W. Blösel: Die römische Republik

Cover
Titel
Die römische Republik. Forum und Expansion


Autor(en)
Blösel, Wolfgang
Reihe
Geschichte der Antike
Erschienen
München 2015: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
304 S., 8 Abb., 10 Karten
Preis
€ 16,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dirk Wiegandt, Historisches Seminar, Goethe-Universität Frankfurt am Main

In der neuen Reihe „Geschichte der Antike“ des C.H. Beck Verlags, die einem breiteren Publikum eine Einführung in die Großepochen der Alten Geschichte geben will, widmet sich Wolfgang Blösel der römischen Republik, zu der Beck bereits einen kürzeren Überblick von Martin Jehne und einen ausführlicheren von Klaus Bringmann publiziert hat.1 Blösel gelingt es aber, innerhalb einer weithin traditionellen, sehr ereignisgeschichtlich orientierten Erzählung neue Deutungen für den Aufstieg und Fall der Republik zu präsentieren, die auf seinen Spezialstudien beruhen und neueste Literatur mit einbeziehen.

In neun chronologisch aufgebauten und vom Umfang her ausgewogenen Kapiteln spannt Blösel den weiten Bogen von den dunklen Ursprüngen in der Königszeit bis zur Neuregelung der Republik durch Octavian im Jahre 27 v.Chr. Abgerundet wird das Buch durch einen knappen Anmerkungsapparat, eine sehr detaillierte Zeittafel, einen gut selektierten und kommentierten Literaturüberblick sowie ein Personen- und Ortsregister.

Die seiner Meinung nach ausschlaggebenden Faktoren der historischen Entwicklungen, denen auch der etwas sperrige Untertitel mit dem ungleichen Begriffspaar „Forum und Expansion“ geschuldet ist, legt Blösel in der kurzen Einführung (S. 11–18) dar: im Inneren eine Nobilität, die sich ab dem 2. Jahrhundert spezialisiert, dabei demilitarisiert und auf das zivile Zentrum der Republik ausrichtet, was Blösel mit Statistiken aus seinen Studien belegt (etwa S. 214); im außenpolitischen Bereich das rapide Ausgreifen Roms und zuletzt der stetig wachsende Einfluss der wenigen fähigen Feldherren in beiden Sphären. Diese zentralen Elemente durchdringen die gesamte Darstellung und werden immer wieder auch expliziert (besonders die Hauptthese der Demilitarisierung, so S. 152–154).

Den Motor der außergewöhnlich dynamischen Expansion Roms sieht Blösel in der Spitzengruppe der Aristokratie, der patrizisch-plebejischen Nobilität, aus der man nur durch militärischen Ruhm herausragen konnte. Gestützt auf die Ressourcen eines Bundesgenossensystems und ein gestuftes Bürgerrecht konnten die Magistrate in ihren kurzen Amtszeiten immer neue Armeen rekrutieren und Anlässe finden, um sich auszuzeichnen. Dabei distanziert sich Blösel von Harris, dessen Sicht eines imperialistischen und aggressiven Roms er für zu weitgehend hält (besonders S. 139).2 Zwar attestiert er Rom ein starkes wirtschaftliches Interesse im Westen des Mittelmeers während der ersten Römisch-Punischen Kriege (S. 97), aber für den Osten und Nordafrika folgt er eher der schon von Mommsen und neuerdings mit politiktheoretischer Akzentuierung von Eckstein vertretenen These, dass Rom in diese Bereiche im zweiten Jahrhundert hineingezogen worden sei und eine indirekte Herrschaft nicht ausgereicht habe (S. 139).3

Parallel zu diesem eher unfreiwilligen Ausgreifen sieht Blösel in dieser Zeit auch einen Zerfall der bis dahin homogenen Führungsschicht: Weniger sei die griechische Kultur ursächlich, mit der Rom seit Ende des dritten Jahrhunderts verstärkt in Kontakt kam, als der ungeheure Reichtum, der aus dem Osten nach Rom floss und zu vergeblichen Bemühungen führte, durch gesetzliche Regelungen die massiven Vermögensunterschiede zu nivellieren. Damals verschoben sich seiner Meinung nach die Konkurrenzfelder der Aristokratie in den zivilen Bereich (S. 154), und diese Demilitarisierung habe immer häufigere militärische Desaster nach sich gezogen. Er bescheinigt den Senatoren „tiefgreifende Defizite bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben“ (S. 149), die das Vertrauen in die alten Strukturen nachhaltig erschüttert und später die Loyalitätsverschiebungen der Soldaten hin zu den Feldherren erleichtert hätten.

Auch widerspricht Blösel dezidiert der alten These, die römische Republik mit ihrer stadtstaatlichen Verfassung sei an der Überforderung durch ein Weltreich gescheitert (S. 220). Die notwendigen Prorogationen seien vielmehr durch die aus egoistischen Motiven rührende Weigerung vieler Senatoren bedingt gewesen, Statthalterschaften zu übernehmen, nicht dagegen durch einen Mangel an Amtsträgern.

Blösel bietet ein sehr gut lesbares Narrativ, das er gelegentlich durch Erklärungen politischer und gesellschaftlicher Strukturen unterbricht und in dem er mit scharfem analytischen Blick Gesamtzusammenhänge verständlich machen kann. In den ersten Kapiteln über die Frühzeit mit ihrer schlechten Quellenlage hat er mehr Raum, um detailliert und souverän über die Formierung von Institutionen und Gesellschaft zu schreiben und dabei auch viele Kontroversen zu berücksichtigen.4 Allerdings nehmen in historisch besser überlieferter Zeit die Schilderungen einzelner Kriegszüge fast schon überhand, während Kulturelles doch sehr kurz kommt.

Und damit zum wichtigsten Kritikpunkt aus Sicht des Rezensenten: Muss eine Geschichte der römischen Republik stets so stark auf die kriegerische Expansion fokussiert sein? Sicherlich ist es ein Faszinosum, wie aus dem kleinen Stadtstaat ein Imperium werden konnte. Doch ist das militärische Ethos der Aristokratie wirklich das Alleinstellungsmerkmal Roms? Blösel deutet immer wieder die engen Kontakte Roms, gerade in der Frühzeit, mit anderen italischen Städten und Völkern an, aber verfolgt diese Vergleichsmöglichkeiten nicht. Generell werden andere Aspekte wie Religion oder Literatur gestreift, jedoch oft nur in wenigen Sätzen verstreut abgehandelt. Die reiche Literaturlandschaft, das Fest- und Spielewesen, die Villenkultur, all das findet hier nur wenig bis gar keinen Platz. Gerade für seine zentrale These des Wertewandels im zweiten Jahrhundert wäre eine intensivere Auseinandersetzung mit den kulturellen und nicht nur den wirtschaftlichen Veränderungen dienlich.5

Das klassische, vor allem politisch-militärisch geprägte Bild Roms, angereichert mit neuen Deutungen, hat den Vorzug erhalten. Das mag man teilweise bedauern, nichtsdestoweniger hat Blösel eine gelungene, kenntnisreiche und anregende Einführung geschrieben, die das individuelle und kollektive Versagen der Nobilität fast wie einst schon Sallust betont.

Wie gewohnt bei Beck ist das Buch bis auf einige Kleinigkeiten hervorragend lektoriert, die Abbildungen und Karten sind von sehr guter Qualität.6 Die wenigen Endnoten beschränken sich auf markante Quellen, wenn auch die Selektionskriterien nicht immer klar sind.7

Anmerkungen:
1 Martin Jehne, Die römische Republik. Von der Gründung bis Caesar, 3. durchgesehene Aufl., München 2013 (1. Aufl. 2006) und Klaus Bringmann, Geschichte der römischen Republik. Von den Anfängen bis Augustus, 2. durchgesehene Aufl., München 2010 (1. Aufl. 2002).
2 William V. Harris, War and Imperialism in Republican Rome: 327–70 B.C., Oxford 1979.
3 Arthur M. Eckstein, Mediterranean Anarchy, Interstate War, and the Rise of Rome, Berkeley 2006 und ders., Rome Enters the Greek East. From Anarchy to Hierarchy in the Hellenistic Mediterranean, 230–170 BC., Malden 2008.
4 Einzig hinsichtlich des umstrittenen foedus Cassianum lässt Blösel seine Leser verwirrt zurück: Auf S. 50 favorisiert er die Frühdatierung 493, auf S. 65 dagegen 358.
5 Das entsprechende Unterkapitel (S. 140–149) widmet kaum eine Seite der nicht weiter problematisierten, obwohl umstrittenen Hellenisierung Roms, sondern konzentriert sich auf die ökonomischen Auswirkungen der Expansion auf die Nobilität.
6 In der Bibliographie fehlen die Auflösungen für Flower (= Ancestor Masks and Aristocratic Power in Roman Culture, Oxford 1996) auf S. 287; für Beck (= Karriere und Hierarchie. Die römische Aristokratie und die Anfänge des cursus honorum in der mittleren Republik, Berlin 2005) auf S. 289; Mouritsen (1997) statt richtig (1998) auf S. 292. Die Kartenlegenden auf S. 81 und S. 183 stimmen teils nicht mit dem Sprachgebrauch im Text überein („Sacra via“, „Curie“, „Arnus-Rubico-Linie“).
7 Auf S. 213 gibt es gleich zwei Endnoten zu Ciceros Rede über den Oberbefehl des Pompeius, auf S. 217 dann aber keine Endnote, obwohl Begriffe aus der Rede zitiert werden. Auf S. 234 in Endnote 10 wird einmalig und unerklärlicherweise auf einen Spezialaufsatz verwiesen.

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