A. Bucossi (Hrsg.): Andronicus Camaterus. Sacrum Armamentarium

Titel
Andronicus Camaterus. Sacrum Armamentarium, Pars prima


Herausgeber
Bucossi, Alessandra
Reihe
Corpus Christianorum Series Graeca 75
Erschienen
Turnhout 2014: Brepols Publishers
Anzahl Seiten
298 S., LXXVI
Preis
€ 230
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Grünbart, Institut für Byzantinistik und Neogräzistik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Andronikos Kamateros gehörte einer der einflussreichsten Beamtenfamilien des 12. Jahrhunderts an, aus der nicht nur engste Berater des Kaisers, sondern auch ein Patriarch (Basileios Kamateros, 1183–1186) und eine Kaiserin (Euphrosyne Kamaterissa, Gemahlin Alexios‘ III., 1195–1203) hervorgingen. Andronikos genoss wie seine Brüder eine hervorragende Bildung1 und bekleidete hohe Funktionen in der Hauptstadt Konstantinopel als Stadteparch und als kaisernaher Berater.2 Im Jahre 1160 (nicht 1161!) wurde er zusammen mit anderen Würdenträgern von Kaiser Manuel I. nach Antiocheia geschickt, um dort mit Raimund von Poitiers über die Eheschließung mit dessen Tochter Maria zu verhandeln. Manuel nahm sie am 25. Dezember 1161 zur Frau. Andronikos verkörpert das Ideal des hochgebildeten, machtvollen Spitzenbeamten am Kaiserhof der Komnenenzeit. Er gab Literaturwerke in Auftrag und stand mit den wichtigsten Gelehrten seiner Zeit in Kontakt, was sich in deren Briefsammlungen nachweisen lässt. Von Andronikos hat sich kein Brief erhalten, jedoch andere Werke wie das hier vorzustellende. Er verfasste in den 1170er-Jahren eine Schrift, die unter dem Titel „Hiera Hoplotheke“ oder „Heilige Rüstkammer“ bekannt ist, welche sich neben die Abhandlungen eines Euthymios Zigadenos (Panoplia dogmatike, „dogmatische Rüstkammer“ für Kaiser Alexios I.) und Niketas Choniates (ebenfalls Autor einer Panoplia dogmatike) ebenbürtig einordnen lässt. Der Anlass dieser Schrift war eine Begegnung des Kaisers Manuel I. Komnenos (1143–1180) mit einer Gruppe von lateinischen Kardinälen aus Rom um 1172. Das Werk zählt zu den wichtigen theologischen Schriften des 12. Jahrhunderts, in denen sowohl die Missverständnisse und unterschiedlichen Standpunkte zwischen den christlichen Kirchen als auch die Einstellung der byzantinischen Orthodoxie gegenüber Häresien diskutiert wurden. Zugleich reiht sich das Werk des Andronikos in die Serie der Religionsgespräche ein und demonstriert die Vielseitigkeit seines Autors.

Die Schrift besteht aus zwei Teilen: Die erste Hälfte – in 9 Kapitel gegliedert – ist der lateinischen Kirche gewidmet und behandelt hauptsächlich den päpstlichen Primat und den Ausgang des Heiligen Geistes, während in der zweiten Hälfte andere Glaubensströmungen kritisiert werden (der armenische Miaphysitismus, der Monotheletismus, Theopaschitismus, Doketismus und Aphthartodoketismus).

Die Editorin, die sich bereits seit längerer Zeit mit dem theologischen Werk des Würdenträgers befasste3, legt im Vorwort der Ausgabe der ersten Hälfte des armamentarium besonders Wert auf die Klärung der Frage, auf welchen Grundlagen dieses Kompendium fußte. Kamateros hatte eine breite Kenntnis der zeitgenössischen Diskussionen über den Heiligen Geist, besonders das Oeuvre des Niketas von Maroneia weist Ähnlichkeiten auf. Bucossi argumentiert, dass es sich bei Niketas nicht um den 1145 verstorbenen Metropoliten von Thessalonike handele, sondern um Niketas, Bischof von Maroneia, der 1166 auf der Synode (kein „council“, S. XXIX), bei der es um die Formulierung Christi „Der Vater ist größer als ich“ ging, durch Wortmeldungen zur Auslegung patristischer Passagen (Basileios der Große, Johannes Chrysostomos, Gregor von Nazianz, Isidoros) auffiel und dessen Präsenz mehrfach in den Synodalakten nachgewiesen ist. Es fällt auf, dass die beiden Werke ähnlich aufgebaut sind und sich ähnlich entwickeln (S. XXX). Niketas‘ Text ist streng und klar aufgebaut, während sich bei Kamateros eine andere Organisation des Stoffes zeigt (Neues Testament, logische Fragen, Metaphern und patristische Zitate). Es ist bekannt, dass Niketas und Andronikos bei den Gesprächen des Kaisers mit den Kardinälen anwesend waren, ihre Eindrücke aber unterschiedlich verarbeiteten. Kamateros schrieb, um den Kaiser im rechten Licht darzustellen und ihn als theologisch versierten Monarchen zu preisen, während es Niketas mehr um die Aussöhnung zwischen lateinischen und griechischen Standpunkten ging. Klar nimmt Kamateros Bezug auf Ausführungen des Patriarchen Photios aus dem 9. Jahrhundert.

Dem Hauptwerk wird ein Widmungsgedicht des Georgios Skylitzes vorangestellt, ehe nach einem Prooimion, in dem Andronikos sein Werk beschreibt und er es den Kaiser benennen lässt (Zeile 53: […] Hieran Hoplotheken […] ten toiauten biblon onomasen), die Dialexis, ein Dialog zwischen dem byzantinischen Kaiser und den lateinischen Kardinälen, beginnt. Die Unterhaltung umfasst 75 Paragraphen (S. 22–78). Es folgt eine exhortatio an „die, die sagen, dass der Heilige Geist vom Vater und dem Sohn ausgeht“ (also an die lateinischen Gesprächspartner adressiert). Die folgende Sammlung patristischer Zitate (insgesamt 151 Passagen) wird von Kamateros sukzessive kommentiert (S. 81–215). In einem dritten Teil versammelt der Autor Syllogismen (S. 219–241).

Mit der seit 1869 erwarteten editio princeps des ersten Teils der „Geistigen Rüstkammer“ (Sacrum Armamentarium) des Andronikos Kamateros ist nun ein weiteres wichtiges Zeugnis zum Verständnis der Beziehungen zwischen der westlichen (lateinischen) und der orthodoxen Kirche in einer mustergültigen Edition zugänglich. Der Wermutstropfen einer fehlenden Übersetzung wird hoffentlich bald verschwunden sein, denn bei Liverpool University Press ist in den „Translated Texts for Byzantinists“ eine englische Übertragung angekündigt. Erst dann kann auch dieser Text – zu einem erschwinglichen Preis! – in den wissenschaftlichen Diskurs mit Mediävisten und Religionswissenschaftlern treten.

Anmerkungen:
1 Siehe etwa Mika Hakkarainen, Der Rhetor Johannes Kamateros. Eine prosopographische Notiz, in: Byzantinische Zeitschrift 89 (1996), S. 377–378.
2 Zur Karriere siehe Michael Grünbart, Byzantinisches Gelehrtenelend – oder: Wie meistert man seinen Alltag?, in: Anuscha Monchizadeh (Bearb.) / Lars Martin Hoffmann (Hrsg.), Zwischen Polis, Provinz und Peripherie. Beiträge zur byzantinischen Geschichte und Kultur, Mainz 2005, S. 413–426 und 419–420.
3 Z.B. Alessandra Bucossi, The Sacred Arsenal by Andronikos Kamateros, a forgotten treasure, in: Antonio Rigo / Pavel Ermilov (Hrsg.), Byzantine theologians. The systematization of their own doctrine, Rom 2009, S. 33–50.

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