Smith, Stephen A. (Hrsg.): The Oxford Handbook of the History of Communism. . Oxford 2014 : Oxford University Press, ISBN 978-0-19-960205-6 672 S. € 139,67

: Secret Cables of the Comintern. 1933–1943. New Haven 2014 : Yale University Press, ISBN 978-0-300-19822-5 xi, 306 S. € 31,51

Weber, Hermann; Drabkin, Yakov; Bayerlein, Bernhard H.; Galkin, Aleksandr (Hrsg.): Deutschland, Russland, Komintern. I. Überblick, Analysen, Diskussionen. Berlin 2014 : de Gruyter, ISBN 978-3-11-030098-7 477 S. € 39,95

Weber, Hermann; Drabkin, Yakov; Bayerlein, Bernhard H. (Hrsg.): Deutschland, Russland, Komintern. II. Dokumente (1918–1943). 2 Teilbände. Berlin 2015 : de Gruyter, ISBN 978-3-11-033976-5 1840 S. € 159,95

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Reiner Tosstorff, Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Der Epochenbruch von 1989/90, die Implosion des "sozialistischen Lagers" und damit das Ende eines globalen historischen Modells, hatte auch eine "Archivrevolution" mit einem weitgehenden Zugang zu einer kaum überschaubaren Masse an Dokumenten zur Folge, deren Einsichtnahme zuvor keiner erwartet hatte. Aber damit eröffnet sich nun die Möglichkeit zu einer "Historisierung" des Kommunismus. Angesichts der Breite des zugänglichen Materials ist es nicht verwunderlich, dass das Gros der Kommunismusforschung in kleinteiligen Untersuchungen besteht, die inzwischen aber zunehmend durch transnationale und komparative Aspekte ergänzt werden. Sogar erste Versuche zu einer globalen Darstellung auf dieser neuen Basis liegen vor.1

Solche umfassende Analysen müssen aber immer berücksichtigen, dass ihr Gegenstand eigentlich in zwei Bereiche zerfällt, auch wenn deren wechselseitige Beziehungen erfasst werden müssen: Zum einen die Bewegungsgeschichte, die ihren Ausgangspunkt in der Geschichte der Arbeiterbewegung bzw. ganz allgemein der sozialen Bewegungen hat, zum anderen die Herrschaftsgeschichte des staatlichen Ordnungssystems "Kommunismus". Hier soll es nun primär um dieses erste Gebiet gehen, die Entwicklung der kommunistischen Parteien und ihres Zusammenschlusses in Gestalt der Kommunistischen Internationale (Komintern).

Ein besonders ambitioniertes Unterfangen ist zweifellos das Handbuch der renommierten Oxford University Press zur Geschichte des Kommunismus. Diese Veröffentlichung ist Teil einer Reihe von Handbüchern, die, laut Selbstdarstellung des Verlags, die führenden Wissenschaftler auf einem Gebiet zusammenbringen sollen, um den Stand der Forschung zu rekapitulieren und deren zukünftige Richtung zu weisen. Schon der Name des Herausgebers, Stephen A. Smith, zeigt mit seinen breiten Untersuchungen zur Geschichte der russischen und chinesischen Revolution an, dass es hier tatsächlich um ein globales Verständnis der Geschichte des Kommunismus geht, wie er es auch in seiner Einleitung darlegt. Darin skizziert er, wie sich nach 1989 entsprechende Ansätze entwickelten – in Forschungsprojekten, Zeitschriften und vor allem Online-Quellensammlungen und Datenbanken – um dann eine knappe Zusammenfassung der Entwicklung der Revolutionen im Namen des Kommunismus seit 1917 zu geben und anschließend einen Blick auf Formen kommunistischer Politik, Ökonomie und Kultur zu werfen. Ausdrücklich betont er dabei aber auch, dass alle Erscheinungsformen des Kommunismus nicht von den äußeren Bedingungen losgelöst, sondern kontextualisiert im "Zeitalter der Katastrophen" von Faschismus, Kolonialismus und Krieg zu sehen sind. Das wird aufgrund des zur Verfügung stehenden Umfangs in den einzelnen Beiträgen allenfalls angedeutet, muss aber immer mitgedacht werden.

In insgesamt 35 Beiträgen von zusammen 38 Autorinnen und Autoren, alle ausgewiesen auf ihren Gebieten, folgt dann der globale Überblick, wobei die Beiträge zu thematischen Blöcken zusammengefasst sind. Auf "Ideologie", was den Blick auf fünf zentrale "Schulen bildende" Persönlichkeiten bedeutet (Marx / Engels, Lenin, Stalin, Mao), folgen "globale Momente". Sie stellen einen intelligenten Ersatz für eine reine Chronologie dar, indem einzelne Jahre als Dreh- und Angelpunkte oder auch als Ausgangspunkte für den historischen Ablauf genommen werden: 1919 als Jahr der Kominterngründung und der revolutionären Nachkriegskämpfe, 1936 als das Jahr der Volksfronten, 1956 für die Entstalinisierung wie die Arbeiteraufstände gegen den Kommunismus, 1968 als das Jahr der Revolten wie der Niederschlagung des Prager Frühlings und schließlich 1989 für den Zusammenbruch. In einem dritten Teil werden konkrete historische Elemente des Kommunismus dargestellt. Das reicht von der Komintern bis zu einzelnen "Großräumen" wie Osteuropa, China, Südostasien, Lateinamerika, die islamische Welt und Afrika. Dem folgt eine Gruppe von Beiträgen zu den wesentlichen Zügen von Staats- und Wirtschaftssystem, um dann den sozialen Beziehungen (nicht nur mit Blick auf die Arbeiterschaft, sondern auch auf die Bauernschaft oder den Platz der Frauen) und abschließend dem ganzen Bereich der Kultur nachzugehen.

Angesichts dieser Fülle wäre es vermessen, jetzt einen einzelnen Beitrag hervorzuheben, denn das entspräche doch nur einem speziellen Interesse. Alle Beiträge sind ungefähr gleich lang, zwischen 15 und 20 Seiten, verfügen gelegentlich über einen Anmerkungsapparat, aber enthalten in jedem Fall eine Bibliographie wichtiger Werke zum Thema, zumeist auf Englisch. Im Großen und Ganzen ist die thematische Breite des Gegenstandes abgeschritten, wenn auch der Beitrag zu den Arbeitern angesichts der zentralen Rolle der "Arbeiterklasse" im kommunistischen Verständnis doch etwas kurz ist. Da vermisst man auch Hinweise auf die großen Arbeiteraufstände in Vorkuta 1953 (auch Zwangsarbeiter sind Proletarier) und Pilsen 1953, wie man schon den Gulag im Index vermisst, der ja auch eine ökonomische Funktion über das soziale und politische "Disziplinierungsinstrument" hinaus hatte.

Auf verallgemeinernde Schlussfolgerungen hat der Herausgeber über einige Hinweise in seiner Einleitung hinaus verzichtet. Doch hätte man sich auch einen Beitrag vorstellen können, der versucht, diese Epoche des Kommunismus, auch wenn sie formal in einer Reihe Länder noch nicht abgeschlossen ist, in den Gesamtzusammenhang der Entwicklung des 20. Jahrhunderts einzuordnen. Dies gilt insbesondere für das Paradoxon, dass der Kommunismus angetreten war, den Kapitalismus weltweit zu ersetzen, doch tatsächlich und auch vielfach gestützt auf andere soziale Klassen als die Lohnarbeiterschaft, vor allem Bauern, seine größten Auswirkungen in einer Art nachholendem "nation- und state-building" in vielen Gebieten der Welt hatte, in denen die Industrialisierung allenfalls ansatzweise verwirklicht war. Diese setzten die kommunistischen Parteien dann durch, aber schafften es nicht, dabei ein stabiles, in sich selbst ruhendes System zu verwirklichen. Zweifellos ist das Handbuch bei aller möglichen Einzelkritik, doch mit Blick auf seine Pionierleistung und auf die jedes Mal existierenden Schwierigkeiten eines solch weit ausholenden Unterfangens, ein gelungenes Werk, das den Forschungsstand breit rezipiert und eine solide Basis für zukünftige Detailuntersuchungen bietet. Bedenkenswert sind seine Bemerkungen zur Bedeutung Ostasiens in einer globalen Geschichte des Kommunismus, die vielleicht einmal als gewichtiger als die etwa Russlands wahrgenommen werden wird.

Verklammert dieses Handbuch mit seinem umfassenden Anspruch Herrschafts- wie Bewegungsgeschichte, so richtet die vorliegende Dokumentenedition von Hermann Weber, Jakov Drabkin und Bernhard Bayerlein den Blick auf die Kommunistische Partei Deutschlands und ihre Einbindung in die Kommunistische Internationale. Sie ist ein Ergebnis der deutsch-russischen Historikerkommission2, deren Projekte nicht nur das staatliche Wechselverhältnis untersuchen, sondern eben auch den Einfluss der Komintern auf Deutschland in den Blick nehmen in der richtigen Erkenntnis, dass sie mit Sitz in Moskau zwar als eine Art internationale Partei begonnen hatte, aber sehr bald zu einem mit der Außenpolitik des sowjetischen Staats verflochtenem Instrument wurde.

Neben einer bereits erschienen Monographie, die die Schlüsselperiode zur Zeit der Weltwirtschaftskrise untersuchte und damit auch einen Beitrag zur Geschichte der Hitlerschen Machteroberung leistete3, liegt das Hauptaugenmerk dieser Edition auf dem Einfluss der Komintern auf die deutsch-russischen Beziehungen, das heißt auf der Entwicklung der KPD durch Vorgaben aus Moskau. Studien zu einzelnen Aspekten dieser Beziehungen, basierend auf den Quellen der Edition, liegen bereits vor.4

Diese Edition liefert nun einen Gesamtüberblick von der unmittelbaren Vorgeschichte der Gründung der KPD bis zur Auflösung der Komintern im Frühjahr 1943 mit mehr als fünfhundert Dokumenten, darunter fast 300 Erstveröffentlichungen. Sie entstammen überwiegend dem ehemaligen Archiv der Komintern, was nach deren Auflösung 1943 vom sowjetischen Parteiarchiv übernommen wurde und heute ein staatliches Archiv Russlands ist. Andere Dokumente entstammen dem historischen Archiv der KPD, das das SED-Archiv übernommen hatte und darüber zum Bundesarchiv gelangte.

Der mit mehr als 1700 Seiten in zwei Teilbänden überaus umfangreichen Quellenedition ist ein Einführungsband vorangestellt, in dem die vier Herausgeber (auf deutscher Seite der jüngst verstorbene KPD- und DDR-Forscher Hermann Weber sowie Bernhard Bayerlein, zugleich Hauptbearbeiter der Edition, und auf russischer Seite Jakov Drabkin und Aleksandr Galkin, die als Historiker an der Akademie der Wissenschaften zahlreiche Arbeiten zur deutschen Geschichte, vor allem zur Weimarer Republik, veröffentlicht hatten) neue Erkenntnisse auf der hier veröffentlichten Dokumentenbasis präsentieren: Weber anhand von Schlüsselproblemen der KPD-Geschichte, Drabkin mit einem stärkeren Blick auf die globale Entwicklung der Komintern als Verkörperung der sich dann schnell in sowjetisches Staatsinteresse transformierenden "Idee der Weltrevolution" (wozu er auch bereits eine Dokumentensammlung auf Russisch mit herausgegeben hatte), Bayerlein mit dem Fokus auf die Probleme der dreißiger Jahre, während Galkin dagegen einen noch stark von der sowjetischen Historiographie beeinflussten globalen Überblick über die Geschichte der Arbeiterbewegung als Voraussetzung für KPD wie Komintern liefert. Somit stellt dieser durch ein Personenregister erschlossene Kommentarband bereits eine hilfreiche Einführung in die in den Dokumenten aufgeworfenen Probleme der KPD-Entwicklung dar.

Doch auch ohne diese Hilfestellung, die sich naturgemäß auf besonders herausragende Einzelheiten bezieht, sie aber dann auch in einen "erzählten" Kontext stellt, sind die Dokumente durch die aufwändige Arbeit von Bayerlein und seinem Mitarbeiter Gleb Albert durch einen Anmerkungsapparat außerordentlich gut erschlossen. Wie bei jeder Quellenedition geht dieser notwendigerweise in die Einzelheiten und stellt damit sicherlich keine einfache Lektüre dar, um sich den Gesamtzusammenhang einer Entwicklung zu vergegenwärtigen.

Alle Texte verfügen über eine einleitende Notiz, die den Archivfundort und eventuelle frühere Veröffentlichungen angeben. Das sind vor allem einige russische Quellenpublikationen seit den neunziger Jahren, die allerdings weitgehend auf mehr als nur minimale Erläuterungen und kurze Einleitungen verzichteten. Hier nun finden sich ausführliche Sach- und biographische Anmerkungen, für die die Bearbeiter nicht nur die umfangreiche Forschungsliteratur heranzogen, sondern auch nicht aufgenommene Archivdokumente. Ein Glanzpunkt der Editionsarbeit ist, dass vielfach zu den ja auf das Wechselverhältnis zwischen Komintern und KPD ausgerichteten Dokumenten ergänzend die sowjetische Führungsebene – das heißt das Politbüro mit seinen Beschlüssen – herangezogen ist, worin sich dann oft auch die Konsequenzen für das staatliche Handeln niederschlagen. Hierzu sind den jeweiligen Texten mit einem Kreml-Symbol gekennzeichnete Ergänzungen angefügt. Dass auch in diesem Teil ausführliche Register enthalten sind, versteht sich fast schon von selbst.

Angesichts der angesprochenen breiten Entwicklungen ist es kaum möglich, einzelne Episoden aus der Parteigeschichte besonders hervorzuheben, da eigentlich zu jedem Fall interessante und bis dahin kaum bekannte oder zumindest nicht belegbare Interna enthüllt werden. Aufgrund des Charakters dieser Dokumente, zumeist Briefe zwischen Deutschland und Moskau oder direkte Anweisungen aus Moskau, geraten vor allem die Führungsebene der KPD, die politische Linie und die innerorganisatorischen Machtkämpfe der Partei in den Blick. Ihre Basis oder gar größere soziale Bewegungen – z. B. bestimmte Streiks –, auf welche die Partei aufbauen und auf die sie mal mit zutreffendem, zumeist aber eher mit unpassendem Auftreten Einfluss gewinnen wollte, treten dadurch zwangsläufig zurück. Ein solcher Blick "von oben" ist unvermeidbar, doch schmälert das angesichts der Fülle der neuen Informationen nichts am historiographischen Gewinn. Das Bild der Partei wird dadurch eher noch düsterer, wie vor allem in dem Einleitungsband an zahlreichen Schlüsselproblemen – besonders herausragend dabei natürlich die ganze Bewältigung der Ereignisse im Jahre 1933 – aufgezeigt und mit den Mythen früherer offizieller Parteihistoriographie konfrontiert wird. Für eine umfassendere Analyse wird man dann sicher auch noch stärker in die Tiefe der Partei durch den direkten Blick auf die Mitgliedschaft und den sozialen Kontext, in dem sie stand, gehen müssen. Doch das stellt die Bedeutung dieser Edition nicht in Frage, an der nicht nur die direkte Geschichtsschreibung der KPD oder der Arbeiterbewegung, sondern aufgrund der Wechselwirkungen auch die allgemeine Historiographie Deutschlands zu jenen Jahrzehnten zukünftig nicht vorbeigehen kann. Sie wird zweifellos wichtige Impulse für die Forschung liefern. Ein besonderer Clou dieser Edition ist es zudem, dass die gedruckte, aufgrund des Preises vor allem für wissenschaftliche Bibliotheken in Frage kommende Fassung erfreulicherweise Hand in Hand mit einer – über die Verlags-Website zugängliche – open-access Version kommt, womit jedem Interessierten das gesamte Werk der direkten Lektüre und Auswertung zur problemlosen Verfügung gestellt ist.

Auch das letzte zu besprechende Werk interessiert sich für die Geschichte der Bewegung und nimmt die Steuerung des internationalen Kommunismus durch per Funk übermittelte chiffrierte Telegramme aus Moskau in den Blick. Der heute in den USA lebende Hauptautor dieses Werks, Fridrich Firsov, hatte schon lange in sowjetischen Zeiten als einer der wenigen Mitarbeiter am Moskauer Institut für Marxismus-Leninismus Einblicke in Archivdokumente der Komintern nehmen können, was ihm aber keineswegs erlaubte, all die Erkenntnisse daraus auch zu publizieren. Dies wurde erst mit der "Archivrevolution" ab 1991 möglich. In der Folgezeit war er an einer Reihe von Dokumentationen und Forschungsprojekten zur Komintern beteiligt und erarbeitete dann auf der Grundlage seiner Forschungen über die geheimen Anweisungen der Komintern an ihre Mitgliedsparteien eine umfangreiche Monographie. Sie erschien zuerst auf Russisch5 und liegt nun in einer bearbeiteten Ausgabe auf Englisch vor, an deren Redaktion Harvey Klehr und John Earl Haynes mitgewirkt haben, so dass sie hier als Mitautoren auftreten. Klehr und Haynes haben sich einen Namen durch die Bearbeitung und Erschließung der Komintern-Dokumente zur Kommunistischen Partei der USA gemacht, was sie – neben den "traditionellen" Formen politischer Aktivitäten – auch in den Untergrund der sowjetischen Spionageaktivitäten gegen die USA geführt hat.6

Der Zusammenhang zwischen Politik und "nicht-traditionellen" Formen der Verbindungsarbeit zwischen Moskauer Zentrum und nationalen Sektionen ergab sich schon daraus, dass die kommunistischen Parteien vielfach verboten oder, wenn nicht, dann doch zumindest Objekt nachrichtendienstlicher Überwachung waren. Entsprechend konspirativ verhielt man sich, was auch direkt in die Organisationsprinzipien der Kommunistischen Internationale hineingeschrieben wurde. Die Komintern baute ein Übermittlungssystem von Anweisungen mittels chiffrierter Telegramme auf, was die Zusammenarbeit mit dem sowjetischen Geheimdienst nahelegte. Zwar gab es formal eine Trennung, faktisch aber einen Austausch. Oft waren die Verschlüsselungen vor allem zu Beginn nicht allzu anspruchsvoll. Auch das System der Decknamen und Tarnbezeichnungen, was zusätzlich verwendet wurde, war nicht allzu kompliziert. Der britische Geheimdienst konnte über eine Reihe von Jahren diese Telegramme (weitgehend) entschlüsseln, so dass man diese im britischen Nationalarchiv ebenfalls nachlesen kann. (Der britische Geheimdienst gab sie allerdings auch erst vor einigen Jahren frei, während die Originale in Moskau noch immer weitgehend unzugänglich sind.)

Diese Verbindungstechnik wird zu Anfang ausführlich dargestellt, um dann in einem zweiten Schritt die materielle Abhängigkeit der kommunistischen Parteien, das System der Subsidien aus Moskau, zu schildern. Den Hauptteil machen dann allerdings die konkreten Auswirkungen der geheimen Anweisungen aus, wie sie sich in den dreißiger Jahren darstellten. Es geht um die Instruktionen, mit denen in der französischen KP die Volksfrontpolitik durchgesetzt und dann in ihren taktischen Schritten gesteuert wurde. Diese Politik hatte in Spanien ab 1934 allerdings ihre größte Bedeutung, aber, was in Europa leicht vergessen wird, sie war für die UdSSR genauso wichtig in China. Weitere Abschnitte behandeln die Auswirkungen des – euphemistisch "Säuberungen" genannten – stalinistischen Terrors (vor allem die Kampagnen für die Rechtfertigung der Moskauer Schauprozesse und die "Entlarvungen" von Abweichlern in einzelnen Parteien) und dann ab 1939 die Folgen des Weltkriegs: Zuerst die Rechtfertigung und Unterstützung des Hitler-Stalin-Paktes und ab Juni 1941 die "patriotische" Wendung zur Unterstützung der alliierten Kriegsseite. Den Abschluss bildet die Auflösung der Komintern durch Stalin als Zugeständnis an die Alliierten.

Die Schlüsselprobleme des europäischen (und zum Teil auch des chinesischen) Kommunismus in jenen Jahren tauchen so auf. Die Hintergründe für die Initiativen der Parteien, die in der Öffentlichkeit oftmals als überraschende Wendungen auftauchten, werden deutlich als Folge von Instruktionen aus Moskau. Es bestätigt sich so wieder einmal, dass die Komintern nur eine Hilfsfunktion hatte. Gefragt wurde sie vor den Entscheidungen nie, am deutlichsten beim Hitler-Stalin-Pakt erkennbar, bedeutete dieser doch einen Bruch mit der jahrelang zuvor eifrig verfolgten Linie der "antifaschistischen Volksfront".

Für die amerikanische Ausgabe ist das Buch deutlich gestrafft worden, vor allem in den beiden ersten Abschnitten zu den Verbindungswegen und der Finanzierung der Parteien. Aber auch viele Einzelheiten aus den Instruktionen für die Parteien fielen so leider weg, die der Interessierte sich nun aus der russischen Ausgabe heraussuchen muss. Dafür haben die beiden amerikanischen Mitautoren einen stärkeren Akzent auf die Umsetzung der Moskauer Anweisungen eingebracht. Da es hier um eine Kommunikationstechnik geht, die in den ersten Jahren der Existenz der Komintern noch nicht verwandt wurde, stehen zwangsläufig die Jahre des Hochstalinismus im Mittelpunkt. Das ist der – unvermeidliche – Unterschied gegenüber der zuvor besprochenen Quellensammlung, die die Entwicklung der kommunistischen Partei aus der Radikalisierung der Arbeiterbewegung im Anschluss an den Ersten Weltkrieg mit einschloss. Sie beleuchtete damit auch die Schwierigkeiten der Transformation der Bewegung und der dabei auftauchenden Brüche hin zu einem nahezu hundertprozentig gefolgsamen Instrument der sowjetischen Außenpolitik. Doch davon abgesehen bereichern quellengestützt beide Werke entscheidend und durchaus ergänzend unser Wissen von der Geschichte des internationalen Kommunismus, der sie zahlreiche bisher unbekannte Einzelheiten hinzufügen. Für thematisch daran anschließende Forschungen werden sie zweifellos unverzichtbar sein.

Anmerkungen:
1 Zum Beispiel Michel Dreyfus (Hrsg.), Le siècle des communismes, erw. Ausgabe, Paris 2004; David Priestland, Weltgeschichte des Kommunismus. Von der Französischen Revolution bis heute, München 2009; Archie Brown, Aufstieg und Fall des Kommunismus, Berlin 2009.
2 Gemeinsame Kommission für die Erforschung der jüngeren Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen: <http://www.deutsch-russische-geschichtskommission.de/> (08.10.2015).
3 Vgl. Bert Hoppe, "In Stalins Gefolgschaft". Moskau und die KPD 1928–1933, München 2007.
4 Hermann Weber / Bernhard H. Bayerlein (Hrsg.), Der Thälmann-Skandal. Geheime Korrespondenzen mit Stalin, Berlin 2003; Bernhard H. Bayerlein u.a. (Hrsg.), Deutscher Oktober 1923. Ein Revolutionsplan und sein Scheitern, Berlin 2003; Bernhard H. Bayerlein u.a. (Hrsg.), "Der Verräter, Stalin, bist Du!" Vom Ende der linken Solidarität. Komintern und kommunistische Parteien im Zweiten Weltkrieg 1939–1941, Berlin 2008.
Ein Überblick über diesen Komintern-Schwerpunkt und seine verschiedenen Teilprojekte bei Bernhard H. Bayerlein, Die Komintern und ihre Bedeutung für die deutsch-russischen Beziehungen, in: Mitteilungen der Gemeinsamen Kommission für die Erforschung der jüngeren Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen 2 (2005), S. 106–119.
5 Fridrich Firsov, Sekretnye kody istorii Kominterna, 1919–1943, Moskau 2007.
6 Von ihren zahlreichen Publikationen seien hervorgehoben (zusammen mit Kirill Anderson): The Secret World of American Communism, New Haven 1995; The Soviet World of American Communism, New Haven 1998. Eine Summe der Forschungen zur KPUSA findet sich in: Harvey Klehr, The Communist Experience in America. A Political and Social History, New Brunswick 2010.

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