St. Rapp Jr: The Sasanian World through Georgian Eyes

Cover
Titel
The Sasanian World through Georgian Eyes. Caucasia and the Iranian Commonwealth in Late Antique Georgian Literature


Autor(en)
Rapp Jr, Stephen H.
Erschienen
Farnham 2014: Ashgate
Anzahl Seiten
XXVI, 513 S.
Preis
£ 90,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Frank Schleicher, Institut für Altertumswissenschaften, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Zur Geschichte des sāsānidischen Persiens liegt mittlerweile eine Reihe von Untersuchungen vor, ist hier doch die Quellenlage deutlich besser als etwa zur Geschichte der Parther. Zahlreiche griechisch-römische, armenische, syrische und arabische Autoren bieten Informationen über den iranischen Staat von 224 bis 651. Wenig beachtet wurde bisher aber, dass auch die reichhaltige (wenngleich nicht unproblematische) Überlieferung der Georgier Einblicke in die spätantike Geschichte Irans liefern kann. Die ältesten hagiographischen Texte stammen aus dem K’art’li des 5. bis 7. Jahrhunderts und sind als zeitgenössische Quellen durchaus von Wert. Dies gilt umso mehr, als K’art’li-Iberien in der Zeit der Sāsāniden zumeist unter persischer Oberherrschaft stand und intensive Wechselbeziehungen stattfanden. Stephen Rapp, gegenwärtig zweifellos der bedeutendste Spezialist für die frühe schriftliche georgische Überlieferung, will mit dem vorliegenden Werk – nach dem Vorbild der Untersuchungen Nina Garsoïans zu den armenischen Quellen1 – den Versuch unternehmen, die georgischen Zeugnisse und ihre Aussagen zur Geschichte der Sāsāniden systematisch zu erfassen und nutzbar zu machen.

Da es keine allgemeinverbindlichen Regeln für die Transliteration der kaukasischen Sprachen gibt, stellt Rapp dem Werk einige Lauttabellen, Erklärungen, Abkürzungsverzeichnisse und Karten voran (S. xvii–xxvi). Hier erleichtern dem Leser besonders die Hinweise zur Aussprache den Zugang zu den zahlreichen Eigennamen. Es folgt eine Einführung in die georgischen historiographischen Quellen (S. 1–30). In aller Kürze wird dargestellt, welche Abschnitte der georgischen Historiographie vor dem Beginn der bagratidischen Königsdynastie im 9. Jahrhundert entstanden sind und weshalb diese in die Studie aufgenommen wurden. Diese Zeugnisse seien die „most direct and thorough eyewitnesses to eastern Georgia’s active participation in the Iranian Commonwealth“(S. 13). Rapp geht sodann näher auf die Begriffe K’art’li und Iberia ein und wirft einige Schlaglichter auf die Beziehungen zwischen Südkaukasien und Persien seit den Achämeniden.

Im ersten Hauptteil des Buches werden die hagiographischen Texte behandelt, beginnend mit Kapitel eins und den Viten der Šušanik und des Eustathios (S. 33–103).2 Zunächst wird die Entstehungszeit der Texte diskutiert und der Quellenwert sowie der Inhalt besprochen (S. 33–51). Danach folgt eine Analyse linguistischer Verbindungen zum Persischen und ein Katalog der in den Texten vorkommenden Lehnwörter (S. 52–62). Einen Einblick in die ‚Verwaltungsstruktur‘ Südkaukasiens unter den Sāsāniden bietet die Diskussion der Bedeutung administrativer Bezeichnungen und der Funktion der Ämter wie bidaxš (regionaler Herrscher), spaspet (General) und marzbān (‚Vizekönig‘); besprochen wird hier auch das Königtum (S. 63–87). Abschließend erörtert Rapp kurz den in den Quellen greifbaren Zoroastrismus in K’art’li-Iberien (S. 87–103). Kapitel zwei beschäftigt sich mit der Schrift über die Bekehrung K’art’lis und der Vita der Heiligen Nino. Neben den Entstehungsgeschichten (S. 105–117) stehen hier Einzelaspekte dieser Texte im Fokus; hervorzuheben ist ein Abschnitt über die Jagd und deren gesellschaftliche Bedeutung (S. 117–120). Den Schwerpunkt des Kapitels bildet die Besprechung geographischer Angaben. Rapp betont die Veränderung in der Verwendung des Nord-Begriffs in der georgischen Literatur und die damit einhergehende Verschiebung der Perspektive und des georgischen Selbstverständnisses. Im Anschluss werden religiöse Themen besprochen, so etwa der k’art’velische Polytheismus und Mazdaismus (S. 142–160).

Im zweiten Hauptteil des Buches erörtert Rapp die historiographischen Texte, wobei er die gleichen Untersuchungsschritte vornimmt: Es werden zuerst die Entstehung des jeweiligen Textes besprochen, dann verschiedene Einzelaspekte behandelt, geographische Begriffe erklärt, religiöse Fragen besprochen und schließlich linguistische Verbindungen thematisiert. In Kapitel drei werden die georgischen Geschichtswerke K’art’lis c’xovreba („Das Leben K’art’lis“) und Mok’c’evay k’art’lisay („Die Bekehrung K’art’lis“) betrachtet (S. 169–185). Schwerpunkt der Untersuchung ist erneut der Begriff des bidaxš (S. 169–176). Im umfangreichsten Abschnitt (Kapitel vier: „The Life of the Kings“, S. 187–260) liegt das Augenmerk Rapps stärker als zuvor auf den iranischen Einflüssen auf die georgische Ethnogenese (S. 187–190) und Historiographie (S. 191–198). Weitere Themen sind hier die Herausbildung der k’art’velischen Königsherrschaft (S. 198–213), die Entstehung der georgischen Schrift (S. 213–220) sowie die Geschichte des ersten christlichen Königs Miriam III. (S. 220–260). Deutlich tritt in diesem Abschnitt die enge Verbindung zwischen dem iranischen und k’art’velischen Königtum hervor, die sich durch Heiratsverbindungen, Herrschaftslegitimation und Herrscherideal sehr ähnlich waren. Das knappe Kapitel fünf über „The Life of the Successors of Mirian“ (S. 261–270) beschäftigt sich vor allem mit der Dominanz iranischer Namen. Zentrale Themen des sechsten Kapitels zur Schrift „The Life of Vaxtang Gorgasali“ (S. 271–329) sind die Form und Legitimation der Königsherrschaft unter Vaxtang im 5. Jahrhundert, iranische Elemente in seinem Königtum (zum Beispiel bumberazobay, das heldenhafte Einzelkämpferwesen des Herrschers im Krieg), die Kirchenpolitik und die Namenskunde. Im Hinblick auf die Sāsāniden besonders interessant ist hier Rapps Beschreibung der politischen Verwaltung K’art’lis, damit verbundene Einblicke in den Kern des sāsānidischen Reiches und nach Albanien sowie ein Abschnitt über die Münzprägung. Da Vaxtang für den šāhan šāh militärisch aktiv ist, lässt sich sāsānidische Geschichte eher greifen, als in den übrigen Texten. Im siebten und letzten Quellenkapitel über Ps.-Junašers Fortsetzung des Lebens Vaxtang Gorgasilis (S. 331–351) untersucht Rapp insbesondere das Verhältnis Ost-Georgiens zu den beiden große Imperien in der Zeit des Unterganges des sāsānidischen Reiches.

Den Abschluss des thematischen Teils des Buches bildet ein Epilog (S. 353–375). Hier geht es Rapp vor allem darum, eine grundlegende Quelle für die im 8. und 9. Jahrhundert entstandenen Texte (die freilich erst im 11. Jahrhundert in der uns erhaltenen Form fixiert wurden) zu identifizieren und zu beschreiben. Er nennt diese Quelle, die gleichzeitig in oraler wie schriftlicher Fassung zirkuliert habe, „Hambavi mep’et’aThe Tale of the Kings“ (S. 359). Am Ende des Buches stehen einige Appendizes mit Begriffsdefinitionen (S. 377–380), einer Liste der literarischen Quellen (S. 379–384) sowie einige Herrscherlisten zur Chronologie (S. 385–392). Eine recht umfangreiche Bibliographie (S. 393–497) und ein Index (S. 499–513) runden das Buch ab.

Rapps Argumentation ist sehr stark linguistisch geprägt und im Allgemeinen überzeugend. Sprachliche Verbindungen werden hauptsächlich zum Mittelpersischen, Parthischen und zum Armenischen gezogen, um etwa den Bedeutungsgehalt von Amtsbezeichnungen zu erschließen. Durch den Aufbau und die separate Besprechung der Quellen gibt es in Rapps Werk allerdings zahlreiche Redundanzen. So wird beispielsweise die Bedeutung der Jagd in Kapitel zwei (S. 117–120) ausführlicher besprochen, eine weitere Erörterung folgt dann in Kapitel vier (S. 206–208 und S. 238). Ähnliches gilt auch für die immer wieder diskutierten Begriffe bidaxš (besonders S. 63–76 und S. 179–184) und bumberazi (S. 234–237 und S. 281–302). Bei für den Leser interessanten Datierungsfragen verweist Rapp vor allem auf sein Werk zur georgischen Historiographie aus dem Jahr 2003.3 Da das Thema in der Einleitung nur sehr knapp behandelt wird, empfiehlt sich, diese Studie parallel zur vorliegenden zu lesen. Rapps Darstellung liegt zudem die von Cyrill Toumanoff ausgearbeitete Chronologie der iberischen Könige zugrunde, die jedoch an vielen Punkten problematisch bleibt.4 Beispielhaft sei die vieldiskutierte Regierung des Königs Vaxtang Gorgasali (er regierte nach Toumanoff von 447 bis 522!) erwähnt: Zwar gesteht Rapp zu, dass die Erzählung der Schrift The Life of Vaxtang Gorgasali sehr viel legendäres Material enthält, doch betrachtet er die in der Vita erwähnten Taten zumeist als historisch.5 Interessanterweise wertet Rapp die Gestalt des Vaxtang sogar historischer als die Miriams III., dessen Geschichte Rapp sehr stark in Legenden gekleidet sieht.

Bisher gab es in der Forschung zwei Wege, um mit den georgischen Quellen umzugehen: Entweder betrachtete man sie als historische Darstellungen mit faktischem Wert, wie es etwa die nationalgeorgischen Forscher im allgemeinen tun, oder man sah sie als späte, weitgehend legendäre Geschichten. Rapp will in dieser Hinsicht einen Mittelweg gehen: Er sieht den Wert vor allem in den Möglichkeiten, interkulturelle Einblicke in die Verbindung Kaukasiens mit dem byzantinischen und iranischen Einflusssphären greifbar zu machen. Wer aber in Rapps Studie grundlegende Einblicke in die Geschichte des sāsānidischen Staates erwartet, wird enttäuscht sein. Leider lassen sich aus den georgischen Quellen nur wenige Informationen über das iranische Kernland gewinnen. Allerdings bietet Rapp eine Beschreibung K’art’li-Iberiens als Teil des sāsānidischen Kosmos und fundierte Einblicke in die sāsānidische Verwaltung. Rapp unterstreicht dabei die Bedeutung der in der Forschung bislang wenig beachteten georgischen Zeugnisse: „Despite the scarcity of information about the core Sasanian domains, early Georgian historiographies are deep and largely untapped reservoir of Iranian and Iranic imagery“ (S. 354).

Rapps Untersuchung ist ein sehr gut recherchiertes und gelungenes Werk. Er legt damit ein wichtiges Buch zur Erforschung des spätantiken Kaukasiens vor, das nationalgeorgische und westliche Positionen auszugleichen sucht und so neue Perspektiven für weitere Beschäftigungen mit der Geschichte des antiken Ostgeorgien bietet.

Anmerkungen:
1 Vgl. beispielsweise Nina G. Garsoïan, The Locus of the Death Kings. Iranian Armenia – The invertet Image, in: Richard G. Hovannisian (Hrsg.), The Armenian Image in History and Literature, Malibu 1981, S. 27–64; Armenian Sources on Sasanian Administration, in: Rika Gyselen (Hrsg.), Sources pour l’histoire et la géographie du monde iranien (224–710), Bures-sur-Yvette 2009, S. 91–114.
2 Das Martyrium der neun Jünglinge von Kola betrachtet Rapp zwar als das älteste georgische Literaturwerk, doch sieht er darin keinen Erkenntniswert für die sāsānidische Geschichte und klammert den Text daher aus.
3 Stephen H. Rapp, Studies in Medieval Georgian Historiography. Early Texts and Eurasian Contexts, Louvain 2003.
4 Zu den problematischen Chronologien Toumanoffs für kaukasische Regenten im 3. und 4. Jahrhundert siehe insbesondere die Kritik von Erich Kettenhofen, Tirdād und die Inschrift von Paikuli. Kritik der Quellen zur Geschichte Armeniens im späten 3. und frühen 4. Jh. n. Chr., Wiesbaden 1995.
5 Rapp will den politisch-geographischen Hintergrund der Erzählung in das 5./6. Jahrhundert datieren, um seine Idee des Hambavi mep’et’a als Urquelle der um das Jahr 800 entstandenen Texte zu stützen. Eine Datierung des Hintergrundes in das 9. Jahrhundert und somit in bagratidische Zeit, wie sie Bernadette Martin-Hisard (Le roi géorgien Vaxt’ang Gorgasal dans l’histoire et dans la legende, in: Temps, mémoire, tradition au môyen age, Aix-en-Provence 1983, S. 207–247) vornimmt, ist unwahrscheinlich, da die Entstehung der Texte – so die communis opinio (vgl. Erich Kettenhofen, Armenische und georgische Quellen, in: Klaus-Peter Johne / Udo Hartmann / Thomas Gerhardt [Hrsg.], Die Zeit der Soldatenkaiser, Bd. 1, Berlin 2008, S. 105f.) – um 800 anzusetzen ist; doch auch in vorbagratidischer Zeit gab es Phasen, die den Hintergrund zu Vaxtangs Legende gebildet haben könnten.

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