Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1983/84

Institut für Zeitgeschichte München - Berlin im Auftrag des Auswärtigen Amts (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1983. . München 2014 : Oldenbourg Verlag, ISBN 978-3-486-74707-2 XCVIII, 2.105 S. in 2 Teilbänden € 149,95

Institut für Zeitgeschichte München - Berlin im Auftrag des Auswärtigen Amts (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1984. . München 2015 : Oldenbourg Verlag, ISBN 978-3-11-034542-1 LXXXVIII, 1.751 S. in 2 Teilbänden € 139,95

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Philipp Gassert, Historisches Institut, Universität Mannheim

Wer sich auf die Suche nach politischen Déjà-vu-Erlebnissen macht, für den stellen die vom Institut für Zeitgeschichte im Auftrag des Auswärtigen Amts verantworteten und nun für die Jahre 1983 und 1984 vorliegenden „Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland“ (AAPD) eine nie versiegende Quelle farbiger Anekdoten dar. So skandalisieren „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) und „Spiegel“ in ihren Besprechungen des neuesten Bandes die deutschen Rüstungsexporte, die „schon damals ein sehr heikles Thema waren“, so Rolf Steininger in der FAZ.1 „Spiegel“-Redakteur Klaus Wiegrefe und seine Kollegen sprechen davon, dass die Dokumente nahelegten, die Regierung habe Firmen geschützt, die aufgrund von Lieferungen chemischer Fabriken in den Irak und nach Syrien „zu Handlangern von Massenmördern“ wurden. Diese unselige Tradition reiche von Kohl und Lambsdorff bis zu Merkel und Gabriel.2

So viel Präsentismus übersieht die eigentliche Pointe. Bonn verfuhr recht skrupulös und stocherte nicht weniger im Nebel als die damalige Presse. Außenminister Genscher ordnete wegen der Exporte eine sofortige Untersuchung an (1984, Dok. 65, 81, 105). Da die Amerikaner ihre auf geheimdienstliche Quellen gestützten Behauptungen, die deutsche Firma wisse um die wahren Zusammenhänge, nicht näher substantiierten (1984, Dok. 105; das erinnert nachgerade an die Vorgänge von 2003), wurden deutsche Inspekteure in den Irak geschickt. Diese schlossen schon aufgrund technischer Mängel der Anlagen die Produktion von Kampfgasen „weitestgehend“ aus (Dok. 286). Auch waren es bei Rüstungsgeschäften oftmals Verbündete, die zum Export gemeinsamer Produkte wie dem „Tornado“, von „Milan“-Panzerabwehrraketen oder ausgemusterten F-104-Kampfflugzeugen drängten (z.B. 1983, Dok. 355, 356, 370), während die erhoffte Lieferung von „Leopard-II“-Panzern an Saudi-Arabien den Kanzler rund um seinen ersten Israel- (1984, Dok. 18–20) und Saudi-Arabien-Besuch zu diplomatischen Drahtseilakten nötigte (1983, Dok. 209, 299; 1984, Dok. 48). Genscher sah sich genötigt, dem „Araber-freundlichen“ Staatsminister Möllemann eine harsche Abmahnung zu schicken, weil dieser über Interviews ein fait accompli zum „Leopard“ schaffen wollte (1983, Dok. 294). Mit entwaffnender Offenheit äußerte sich übrigens Saddam Hussein gegenüber dem westdeutschen Botschafter, die „Leos“ würden angesichts der bekannten „strukturellen Schwäche“ der saudischen Armee deren Kampfkraft ohnehin kaum erhöhen. Den Saudis gehe es ums Prestige und politische Signale, wie übrigens auch der israelischen Seite (so die Einschätzung des Botschafters; 1983, Dok. 257). Rüstungsexporte waren weniger eine reale Gefahr für den Frieden als ein politisches und vergangenheitspolitisches Symbol.

Nicht Rüstungsexport, sondern Rüstungskontrolle und Deeskalation standen daher in einer Phase größter Anspannung im Ost-West-Verhältnis im Zentrum bundesdeutscher Außenpolitik 1983/84. Dem komplexen, nicht leicht auf einen Nenner zu bringenden weltpolitischen Ringen rund um den NATO-Doppelbeschluss und seinen Folgen gilt neben der politischen Abstimmung innerhalb der EG der Löwenanteil der abgedruckten Dokumente. Im „Jahr der Weichenstellung“, so Genscher und seine Prager Gesprächspartner (1983, Dok. 30, 32), wurde mit der Entscheidung des Bundestags im November 1983 die „Nachrüstung“ umgesetzt. Hauptthema war die permanente, zeitraubende und für die Diplomatie oft frustrierende Abstimmung innerhalb der NATO angesichts der Dramatik der laufenden Verhandlungen über nukleare Mittelstreckensysteme (INF) in Genf. NATO-Botschafter Wieck sprach Anfang 1983 sogar von einer „tiefen Krise“ des transatlantischen Verhältnisses (Dok. 2). Europäische „Wackelkandidaten“ wie Belgien und die Niederlande waren bei der Stange zu halten, hier machte die Bundesrepublik Druck (Dok. 7). Ein bündnispolitisches PR-Desaster war Ronald Reagans „Star-Wars“-Rede, d.h. die Ankündigung der Strategic Defense Initiative (SDI): „Es wäre deshalb besser gewesen, wir wären vorher unterrichtet oder besser noch konsultiert worden“ (Dok. 76). Das Reagan-Konzept stelle „eine Abkehr von den [bisherigen] rüstungskontrollpolitischen Grundlagen“ dar, so die kaum verpackte Fassungslosigkeit deutscher Diplomaten (Dok. 81). Erkennbar kam das bei dieser Volte des Präsidenten selbst überraschte State Department gegenüber den Bonner Kollegen ins Schwimmen – etwa auf dem Treffen der Politischen Direktoren der vier NATO-Hauptmächte, wo der Ärger von Ministerialdirektor Pfeffer, aber auch der Briten und Franzosen, noch durch die geglättete Berichtssprache hindurch vernehmbar ist und der versierte US-Diplomat Burt nur „auf persönlicher Basis“ antworten konnte (Dok. 82).

1984 fuhren Kohl und Genscher die Dividende für ihre Bündnistreue ein, nachdem die Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles eingeleitet worden war: Der Himmel sei mit dem Beginn der Dislozierung „nicht eingestürzt“, die Gegner der Nachrüstung hätten es nun schwerer, und die UdSSR reagiere „verhältnismäßig gedämpft“ – so eine der vielen äußerst lesenswerten Analysen des Politischen Direktors Pfeffer (1984, Dok. 1), die, wie auch die Einschätzungen des Abrüstungsbeauftragten Ruth (z.B. Dok. 11), spüren lassen, dass trotz oder gerade wegen der Umsetzung des Doppelbeschlusses Bewegung in die Ost-West-Beziehungen kam und nun unter den Osteuropäern ihrerseits die Unzufriedenheit über die SS-20-Aufrüstung wuchs. Kohl wie auch Genscher verwiesen nur zu gern auf die erheblichen innenpolitischen Kosten ihrer NATO-Nibelungentreue, wenn Kohl etwa Präsident Reagan („lieber Ron“) zu einem baldigen Gipfeltreffen mit dem neuen KPdSU-Generalsekretär Tschernenko drängte (Dok. 71) oder im Interesse der Vertrauensbildung direkte Kontakte zwischen sowjetischen und US-Militärs anregte (Dok. 72). Offenkundig hatte die Bundesrepublik ihre europäische und transatlantische Schlüsselstellung nicht zuletzt aufgrund ihrer Zustimmung zur Raketenstationierung gefestigt. Dies war schon eines der wesentlichen Argumente von Helmut Schmidt gewesen. Die gewachsene Rolle der Westdeutschen in der NATO wird auch sehr gut sichtbar im Viererkreis des engen informatorischen Austausches der Politischen Direktoren, wo die Italiener (zu deren Kummer), Niederländer oder Kanadier nicht dabei sein durften. Pfeffers Berichte von diesen Treffen geben einen außerordentlich guten Überblick zur Entwicklung der außen- und sicherheitspolitischen Problematik. Die Direktorentreffen der „großen Vier“ als eine informelle Clearing-Stelle der Allianz wären eine nähere Untersuchung wert.

Zweiter Schwerpunkt sind neben den sich 1984 auffällig dynamisierenden deutsch-deutschen Beziehungen (mit der, man kann fast sagen: für einen Leichenschmaus üblichen atmosphärischen Lockerheit zwischen Kohl, Genscher und Honecker in Moskau im Februar 1984, Dok. 43) eindeutig Europa und die deutsch-französische Achse als „Eckstein der politischen Konstruktion Europas“ (so Mitterrand, 1984, Dok. 30). Dass die Chemie zwischen Kohl und Mitterrand stimmte, wird sichtbar; Genscher blieb hier oft am Rande, zumal die „Chefs“ in dem komplizierten Tauziehen auf höchster Ebene um den „britischen Rabatt“ sich eng abstimmten und mit verteilten Rollen die übrigen europäischen Partner bearbeiteten, wobei Kohl dem erfahreneren Mitterrand meist den Vortritt ließ (Dok. 59). Beeindruckend ist die stetige Selbstreferenzialität der Gespräche unter den politischen Spitzen, die sich gern darüber unterhalten, wer nun was zu wem gesagt habe (z.B. Kohl zu Thatcher über Mitterrand, Dok. 64; Mitterrand zu Kohl über Thatcher, Dok. 146), um mit Analysen der Motivationen Dritter zu glänzen. Dieses Spiel bezieht die höchsten Diplomaten mit ein. Bekanntlich gelang es dem immer wieder gern auf persönliche historische Erfahrungen rekurrierenden Kohl vor dem Hintergrund der Nicht-Beteiligung der Deutschen an den Feierlichkeiten zu 40 Jahre D-Day 1984, als eine Kompensation die Versöhnungsgeste an den Gräbern von Verdun zu erreichen. Das ist nicht neu, aber eine der hilfreichen Fußnoten der Edition macht deutlich, dass eine erste Anregung hierzu vom bundesdeutschen Botschafter in Paris ausging (1984, Dok. 164).

Selbstverständlich war die Europapolitik der frühen Ära Kohl nicht ein einziges Ringen um große Gesten und Völkerverständigung, sondern viel häufiger und intensiver um finanzielles Klein-Klein, mit erheblichen innenpolitischen Rückwirkungen. Die Reform des EG-Agrarmarkts und der Gemeinschaftsfinanzen war 1983/84 Dauerthema. Hinzu kamen (auch damals!) Spannungen im Europäischen Währungssystem (EWS). Der westdeutsche Botschafter in Paris warnte, dass Paris für eigene wirtschaftliche Schwierigkeiten nach einem „Sündenbock“ suche und diesen in der „starken DM“ gefunden habe. Er empfehle, dem Ansinnen entgegenzutreten, dass die Bundesrepublik „die Zeche, die Frankreich und nicht wir gemacht haben“, allein bezahlen müsse (1983, Dok. 68). Frankreichs EWS-Austrittsdrohung beeindrucke kaum, weil dies dem Franc mehr schaden würde als der Mark. Griechenland wurde 1983 von Genscher gegenüber US-Vizepräsident Bush als Problemfall geschildert, weil der EG-Neuling Beschlüsse von NATO und EG zunehmend mit „einer Fußnote versehe“ sowie zum falschen Zeitpunkt, ohne sich mit den Verbündeten abzustimmen, sowjetischen Vorschlägen applaudiere. Athen müsse sich entscheiden, ob es „in diesen Gremien oder draußen sein wolle“ (Dok. 27).

Die Edition spiegelt in der Dokumentenauswahl (im Vergleich zu den 1950er- und 1960er-, aber auch noch zu den 1970er-Jahren) den relativen Bedeutungsverlust der „großen“ Botschaften in den Hauptstädten der engsten Verbündeten, vor allem Paris und London, aber auch in dem geographisch weiter entfernten und daher für Minister weniger leicht zu erreichenden Washington. Angesichts der grassierenden „Gipfelitis“, d.h. der wachsenden direkten, persönlichen, bilateralen, aber auch multilateralen Treffen des politischen Spitzenpersonals, hatten die Botschafter ihre Rolle als „Auge und Ohr“ sowie Sprachrohr der eigenen Seite weitgehend verloren. Sie wurden mit ihren ja nicht kleiner gewordenen Apparaten nun stärker administrative Begleiter des gewachsenen direkten Kommunikationsvolumens unter den Spitzen, als dass sie selbst Kommunikatoren der politischen Arkana gewesen wären. Jedenfalls haben es die Berichte der bundesdeutschen Botschafter in Paris und London nur selten in die Edition geschafft (der Vertreter in Paris ist 1984 mit einem einzigen Dokument berücksichtigt). Nach dem sicher sorgfältig erwogenen Urteil der Editoren der AAPD dürften politisch relevante und damit historisch interessierende Punkte eher in den Protokollen der zahlreichen bilateralen Konsultationen der Außenminister und Regierungschefs als in Botschafterberichten zu finden sein. Vor Ort akkreditierte Botschafter kommen in der Edition deshalb eher zum Zug, wenn sie aus Ländern der „Dritten Welt“ oder den Hauptstädten der kleineren Verbündeten berichteten, wohin sich ein westdeutscher Regierungschef oder Außenminister nicht so häufig verirrte (mit Ausnahme des häufig zitierten NATO-Botschafters, der aber eine Position sui generis hatte). Diese Mediatisierung der Botschaften in den großen Hauptstädten wurde auch dadurch verschärft, dass Staatssekretäre in Washington oder Paris sich ein persönliches Bild von der Lage verschafften oder hochrangige Spezialisten für Querschnittsfragen wie Rüstungskontrolle beziehungsweise politische oder Finanzfragen direkt in die Hauptstädte entsandt wurden und sich dort mit ihrem jeweiligen Gegenüber direkt berieten. Die Edition vermittelt den starken Eindruck, dass in den 1980er-Jahren, jedenfalls innerhalb des westlichen „Quadrumvirats“, Ansätze einer übernationalen Verfestigung informeller Gremien dominierten, wie in den hoch spannenden Beratungen der Politischen Direktoren, wo die jeweiligen Standpunkte sehr routiniert abgeklärt wurden – fast wie in einer innenpolitischen Koalition.

Hierzu eine Anregung: Vor dem Hintergrund des Wandels des kommunikativen Stils vor allem zwischen den Verbündeten und dem damit einhergehenden Wandel letztlich des Charakters der Diplomatie und der Aufgabenbeschreibung der Diplomaten wäre es für künftige Jahrgänge der AAPD sinnvoll, die großen, multilateralen, regelmäßig tagenden Gipfel (G7; Europäischer Rat; NATO), die mehr als nur allgemeine internationale Konferenzen darstellen, sondern vor allem im Falle der EG (beziehungsweise später dann der EU) ja auch unmittelbar in die Innenpolitik der beteiligten Länder einwirken, stärker zu berücksichtigen und gegebenenfalls mit eigenen Protokollen in die Edition aufzunehmen.3

Als Beispiel dienen mir die beiden Treffen des Europäischen Rats am 19./20. März 1984 in Brüssel und am 25./26. Juni in Fontainebleau. Die Reform des Agrarmarkts und der Finanzen war in Brüssel gescheitert. Die Hürde wurde erst im zweiten Anlauf genommen. Es ging um die Beilegung einer der „schwersten Krisen der Gemeinschaft seit ihrem Bestehen“, so der Bericht des Auswärtigen Amts (1984, Dok. 181). Aber wie diese Beilegung in den fraglichen Sitzungen ablief, bleibt verborgen. Sicher hinterlässt das vorausgegangene intensive Ringen um die EG-Finanzen zahlreiche Spuren in der Edition und ist Teil der Antwort. Hier zeichnet sich über Monate ab, wie sich Kompromisse formten, weil Kohl, Mitterrand, Thatcher und die übrigen Angehörigen des europäischen politischen Spitzenpersonals sich darüber permanent die Köpfe heiß redeten. Indes: Die Beratungen der Staats- und Regierungschefs selbst schlagen sich in der Edition nur in dürren Runderlassen nieder (Dok. 88, 181; ähnlich für 1983, z.B. Dok. 375), die die Ergebnisse knapp zusammenfassen.

Hier wäre die künftige Dokumentenauswahl doch grundsätzlich zu überdenken. Klar: Es ist die Edition des Auswärtigen Amts und seiner Akten; das legt bestimmte Auswahlkriterien nach Provenienzen fest und setzt wegen der notwendigen Aufhebung des Geheimhaltungsschutzes für fremde Akten praktische Grenzen. Doch mit der wachsenden Bedeutung der europäischen Ebene muss diese stärker gewichtet werden, da sie mehr Arbeitszeit von Außenminister und Bundeskanzler absorbiert. Schon jetzt werden Schriftstücke aus anderen Ministerien und dem Bundeskanzleramt sowie gelegentlich aus Nachlässen herangezogen – warum nicht auch „aus Europa“, zumal gleichzeitig viele bilaterale Regierungsgespräche (auch mit mehreren Minister-Teilnehmern beider Seiten) ja sehr genau protokolliert werden. Hatte das Auswärtige Amt beziehungsweise Bundeskanzleramt keinen „note taker“ bei europäischen Gipfeln? Wenn nicht, was könnte ersatzweise zur Dokumentation des Ablaufs der Beratungen herangezogen werden? Angesichts des Formwandels der Diplomatie seit den 1970er-Jahren stößt die Edition in der gewohnten Form an sachliche Grenzen und sollte wenigstens die Konferenzen im großen europäischen Rahmen direkt dokumentieren. So finden sich in der amerikanischen Aktenedition zur auswärtigen Politik, den „Foreign Relations of the United States“ (FRUS), sehr wohl fast wörtliche Protokolle des Weltwirtschaftsgipfels in Rambouillet (1975).4 Warum nicht in den AAPD?

Die Edition erscheint seit Jahren zuverlässig und mit der Präzision eines Uhrwerks zum Ablauf der 30-Jahres-Frist. Was es bedeutet, dass das Team des Instituts für Zeitgeschichte alljährlich die 30-Jahres-Hürde meistert, zeigt ein nationaler und internationaler Vergleich. So sind die AAPD der ergänzenden, von Innenministerium und Bundesarchiv herausgegebenen Edition „Dokumente zur Deutschlandpolitik“ (DzD) um Jahre voraus (dort zuletzt 1979/80). Die Edition der Kabinettsprotokolle steckt im Jahr 1970. Sie kommt für die primäre Historisierung regelmäßig zu spät. International erscheinen bei den FRUS nun die ersten Bände zur Carter-Administration (1977–1981), stehen für 2015 aber noch Nachzügler zu Nixon – Ford an und ist der erste Band zur Regierung Reagan (zum Falkland-Krieg) für 2015 angekündigt. Frankreich ist im Jahr 1970 angekommen, Italien liegt weit abgeschlagen in den 1950er-Jahren, die britische Edition weist immerhin systematische Vorstöße zur Deutschlandfrage bis 1990 sowie einen Band zu Afghanistan bis 1982 auf. Insofern steht die deutsche Aktenedition exzellent da. Das Auswärtige Amt und das Institut für Zeitgeschichte agieren hier vorbildlich. Da es sich um ein aus Steuermitteln finanziertes Projekt handelt, sollte die Edition aber, wie dies auf amerikanischer Seite geschieht, von Anfang an für die Öffentlichkeit in einer elektronischen Version frei verfügbar sein – was gerade bei einer sehr umfangreichen Edition, selbst wenn sie durch ein so exzellentes Register erschlossen wird wie die AAPD, angesichts der dann verbesserten Zugriffs- und Suchmöglichkeiten sinnvoll wäre.

Wie auch immer das Auswärtige Amt hier weiter vorgehen will: Die erwähnten Kritikpunkte (stärkere Berücksichtigung der internationalen Gipfel; mehr Mut zu digitalen Formaten) ändern nichts daran, dass die Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland routiniert ein hohes professionelles Niveau erreichen, was sich auch in der äußerst hilfreichen Erschließung weiterer Dokumente über die Fußnoten zeigt. Die Akten sind naturgemäß keine leichte Kost. Aber sie bleiben unverzichtbare, spannende Quellen nicht nur zur Diplomatie, sondern zur politischen Geschichte der Bundesrepublik insgesamt.

Anmerkungen:
1 Rolf Steininger, Waffenlieferant für die ganze Welt?, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.03.2015, Literaturbeilage, S. L20, <http://www.rolfsteininger.at/documents/150307_faz_FD1201503074510890.pdf> (22.04.2015).
2 Gunter Latsch / Fidelius Schmid / Klaus Wiegrefe, „Was geht die das an?“, in: Spiegel, 24.01.2015, S. 32ff., <http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-131463439.html> (22.04.2015).
3 Auf diese Lücke verweist auch Jost Dülffer in seiner Besprechung der AAPD 1983, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 5, <http://www.sehepunkte.de/2014/05/24886.html> (22.04.2015).
4 Foreign Relations of the United States, 1973–1976, Volume XXXI, Foreign Economic Policy, Document 122, <https://history.state.gov/historicaldocuments/frus1969-76v31/d122> (22.04.2015).

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