D. W. Roller (Hrsg.): Eratosthenes' Geography

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Titel
Eratosthenes' Geography. Fragments collected and translated, with commentary and additional material


Herausgeber
Roller, Duane W.
Erschienen
Anzahl Seiten
XVI, 304 S., 3 line illus. 7 maps.
Preis
€ 41,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Felix Schmutterer, Lehrstuhl für Alte Geschichte, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Duane W. Roller (Prof. em., Ohio State University) ist der althistorischen Forschung bereits durch mehrere Publikationen bekannt, die sich in das Spektrum der antiken Geographie einordnen lassen. „Through the Pillars of Herakles: Greco-Roman Exploration of the Atlantic Ocean“ sowie seine letzte Veröffentlichung „Ancient Geography: The Discovery of the World in Classical Greece and Rome“ seien hierfür beispielhaft angeführt.1 Bereits 2010 hat Roller mit „Eratosthenes’ Geography“ nichts Geringeres als das verloren gegangene Werk eines der wohl berühmtesten Geographen des Altertums zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht.

Das Buch ist bemerkenswerterweise die erste Zusammenstellung der Fragmente des großen griechischen Geographen seit Hugo Bergers „Die geographischen Fragmente des Eratosthenes“ (1880) und Amédée Thalamas „La géographie d’Ératosthène“ (1921). Es ist inhaltlich in fünf Abschnitte gegliedert. Der erste ist dem Leben des Eratosthenes, der Rezeption seines Werkes sowie der Geschichte der antiken Wissenschaft von der Welt und ihrer Vermessung gewidmet (S. 1–37). Den Kern von Rollers Veröffentlichung bilden zunächst die Sammlung der Fragmente der „Geographika“ (S. 41–107) sowie deren Kommentierung und Interpretation im darauffolgenden Abschnitt (S. 111–221). Ein mit „Gazetteer“ überschriebenes Verzeichnis geographischer Stichworte, Landschafts- oder Ortsnamen, rundet diesen inneren Teil des Buches ab (S. 223–248). In verschiedenen Anhängen hat Roller seiner Rekonstruktion von Eratosthenes’ Werk mehrere Landkarten beigegeben sowie verschiedene antike Textzeugnisse – etwa zu Eratosthenes’ Schrift „Über die Vermessung der Erde“ oder zu dessen Biographie – aufgenommen (S. 250–273). Rollers Werk verfügt über eine umfangreiche Bibliographie sowie über einen hilfreichen Index der zitierten Passagen. Dieser ist im Wesentlichen eine Zusammenstellung der griechischen und lateinischen Texte, die als Quellen für seine Arbeit dienen. Ein allgemeiner Index findet sich am Ende des Buches (S. 275–304).

Der erste Teil bietet dem Leser eine knappe Einführung in die Geschichte der antiken Geographie. Roller schlägt dabei einen Bogen, ausgehend von Anaximander, Hekataios von Milet und Herodot, um über die verwobenen Ursprünge von Historiographie, Ethnographie und Geographie zu informieren. Eratosthenes’ Arbeit sieht Roller gewissermaßen am Ende dieser frühen Entwicklung. Gleichzeitig markiert die „Geographika“ für Roller aber den Anfang einer neuen Disziplin: „Eratosthenes was able to pull all former thought together and use his own original mind to create the discipline of geography“. (S. 7) Der Abschnitt zum Leben des Geographen fällt der schwierigen Quellenlage entsprechend knapp aus. Seine Lebensdaten kann auch Roller – von Mitte der 280er-Jahre bis um 200 v. Chr. – nur näherungsweise angeben.

Die anschließende Einführung in Eratosthenes’ wohl berühmtestes Werk, seine Geographie, ist zunächst einmal eine Bekräftigung der Annahme, dass der Text wohl nicht länger als bis in das zweite nachchristliche Jahrhundert verfügbar gewesen sein dürfte. Sein Verlust und die damit verbundene Aufgabe und Schwierigkeit der Rekonstruktion werden ausführlich erläutert. Roller gibt mit Julius Caesar, Polybios und vor allem Strabon diejenigen Autoren an, deren Werke Exzerpte der „Geographika“ enthalten. Explizit nennt Roller 155 Fragmente (S. 15), die heute bekannt und in drei Büchern anzuordnen seien (S. 21–24). Mit dieser Einteilung folgt Roller der allgemein verbreiteten und seit Berger akzeptierten Annahme, die letztlich auf den Aussagen Strabons basiert (Strab. 1, 3, 23; 1, 4, 1 und 2, 1, 1). Darüber hinaus werden in diesem Teil einige generelle Informationen zum Inhalt der Bücher angeboten. Rollers Meinung nach, habe sich das erste mit der Geschichte der eigenen Wissenschaft und dem allgemeinen Wesen der Welt befasst. Berichte mythischer Art und Sagen hätten am Ende gestanden. Der Inhalt des zweiten Buches wird im Wesentlichen mit der Beschaffenheit der Welt, im spezielleren Sinne, zusammengefasst. Hierzu gehören vor allem die Erkenntnisse der sogenannten mathematischen Geographie. Explizit wird von Roller klargestellt, dass gerade hier die Anordnung der Fragmente problematisch ist, da nichts oder nur wenig über die innere Struktur des Buches bekannt ist. Das dritte Buch, dem die meisten der Fragmente zugeordnet werden können, soll sich dann der Beschreibung der Länder – oder besser gesagt der bewohnten Welt – im topographischen Sinne gewidmet haben.

Der Hauptteil des Buches, die Sammlung und Anordnung der Fragmente, basiert hauptsächlich auf Bergers Zusammenstellung. Mit einem wichtigen Unterschied: Während Berger mittels Teilung verschiedener, eigentlich zusammengehörender Textstellen, beinahe doppelt so viele Fragmente zählt, hat Roller auf dieses Vorgehen verzichtet. In der althistorischen Forschung herrscht bis heute kein Konsens darüber, ob alle der in Frage kommenden Passagen Eratosthenes’ „Geographika“ zugeschrieben werden können. Welche der Textstellen wohl eher seiner Schrift „Über die Vermessung der Erde“ zuzuordnen sind, wird umstritten bleiben. Roller ist bezüglich dieser Frage eher großzügig verfahren. So könnte diskutiert werden, ob etwa die Fragmente, die zu Beginn das zweiten Buches angeordnet wurden (F. 26, F. 28 und später F. 38), sinnvoll als Teil der „Geographika“ interpretiert werden können. Inkonsequent ist jedenfalls, dass einige von diesen im Anhang zu Eratosthenes’ anderem Werk wiederum angeführt werden. Anzumerken ist außerdem, dass andere in Betracht kommende Fragmente in dieser neuen Zusammenstellung fehlen oder nur indirekt erwähnt werden (etwa Pol. 3, 57, 3). Roller hat sämtliche Passagen ausschließlich in englischer Übersetzung aufgenommen, auf die altgriechischen beziehungsweise lateinischen Texte wurde verzichtet. Umso ausführlicher sind die Kommentare der einzelnen Abschnitte ausgefallen. Dabei beschränkt sich der Autor nicht auf Erläuterungen inhaltlicher Art, sondern ist in vielen Fällen darum bemüht entsprechende Passagen im jeweiligen Kontext der exzerpierenden Original-Autoren zu verorten.

Das große Verdienst von Rollers Arbeit liegt zweifellos darin, dass mit „Eratosthenes’ Geography“ eine Veröffentlichung vorgelegt wurde, die erstmals eine ins Englische übersetzte Ausgabe der Fragmente präsentiert. Die Visualisierung des vermeintlich erastothenischen Weltbildes (Karte S. 250) ist genau wie die anschließende Verortung der verschiedenen antiken Orts- und Landschaftsbezeichnungen mehr als eine bloße Illustration. Sie dient zweckmäßig der besseren Orientierung. Vor allem die überaus hilfreichen und vollständigen Indices machen Rollers Buch zu einem ergiebigen Arbeitsinstrument – nicht zuletzt für Studenten, die sich mit der Arbeit des Eratosthenes befassen wollen. Einziger Wermutstropfen ist, dass Stefan Radts mittlerweile grundlegend gewordene Strabonausgabe nicht herangezogen worden ist. Vor dem Hintergrund, dass dieses Werk die meisten Fragmente zu Eratosthenes’ Schriften bereitstellt, gilt es dies anzumahnen.

Anmerkung:
1 Duane W. Roller, Through the Pillars of Herakles: Greco-Roman Exploration of the Atlantic Ocean, New York / London 2006 und ders., Ancient Geography: The Discovery of the World in Classical Greece and Rome, London / New York 20015.

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