F. Bubenheimer-Erhart: Die Etrusker

Cover
Titel
Die Etrusker.


Autor(en)
Bubenheimer-Erhart, Friederike
Erschienen
Anzahl Seiten
191 S.
Preis
€ 49,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Robinson Peter Krämer, DFG-Graduiertenkolleg 1878 ‚Archäologie vormoderner Wirtschaftsräume‘, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Das Studium der Etrusker und Italiker erfreut sich (nicht nur) innerhalb der deutschsprachigen Altertumswissenschaften seit mehr als zwei Jahrzehnten einer kontinuierlich wachsenden Beliebtheit.1 Folgerichtig erschien nun von Friederike Bubenheimer-Erhart eine neue Einführung zu den Etruskern, welche das Anliegen hat, einer breiten Leserschaft einen Überblick über die erste Hochkultur Italiens zu bieten.2

Das Buch gliedert sich in zehn Kapitel, welche eine Zusammenfassung der Forschungsgeschichte und der landschaftlichen Voraussetzungen bieten und anschließend in chronologischer Reihenfolge die zentralen Aspekte der etruskischen Kultur. Dabei werden geschichtliche Ereignisse oder politische Strukturen ebenso wie auch Kunst- und Handwerksproduktionen angesprochen. Aufgelockert wird der Band mit Steckbriefen zu etruskischen Persönlichkeiten3 und Sonderseiten zu spezifischen Aspekten der etruskischen Gesellschaft.4

Kapitel "1. Die Entdeckung der Etrusker" (S. 9–21) behandelt die Forschungs- und Rezeptionsgeschichte zu den Etruskern. Bubenheimer-Erhart beschreibt anschaulich die „Wiederentdeckung“ der Etrusker in der Renaissance unter den Medici sowie den Beginn der Etruskologie als Wissenschaft im 18. Jahrhundert mit ersten Untersuchungen und der Entzifferung der etruskischen Sprache 1789 durch Luigi Lanzi. Für das 19. Jahrhundert konstatiert Bubenheimer-Erhart die stark einsetzenden Durchsuchungen der reichen Nekropolen von Caere, Tarquinia und Vulci, den Aufbau des Museo Gregoriano Etrusco 1837 und die Gründung des Deutschen Archäologischen Instituts. Ebenso entstehen in dieser Zeit die ersten Corpora einzelner Gattungen. Für das 20. Jahrhundert prägend sind schließlich die intensiven Ausgrabungsaktivitäten, welche zahlreiche neue Daten lieferten, die Gründung des Istituto di Studi Etruschi ed Italici und die Wirkung von Massimo Pallottino.

Der Überblick über die komplexe Forschungs- und Rezeptionsgeschichte ist etwas knapp gehalten, umfasst aber im Wesentlichen die meisten relevanten Punkte. An dieser Stelle sind deshalb nur wenige Ergänzungen und Korrekturen im Detail zu nennen. Für die Renaissance (S. 10–13) wäre vielleicht die wohl von Leonardo da Vinci stammende Skizze eines Mausoleums interessant gewesen, welche sich direkt an dem etruskischen Tumulus von Montecalvario (bei Castellina in Chianti) orientiert.5 Ebenso könnte man an dieser Stelle auf den ‚Perseus‘ des Cellini auf der Piazza della Signoria in Florenz verweisen, welcher sich wahrscheinlich an etruskischen Bronzestatuetten orientierte.6 Unter den neu gegründeten Gelehrtengesellschaften (S. 14) ist wohl unbedingt die 1735 in Florenz entstandene Società Colombaria zu nennen, für das frühe 19. Jahrhundert (S. 16–18) sind sicherlich die prägenden Arbeiten von Giuseppe Micali, Francesco Inghirami und von Karl Otfried Müller zu nennen gewesen. Das Istituto di Studi Etruschi ed Italici (S. 19) hat seine Wurzeln im bereits 1925 gegründeten Comitato Permanente per l’Etruria, welches 1932 in das Istituto di Studi Etruschi umgewandelt wird. Die erste Ausgabe von Studi Etruschi ist 1927 und nicht 1928 erschienen. Die Tabula Cortonensis (S. 21 Abb.) befindet sich im Museo dell’Accademia Etrusca e della Città di Cortona und nicht im Nationalmuseum von Florenz.

In Kapitel "2. Das Land zwischen Arno und Tiber" (S. 29–38) beschreibt Bubenheimer-Erhart die landschaftlichen Voraussetzungen und Ressourcen Etruriens. Die für Produktion und Handel wichtigen Metallvorkommen finden hier ebenso Beachtung wie die Rolle von Holz und Salz. Ebenso werden Jagd, Fischfang und die Landwirtschaft besprochen sowie die Rolle der Küstenhäfen und der Seefahrt. Der griechische topos der etruskischen Piraterie darf hier natürlich nicht fehlen, wird aber erfreulicherweise mit der starken politischen und wirtschaftlichen Konkurrenz zwischen Etruskern und Griechen im Mittelmeerraum verknüpft und begründet.

Mit Kapitel "3. Etrusker und Italiker" (S. 47–53) beginnt schließlich der chronologische Abriss der etruskischen Kultur. Chronologisch konsequent bespricht Bubenheimer-Erhart zunächst die eisenzeitliche Villanovakultur im 10.–8. Jahrhundert v.Chr., aus welcher in Teilen die Etrusker hervorgehen sollten. Bubenheimer-Erhart beschreibt nachvollziehbar für das 9. und 8. Jahrhundert v.Chr. einen Bevölkerungswachstum, welcher ebenfalls zu sozialen Differenzierungen und einer beeindruckenden Vielfalt an Austauschbeziehungen mit anderen Kulturen führt. Hier wäre auf jeden Fall eine Karte des Gebiets der Villanovakultur und der Beziehungen zu den, dem breiten Leserkreis möglicherweise unbekannten, „Big Players“ der Zeit (etwa die sardischen Nuraghen oder die oinotrische Kultur Süditaliens) hilfreich gewesen.

Im Folgenden (S. 63–77) wird dem Leser der soziale Wandel in der ‚orientalisierenden‘ Phase deutlich. Die mediterranen Kontakte führen zu neuen Innovationen, wie Schriftgebrauch, neuen Keramikimporten und -produktionen, Arbeitsteilung in produzierenden Gewerben sowie Olivenanbau und Weinkonsum (Bubenheimer-Erhart gibt die sich hartnäckig haltende Meinung wieder, der Weinanbau setze in Etrurien erst im 7. Jahrhundert ein. Tatsächlich spricht einiges dafür, dass der Weinanbau bereits in der Villanovakultur bekannt war7). Ebenso manifestiert sich eine Aristokratie mit Residenzen und Tumulusgräbern. Die Autorin geht auch (S. 79–89) auf die intensiven Kulturkontakte des 8.–5. Jahrhunderts mit Griechen, Ägyptern und Phöniziern ein und nennt ebenso (S. 97–107) die etruskischen Expansionen in die Po-Ebene und nach Kampanien. Lediglich auf die transalpinen Beziehungen zur Hallstattkultur und zum Baltikum wird an dieser Stelle nicht eingegangen (dies geschieht sehr knapp erst auf S. 163f.).

Mit Kapitel "7. Machtverlust im Mittelmeerraum und Provinzialisierung" (S. 117–124) wird die etruskische Krisenzeit eingeleitet. Bubenheimer-Erhart beschreibt die sozialen Umwälzungen und militärischen Niederlagen ab dem späten 6. Jahrhundert v.Chr., welche den etruskischen Einfluss im Mittelmeer zunehmend schwächen und sich ebenfalls in der Wirtschaft bemerkbar machen. Die Expansion Roms und die ‚Romanisierung‘ und Eroberung des etruskischen Territoriums ab dem frühen 5. Jahrhundert v.Chr. werden, ebenso wie die Überfälle durch die Kelten im 4. und 3. Jahrhundert v.Chr. im Anschluss vorgestellt (S. 132–153). Für diese Zeit beschreibt Bubenheimer-Erhart, wie die etruskischen Stadtstaaten allmählich unter römische Herrschaft gebracht werden, was sich auch in den neugegründeten coloniae, den römischen Fernstraßen und der Ausbreitung der lateinischen Sprache manifestieren sollte. In der römischen Kaiserzeit ließen sich, wie sie korrekt hervorhebt, nur einige wenige Epigonen und Anspielungen auf die etruskische Kultur fassen. Diese stießen jedoch auch in der Renaissance und in der Neuzeit auf Begeisterung, so dass mit diesem Abschluss der Kreis zum ersten Kapitel geschlossen wird.

Friederike Bubenheimer-Erhart hat ein gut verständliches Einsteigerbuch zur etruskischen Kultur verfasst. Die Erzählstruktur und die Gliederung sind sehr klar, ebenso werden die meisten zentralen Funde und Befunde genannt. Die wenigen Kleinigkeiten, welche hier bemängelt wurden und nicht ins Gewicht fallen, deuten bereits an, dass dem Buch sehr viel Umsicht und Sachkenntnis zugrunde liegen. Im Anhang findet der Leser außerdem eine umfassende und aktuelle Bibliographie zur Vertiefung, sowie eine Liste der deutschsprachigen Museen mit etruskischen Exponaten. Zudem gibt es zahlreiche Farbabbildungen (120 Abbildungen auf 191 Seiten), deren Qualität durchweg hervorragend ist. Alles in allem findet sich im vorliegenden Band zwar nichts Neues zu den Etruskern, aber Bekanntes auf einem sehr aktuellen Stand und für ein breites Publikum gut verständlich aufbereitet.

Anmerkungen:
1 Sichtbar ist dies nicht nur etwa in der stetig wachsenden Zahl der Publikationen und Tagungen zu dem Thema, sondern auch an den zahlreichen Ausstellungen in Deutschland: Die Etrusker. Luxus für das Jenseits. Bilder vom Diesseits – Bilder vom Tod (Hamburg 2004); Die Etrusker. Jenseitsvorstellungen und Ahnenkult (Tübingen 2006); Renaissance der Etrusker. Vom Mythos zur Wissenschaft (Leipzig 2006/2007): RASNA. Die Etrusker (Bonn 2008/2009); Die Etrusker. Die Entdeckung ihrer Kunst seit Winckelmann (Stendal 2009); Fürsten – Feste – Rituale. Bilderwelten zwischen Kelten und Etruskern (Frankfurt am Main 2010/2011).
2010 wurde auf Initiative von Friederike Bubenheimer-Erhart im Deutschen Archäologen-Verband die Arbeitsgemeinschaft 'Etrusker und Italiker' (<http://darv.de/arbeits-gemeinschaften/etrusker-und-italiker/>) gegründet, welche mittlerweile (Stand April 2015) über 70 Mitglieder fasst.
2 Bei den letzten deutschsprachigen Einführungen zu den Etruskern handelt es sich um folgende Werke: Giovannangelo Camporeale, Die Etrusker. Geschichte und Kultur, Düsseldorf 2003; Sybille Haynes, Kulturgeschichte der Etrusker, Mainz 2005; Mauro Cristofani (Hrsg.), Die Etrusker. Geheimnisvolle Kultur im antiken Italien, Stuttgart 2006; Friedhelm Prayon, Die Etrusker. Geschichte – Religion – Kunst, 5. überarb. Aufl., München 2010 (1. Aufl. 1996).
3 Frau des Larth (S. 55), Mastarna (S. 56f.), Vulca (S. 67), Thefarie Velianas (S. 85), Velthur Spurinna (S. 104), Larth Tetnies und Tanchvil Tarnei (S. 121), Vel Saties (S. 122), Seianti Hanunia Tlesnasa (S. 135), Avle Meteli (S. 136) und Gaius Cilnius Maecenas (S. 150).
4 Gräber, Nekropolen (S. 22–27), Häuser, Siedlungen, Städte (S. 40–45), Sprache, Schrift, Literatur (S. 58–61), Seefahrt und Handel (S. 72–77), Landwirtschaft und Bergbau (S. 90–95), Tempel, Kultstätten, Heiligtümer (S. 108–115), Familie, Gesellschaft, Alltagsleben (S. 125–127), Staat, Ämter, Recht, Militär (S. 141–145) und Religion, Glaube, Jenseitsvorstellungen (S. 154–161). Kunsthandwerk (S. 175–181).
5 Siehe dazu: Gilda Bartoloni / Piera Bocci Pacini, The Importance of Etruscan Antiquity in the Tuscan Renaissance, in: Jane Fejfer / Tobias Fischer-Hansen / Annette Rathje (Hrsg.), The Rediscovery of Antiquity. The Role of the Artist, Kopenhagen 2003, S. 456–458. Françoise Viatte, The Early Drapery Studies, in: Carmen C. Bambach (Hrsg.), Leonardo da Vinci. Master Draftsman, New York 2003, S. 578f. Kat. 112.
6 Dirk Steuernagel in: Hans-Ulrich Cain / Hans-Peter Müller / Dirk Steuernagel (Hrsg.), Renaissance der Etrusker. Vom Mythos zur Wissenschaft, Leipzig 2006, S. 10 mit Abb. 2–3.
7 Siehe dazu Felippo Delpino, Viticultura, produzione e consumo del vino nell’Etruria protostorica, in: Andrea Ciacci / Paola Rendini / Andrea Zifferero (Hrsg.), Archeologia della vite e del vino in Toscana e nel Lazio. Dalle tecniche dell’indagine archeologica alle prospettive della biologia molecolare, Florenz 2012, S. 189–199 mit der Forschungsgeschichte und weiteren Verweisen.

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