E. A. Friedland u.a. (Hrsg.): The Oxford Handbook of Roman Sculpture

Cover
Titel
The Oxford Handbook of Roman Sculpture.


Autor(en)
Gazda, Elaine K.
Herausgeber
Friedland, Elise A.; Gazda, Elaine K.; Sobocinski, Melanie Grunow
Reihe
Oxford Handbooks
Erschienen
Anzahl Seiten
XIV, 713 S.
Preis
$ 175.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lennart Gilhaus, Institut für Geschichtswissenschaft, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Zu den einprägsamsten Überresten der römischen Antike gehören zweifelsohne Skulpturen. So ist es nicht verwunderlich, dass ein Oxford Handbook nun auch der „Roman Sculpture“ gewidmet wurde. Der von Elise A. Friedland und Melanie Grunow Sobocinski zusammen mit Elaine K. Gazda herausgegebene Band enthält auf 713 Seiten insgesamt 41 Beiträge, zahlreiche Abbildungen und einen nützlichen Index. Die einzelnen Beiträge angemessen zu würdigen, würde den Rahmen der Rezension sprengen. Daher sollen nur die Schwerpunkte des Handbuchs dargestellt und reflektiert werden.

Die 41 Beiträge verteilen sich auf sechs Abschnitte. Zunächst gehen fünf Artikel auf den neuzeitlichen und modernen Umgang mit Skulpturen ein (S. 11–89). Neben der Entwicklung der Sammelpraxis in Europa und Amerika und der Restaurierungs- und Konservierungspraktiken wird auch auf gegenwärtige Trends der musealen Präsentation von Statuen eingegangen. Daneben werden die neuen technischen Möglichkeiten des dreidimensionalen Scannens und Modellierens zur Erforschung antiker Statuen thematisiert.
Neuere wissenschaftliche Verfahren werden auch in den mehreren Artikeln des folgenden Abschnitts zur Produktion und Verbreitung von Skulpturen diskutiert (S. 91–205). So werden naturwissenschaftliche Methoden zur Herkunftsbestimmung von Marmor und Bronze beschrieben. Daneben finden sich auch Kapitel zur Wiederverwendung und Umgestaltung von Statuen, zu Terrakotten, zur Bemalung und zum Transport von Skulptur. Technische Aspekte stehen dabei im Vordergrund, die Funktionen der Materialwahl, Farbgestaltung und Wiederverwendung werden hier nur am Rande thematisiert. Man vermisst allerdings einen gesonderten Abschnitt, im dem die Anfertigung und Verbreitung von Skulpturen aus anderen Materialien wie Gold, Silber oder besonderen Steinen behandelt würde, insbesondere da diese Werkstoffe besondere Techniken erforderten und in der Antike besonderes Ansehen genossen.

„Styles and Genres“ stehen im Fokus der folgenden acht Beiträge (S. 207–339). Zunächst bespricht Mark D. Fullerton in einem einführenden Essay die Bedeutung stilistischer Analyse für die römische Skulptur, betont aber auch die Grenzen von Stil als Indikator für die Datierung von Statuen. Verschiedene Stilrichtungen existierten vielmehr nebeneinander und konnten auch kombiniert werden. Der Rückgriff auf griechische, etruskische und archaisierende Traditionen steht daher im Fokus einzelner Essays. Daneben werden auch die stilistischen Entwicklungen in den wichtigsten Genres der Idealplastik, der Porträtkunst und des Großreliefs behandelt. In einem weiteren Essay behandelt Christian Witschel die Produktion und Funktion von Skulpturen in der Spätantike.

Der vierte Teil ist räumlichen und sozialen Kontexten gewidmet und beleuchtet die Rolle von Statuen in der römischen Gesellschaft (S. 341–467). Brenda Longfellow bietet zunächst einen Überblick zu den wichtigsten öffentlichen Aufstellungsräumen, es folgen Beiträge zu Statuen in religiösen, häuslichen und funerären Kontexten. Anschließend werden das Verhältnis zwischen Inschriften und Statuen, Skulpturen als Teil der kaiserlichen Repräsentation, Auftraggeber, die nicht der sozialen Elite angehören, und die Bedeutung von Geschlecht und Sexualität behandelt. Dabei stehen insbesondere das Verhältnis zwischen Auftraggeber, dargestellter Person und sozialer Funktion im Vordergrund.

Die nächsten Essays untersuchen die Aufstellung von Skulpturen in den einzelnen Regionen des Reiches (S. 469–586). Untersucht werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Produktion, Aufstellung und chronologischer Entwicklung in den Nordwestprovinzen, Hispanien und Südgallien, Nordafrika, Griechenland, Kleinasien, Ägypten und im Nahen Osten. Die Donauprovinzen werden nicht gesondert behandelt. Essays zu Rom und Italien selbst hätten diesen Abschnitt noch abrunden können. So hätten das Verhältnis zwischen Zentrum und Peripherie und die unterschiedlichen Entwicklungen in den verschiedenen Teilen des Reichs noch besser herausgearbeitet werden können – zumal Entwicklungen in Rom und Italien anderswo nicht blind übernommen wurden und Trends in den Provinzen auch Rückwirkungen auf das Machtzentrum selbst zeitigen konnten.

Der letzte Teil des Handbuchs ist der Wahrnehmung und Rezeption von Statuen sowie der Interaktion mit ihnen gewidmet (S. 587–680). Dabei untersucht Michael Squire zunächst die römischen literarischen Quellen. Anschließend bietet Jennifer Trimble eine Einführung in die moderne Rezeptionstheorie und ihre Anwendung auf antike Skulptur. Wie sehr Skulpturen als Kunstwerke und Sammlerstücke geschätzt wurden, zeigen die nächsten beiden Essays, in denen „Ancient Analogs of Museums“ und „Images of Statues in Other Media“ thematisiert werden. Den konkreten Umgang mit Statuen behandeln die letzten beiden Essays. Während es im ersten Beitrag eher um den alltäglichen Umgang mit Statuen und ihre Pflege geht, untersucht der letzte Artikel die Zerstörung und mutwillige Beschädigung von Statuen und die Funktionen dieses destruktiven Umgangs.
Das Handbuch behandelt technische, stilistische, soziale, kulturelle, regionale, chronologische, ästhetische und viele weitere Aspekte von Skulpturen in der römischen Welt. Das Handbuch folgt damit einem gegenwärtigen Trend der Forschung, Skulpturen nicht nur als Kunstobjekte zu behandeln, sondern sie vor allem als Produkte der jeweiligen kulturellen Bedingungen zu verstehen und zu analysieren – und zwar nicht nur in ihrer Entstehungszeit, sondern auch im weiteren antiken wie modernen Umgang mit ihnen.1 Das Handbuch bietet zugleich eine gelungene Einführung in die technischen und stilistischen Grundlagen der Erforschung von Skulpturen und reißt auch grundsätzliche Kontroversen an – etwa zur Datierung von Statuen anhand stilistischer Kriterien. Das Handbuch wird in Zukunft den notwendigen Ausgangspunkt für weitere Studien zur römischen Skulptur bilden.

Anmerkungen:
1 Siehe etwa Jane Fejfer, Roman Portraits in Context, Berlin 2008.

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