Cover
Titel
The Jet Sex. Airline Stewardesses and the Making of an American Icon


Autor(en)
Vantoch, Victoria
Erschienen
Anzahl Seiten
296 S.
Preis
$34.95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Anke Ortlepp, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, Universität Kassel

Stewardess werden – das war in den 1950er-Jahren ein amerikanischer Mädchentraum. Mit Pan Am um die Welt fliegen, eigenes Geld verdienen, den Lifestyle eines ‚glamour girls’ genießen. Das waren die wichtigsten Bestandteile dieses Traumes. Seitdem hat sich nicht allein die Berufsbezeichnung von Stewardessen geändert, die zu Flugbegleiterinnen wurden. Auch ihre Arbeitsbedingungen und ihr Image haben in den vergangenen Jahrzehnten einen tiefgreifenden Wandel erfahren. Diesen Wandel von der amerikanischen Ikone zur schlechtbezahlten Servicekraft zeichnet Victoria Vantoch in „The Jet Sex“ nach. Dabei bettet sie ihr Narrativ nicht allein in die Geschlechtergeschichte der Nachkriegsjahrzehnte ein, sondern sie verortet ihre Akteurinnen auch in der Geschichte der amerikanischen Konsumkultur und des Kalten Krieges. Debatten über Vorstellungen von idealer Weiblichkeit seien auf den Körpern und in den Arbeitsplatzbeschreibungen von Flugbegleiterinnen ausgetragen worden, argumentiert Vantoch. Dabei sei es jedoch nicht allein um die Wirkmächtigkeit dieser Ideale in einem nationalen politischen und kulturellen Zusammenhang gegangen. Vielmehr seien Flugbegleiterinnen zu internationalen Botschafterinnen des ‚American Way of Life’ stilisiert worden, die mit ihrem Aussehen und ihrem Verhalten einer um globale Vorherrschaft ringenden freiheitlich kapitalistischen Konsumgesellschaft körperliche Gestalt verliehen hätten. Vor diesem Hintergrund waren weder ethnische Zugehörigkeit noch gesellschaftliche Schicht oder Bildungsstand zufällige Merkmale der Frauen, die über die Jahrzehnte den Berufsstand ausmachten. Dem sich wandelnden Zusammenspiel von ‚gender’, ‚class’, ‚race’ und ‚beauty’ bei der Konstruktion der amerikanischen Ikone Flugbegleiterin und ihrer Entzauberung widmet sich Vantoch in insgesamt sieben Kapiteln.

Dabei liefern die ersten beiden Kapitel einen Einstieg ins Thema. Im ersten Kapitel skizziert die Autorin die Entstehung des Berufs der Flugbegleiterin. Angeregt durch die approbierte Krankenschwester Ellen Church, die 1930 mit sieben Kolleginnen bei United Airlines anheuerte, stellten bald auch alle anderen Fluggesellschaften vornehmlich weibliche Kräfte als Kabinenpersonal ein. Einer wohlhabenden, männlichen Klientel vorbehalten, entwickelte sich die zivile Passagierluftfahrt zu einem schnell expandierenden Markt. Diese Tendenz setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg ebenso fort wie die Feminisierung des Flugpersonals, von der (natürlich) der Kapitänsberuf ausgenommen blieb. Wie Vantoch im zweiten Kapitel zeigt, stellte die Berufstätigkeit von Stewardessen keine Infragestellung konservativer Geschlechterideale dar, zu denen die amerikanische Gesellschaft im ersten Nachkriegsjahrzehnt zurückkehrte. Vielmehr wurde auch die Flugkabine zum wichtigen Ort für Inszenierungen von Weiblichkeit umfunktioniert und glich damit den überall aus dem Boden sprießenden Vorstädten. Im Flieger, so die PR-Abteilungen der Fluggesellschaften, erfanden junge, gutaussehende Frauen aus der amerikanischen Mittelschicht die Häuslichkeit neu, indem sie sich wie Hausfrauen einfühlsam und aufopferungsvoll um die Flugreisenden kümmerten. Ihre dauerhafte Unabhängigkeit war nicht zu befürchten: Beschäftigungsverhältnisse endeten automatisch bei Heirat, Schwangerschaft oder dem Erreichen des 31. Lebensjahres. Trotz dieser Rahmenbedingungen, so zeigt Vantoch, entschieden sich hunderttausende junge Frauen für eine Berufstätigkeit als Flugbegleiterinnen, aus Neugier, Abenteuerlust, dem Wunsch nach Selbstständigkeit und um die Zeit zwischen Collegeabschluss und Eheschließung mit einer gut bezahlten Tätigkeit zu überbrücken.

Während diese beiden Kapitel auch viel Bekanntes rekapitulieren, leisten die folgenden drei wichtige neue Beiträge zur Geschichte der Flugbegleiterinnen. So befasst sich Kapitel drei mit afroamerikanischen Anwärterinnen auf den Stewardessenberuf. Auch junge, gut situierte Afroamerikanerinnen wie Patricia Banks, die im Zentrum dieses Kapitels steht, träumten den Traum von der weiten Welt. Sie wurden zwar zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, eingestellt wurde aber bis 1957 keine. Afroamerikanerinnen entsprachen schlicht nicht den Schönheitsidealen, die in den Personalabteilungen der Fluggesellschaften als normativ gesetzt wurden. Vantoch erkennt hierin eine Form von rassistisch motivierter Benachteiligung, die auch in anderen Berufsfeldern zur Diskriminierung afroamerikanischer Erwerbstätiger führte. Sie zeigt, wie Banks und einige andere Frauen mit Unterstützung verschiedener Bürgerrechtsorganisationen auf dem Rechtsweg für ihre Inklusion kämpften. Auch wenn diese Bemühungen in Einzelfällen zu Erfolgen führten und Patricia Banks schließlich für Capital Airlines flog, blieb der Beruf der Flugbegleiterinnen eine vornehmlich von weißen Frauen ausgeübte Beschäftigung. Vantoch erkennt dennoch eine weiterreichende Bedeutung dieser Erfolge: mit ihrer Anerkennung als berufstaugliche Jobanwärterinnen und ihrer Einstellung als Stewardessen erweiterten Afroamerikanerinnen akzeptierte Vorstellungen amerikanischer Weiblichkeit. Zugleich akzeptierten sie – wenig überraschend, wie auch Vantoch findet – einen Weiblichkeitsentwurf, der sich an konservativen, mittelständischen Idealen orientierte.

Kapitel vier verfolgt die Weiterentwicklung der Flugbegleiterin zur Kulturbotschafterin in den 1960er-Jahren. Im Zeitalter des Düsenflugzeugs verkörperte die ‚jet stewardess’ die Errungenschaften des Wirtschaftswunders der Nachkriegszeit: Überfluss, Freiheit, Konsum und – damals neu – Glamour. Damit repräsentierte sie, so Vantoch, „a particular version of the nation itself“ (S. 119). Im Kampf der USA und der UdSSR um die globale Vormachtstellung während des Kalten Krieges kam ihr deshalb eine wichtige Funktion zu. In Designeruniformen gehüllte und dank gnadenloser Stylingvorschriften perfekt gepflegte Körper flogen um die Welt als Aushängeschilder amerikanischen kulturellen und technologischen Überlegenheitsgefühls. Vantoch beschreitet völliges Neuland, wenn sie diesen Weiblichkeitsentwurf in Kapitel fünf mit dem sowjetischen Pendant vergleicht. Dieses Kapitel basiert auf bislang wenig beachteten russischen Archivmaterialien zur Geschichte der sowjetischen zivilen Luftfahrt sowie Interviews mit ehemaligen Aeroflot Flugbegleiterinnen. Diese Frauen sahen sich und wurden gesehen als Service- und Sicherheitspersonal, das ähnlich zupackend und ideologisch linientreu agierte, wie ihre Zeitgenossinnen in vielen anderen, geschlechterintegrierten Beschäftigungsfeldern dies taten. Amerikanische Beobachter, die kaum sowjetische Stewardessen zu Gesicht bekamen, diagnostizierten einen Mangel an Glamour und sprachen – infiziert von ‚red’ und ‚lavender scare’ – allen sowjetischen Frauen ihre Weiblichkeit schlichtweg ab. Als völlig überrascht beschreibt Vantoch so auch die Reaktionen derer, die beim ersten Zusammentreffen amerikanischer und sowjetischer Flugbegleiterinnen am John F. Kennedy Flughafen anlässlich der Einweihung der Flugstrecke New York-Moskau 1968 zugegen waren. Purser Natasha Arutyunova und ihre Kolleginnen erwiesen sich als erstaunlich exporttaugliche Exemplare sowjetischer Weiblichkeit, die im Kampf der Kulturen auf Augenhöhe antraten.

In Kapitel sechs betrachtet Vantoch die ab Mitte der 1960er-Jahre einsetzende zunehmende Sexualisierung der amerikanischen Flugbegleiterin, die sich in Imagekampagnen und materieller Kultur niederschlug. Damit greift sie einen vielfach thematisierten Zusammenhang auf, ohne den das Buch allerdings eine Leerstelle aufwiese. Deshalb hat es eher kursorischen Charakter, geht aber auf alle wichtigen Aspekte wie aufreizende Kleidung, Lockerung der Styling-Richtlinien und sexistische Werbekampagnen wie zum Beispiel die „Fly-Me“-Kampagne von National Airlines ein. Spannender ist das abschließende Kapitel, in dem die Verfasserin über die Herausbildung eines feministischen Bewusstseins bei Vertreterinnen einer Berufsgruppe nachdenkt, deren Image und Alltag stets normative, wenig fortschrittliche Weiblichkeitsentwürfe reflektierte. Hier knüpft sie an die Arbeiten von Kathleen Barry an, wenn sie sich mit arbeitsrechtlichen Fragen befasst und nachzeichnet, wie Gewerkschaften und Einzelpersonen (vor allem auf dem Rechtsweg) gegen Formen struktureller Diskriminierung des weiblichen Kabinenpersonals amerikanischer Fluggesellschaften vorgingen. Vantoch kommt zu dem einleuchtenden Schluss, dass sich Flugbegleiterinnen seit Ende der 1960er-Jahre erfolgreich gegen traditionelle Geschlechterrollen wehrten und damit einen wichtigen, bislang unterschätzten Beitrag zur amerikanischen Frauenbewegung leisteten.

„The Jet Sex“ ist eine vergnügliche Lektüre. Immer wieder stellt Vantoch einzelne Akteurinnen in den Vordergrund; Flugbegleiterinnen, die sie interviewt hat und deren Schicksale ihrer Erzählung Dynamik verleihen. Die Betrachtung ist quellengesättigt und gut geschrieben. Auch wenn die Anlage der Kapitel etwas ungleichgewichtig ist und nicht alle Einschätzungen zutreffen – in meiner Einschätzung waren Flugkabinen keine grundsätzlich rassengetrennten Räume – so schmälert dies nicht die Relevanz dieses Werkes. Dies ist ein empfehlenswertes Buch, nicht nur für Fans der Geschichte der kommerziellen Passagierluftfahrt und der amerikanischen Geschlechtergeschichte.

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