children and Childhood in Roman Italy“ zugrunde, sie betrachtet allerdings allgemein römische (vor allem männliche) Kinder und schließt mit deren Tod im Kindesalter. Chrystals Untersuchung über „Women in Ancient Rome“ dagegen lässt die Kindheit der weiblichen Bevölkerung völlig außer Acht und betrachtet allein die erwachsenen Frauen.1 Wie der Entwicklungsweg bis dahin verläuft, wird in der aktuellen Forschung erst von Caldwell ausführlich beleuchtet. Während in den vergangenen Jahren vor allem auch römische Matronen, also verheiratete Frauen, im Fokus der Forschung standen, widmet sich Caldwell erstmals umfassend der sozialen Gruppe der römischen Mädchen, die in den antiken Quellen allerdings schwer zu fassen ist.

Caldwells Monographie ist in fünf Hauptkapitel geteilt, welche jeweils mit einem Zwischenfazit abgeschlossen werden. Kapitel 1 betrachtet unter der Überschrift „Formal education and socialisation in virtue“ (S. 15–44) vor allem die Formen der Wissensvermittlung bzw. -aneignung junger römischer Mädchen, zumeist zusammen mit ihren männlichen Geschwistern, innerhalb und außerhalb der Familie sowie in den öffentlichen Schulen.2 Neben der Betrachtung der vermittelten Inhalte, etwa Lesen und Schreiben, weist Caldwell auch darauf hin, dass eine etwaige Überqualifikation, also eine zu hohe literarische Bildung, dazu führen konnte, dass Mädchen nur schwer zu verheiraten waren. Zwar lobt der jüngere Plinius die hohe Bildung seiner jungen Ehefrau, sein Zeitgenosse Martial liefert dazu aber ein gewisses Gegenbild. Caldwell zeigt weiterhin auf, dass die Erziehung und Bildung von Mädchen der moralischen Entwicklung und ihrem Rollenverständnis in der römischen Gesellschaft nicht nur dienlich waren, sondern auch einen hohen Stellenwert besaßen (S. 43f.). Die These, dass die Ausbildung römischer Mädchen mit dem Eintritt in die Ehe beendet worden sei, wie sie etwa Chrystal formulierte 3, wird so durch Caldwells quellenbasierte Argumentation obsolet.

Das zweite Kapitel widmet sich dem „Bewahren der Jungfräulichkeit“ – „Protecting virginity“ (S. 45–78). Dabei liegt der Blick der Autorin vor allem auf der Bedeutung der Jungfräulichkeit unter philosophisch-ethischen und politischen Aspekten, wobei sie für letztere den Fokus auf die Entwicklung unter Kaiser Augustus legt. Zu kritisieren ist an dieser Stelle, dass Caldwell zwar anspricht, dass unter Augustus ein öffentlicher Wandel der Bedeutung der Jungfräulichkeit stattfindet und auch rechtlich – etwa in der Lex Iulia – verankert wird, und ausführt, wie sich dieser in den kaiserzeitlichen Quellen widerspiegelt, es aber in ihrer Untersuchung offen bleibt, inwieweit sich diese neue Situation unter Augustus gegenüber den in der Republik bestehenden Verhältnissen unterscheidet.4 Allerdings ist der philologische Verweis im folgenden Kapitel darauf, dass der Begriff der virgo im Lateinischen nicht zwangsweise mit der physischen Jungfräulichkeit gleichzusetzen, sondern vielmehr als Bezeichnung einer unverheirateten Frau zu sehen ist (S. 50f.), hilfreich für weitere Betrachtungen.

Das dritte Kapitel (S. 79–105) erörtert die medizinisch-gynäkologischen Überlegungen der antiken Autoren über die Entwicklung vom Mädchen zur Frau. Dabei geht es vor allem um die körperlichen Veränderungen mit Blick auf eine bevorstehende Mutterschaft. In der Darstellung der antiken Theorien zur Frauenmedizin zieht Caldwell neben römischen Ärzten vor allem des 2. nachchristlichen Jahrhunderts, wie etwa Galen, Soranus oder Rufus von Ephesos, auch den in römischer Zeit weiterhin anerkannten Hippokrates heran.

Daran anschließend erörtert Caldwell im vierten Kapitel (S. 105–133) die Problematik des „Drucks“ der frühen Eheschließung von Mädchen, zumeist in deren zweiten Lebensjahrzehnt. Dieser Aspekt der weiblichen Kindheit, in der das junge Mädchen bereits verheiratet wird, wurde in der neueren Forschung bisher wenig beachtet.5 Dabei zeigt Caldwell deutlich auf, dass es dazu meist keine oder nur wenige gesetzliche Vorgaben, etwa zu einem Mindestalter für die Hochzeit, gab. Vielmehr waren es soziale Konstruktionen, deren eigentliche Beständigkeit in der Gesellschaft Caldwell auch als „Rules: Made to be broken?“ in einem Unterkapitel hinterfragt (S. 116–125). Das Buch schließt mit dem Kapitel „The wedding and the end of girlhood“ (S. 134–165), dessen Hauptaugenmerk auf der ritualisierten Überführung der Gattin aus dem elterlichen Haushalt in den ihres Ehemannes liegt. Im Unterschied zu den vorangegangenen Abschnitten stellt sie in den zwei letzten Unterkapiteln jeweils die Meinungen eines paganen und eines christlichen Autors gegenüber.

Kritisch anzumerken ist, dass Caldwell oft pagane neben christliche Quellen setzt, jedoch kaum auf die unterschiedlichen (religiösen und sozialen) Anschauungen der Autoren eingeht. Auch vernachlässigt Caldwell die wichtige Problematik des gesellschaftlichen Wandels zwischen Republik und Kaiserzeit, der sich auch deutlich in der Rolle der Mädchen niederschlägt. Dies wäre aber in der der Betrachtung der moralischen Erziehung in der Kaiserzeit umso wichtiger, da diese in nicht geringem Maße durch das Paradigma des vermeintlichen Sittenverfalls am Ende der Republik bestimmt wurde.

Caldwell legt mit ihrer für die römische Kaiserzeit umfassenden Studie eine grundlegende, stark quellenbasierte Untersuchung zur sozialen Gruppe der Mädchen aus den römischen Eliten vor. Die Arbeit zeigt dabei überzeugend das Bild der Entwicklung von der frühen Kindheit, über die Schule bis zur Hochzeit auf und untersucht sowohl die verschiedenen sozialen und kulturellen als auch die physisch-medizinischen Problematiken dieser Entwicklungsphasen.

Anmerkungen:
1 Beryl Rawson, Children and Childhood in Roman Italy, Oxford 2003; Paul Chrystal, Women in Ancient Rome, Stroud 2013.
2 Emily A. Hemelrijk, Matrona docta. Educated women in the Roman élite from Cornelia to Julia Domna, New York 1999, S. 20f. reißt dies in ihrer Studie nur auf einer knappen Seite an.
3 Chrystal, Women, S. 78.
4 Vgl. etwa: Beate Wagner-Hasel, Alter in der Antike. Eine Kulturgeschichte, Köln 2012, S. 88–90.
5 Vgl. Rawson, Children, S. 145.

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