E. Woodacre: The Queens Regnant of Navarre

Cover
Titel
The Queens Regnant of Navarre. Succession, Politics, and Partnership, 1274–1512


Autor(en)
Woodacre, Elena
Reihe
Queenship and Power
Erschienen
Basingstoke 2013: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
XVI, 267 S.
Preis
£ 58.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Clara Harder, Historisches Institut, Universität zu Köln

Studien über Königinnen im Mittelalter gehörten zu den frühesten Beiträgen der Mediävistik zur Geschlechtergeschichte, wurden jedoch längst durch andere Themen aus deren Fokus verdrängt.1 Dass dabei aber nach wie vor wichtige Aspekte der Geschichte weiblicher Herrschaft unbeantwortet sind, zeigt Elena Woodacres Buch über die spätmittelalterlichen Königinnen von Navarra. Es basiert auf der Dissertation der Autorin und ist Teil der englischsprachigen Reihe „Queenship and Power“. Deren Darstellungen waren bislang vornehmlich auf das frühneuzeitliche England ausgerichtet (mit zwei wichtigen Ausnahmen 2), so dass die Reichweite der Reihe durch die vorliegende Arbeit thematisch wie räumlich deutlich erweitert wird. Es ist dabei erstaunlich, dass erst jetzt eine solche Studie vorgelegt wird. Denn, wie Woodacre eingangs richtig bemerkt, bietet sich das Königreich Navarra für die Erforschung weiblicher Macht im Mittelalter wegen seiner einmaligen Rechtstradition in Bezug auf weibliche Sukzession und der vielen, das Reich regierenden Königinnen geradezu an.

Die Darstellung ist in fünf Kapitel gegliedert, in denen Elena Woodacre Herkunft und Herrschaft der navarresischen Königinnen Juana I., Juana II., Blanca I., Leonor und Catalina I. nachspürt. Es handelt sich also dezidiert nicht um eine lückenlose Darstellung der Geschichte des Königreichs zwischen dem ausgehenden 13. und beginnenden 16. Jahrhundert, auch wenn wichtige Teile dieser Geschichte von der Arbeit abgedeckt werden. Woodacre beurteilt die Herrschaft der Königinnen insgesamt als effektiv und kommt zu dem Gesamtergebnis, dass nur die weibliche Sukzession die Unabhängigkeit des Königreiches Navarra im Mittelalter gesichert habe. Die Bedeutung, welche die Königinnenherrschaft bei der Annexion des Königreiches durch Ferdinand von Aragón im Jahr 1512 spielte, akzentuiert sie demgegenüber deutlich weniger (S. 156–161 und 168–172).

Die Autorin konzentriert sich ausschließlich auf diejenigen Königinnen, die selbst die Thronfolger ihrer Amtsvorgänger(innen) waren. Die Unterscheidung einer solchen aus eigenem Recht herrschenden Königin („queen regnant“) von derjenigen, die lediglich die Ehefrau des Herrschers („queen consort“) ist, durchzieht die Studie auch inhaltlich. Woodacre verwendet in jedem Kapitel einen beträchtlichen Teil ihrer Darstellung darauf, das jeweilige Verhältnis zwischen den Königinnen und ihren Ehemännern zu beleuchten. Dabei interessiert sie sich in erster Linie dafür, ob und wie sich letztere in ihre Rolle als Prinzgemahl („king consort“) einfügten und wie das die Beziehung der Ehepartner beeinflusste. Dieser multiperspektivische Zuschnitt der Analyse weiblicher Herrschaft darf als vorbildlich gelten. Leider lässt es der auf die Frauen fokussierte Analyserahmen der Arbeit nicht zu, dass Woodacre dabei näher auf die Bedeutung solcher innerehelicher Machtverteilung für die zugrunde liegenden Männlichkeitsvorstellungen eingeht. Ihre Überlegungen in Bezug auf diese Thematik bieten allerdings für weitere Untersuchungen hervorragende Anknüpfungspunkte.

Woodacre bildet griffige Kategorien, um die jeweilige Aufgabenteilung und Herrschaftspraxis der Partner zu charakterisieren. Durch den Vergleich der Herrscherpaare wird deutlich, wie sehr das Schicksal der Königinnen und der Erfolg ihrer Regierung von der Kooperation mit ihren Ehemännern abhingen. Wegweisend scheinen in diesem Zusammenhang die Eheverträge gewesen zu sein, in denen die Ambitionen der Männer begrenzt werden konnten. Als entscheidender Punkt erweist sich dabei die Nachfolgeregelung im Falle des Todes der Königin. Während im Fall von Juana II. und Philip von Evreux klar formuliert wurde, dass der König die Herrschaft bei Eintritt der Volljährigkeit an den rechtmäßigen Erben der Königin abtreten müsse, wurde dieser Aspekt in dem Vertrag zwischen Königin Blanca und ihrem Mann Juan weniger konkret formuliert. In dem auf den Tod der Königin folgenden Konflikt ihres Witwers mit den gemeinsamen Kindern um die Herrschaft des Königreiches erkennt Woodacre den Anstoß für den Untergang Navarras.

Der Schwerpunkt von der historischen Darstellung liegt auf dem 15. Jahrhundert. Elena Woodacre bietet vor allem in den Kapiteln über die beiden früheren Königinnen Juana I. und Juana II. vergleichsweise wenige Details zur Geschichte Navarras oder den zentralen Inhalten ihrer Politik. Vieles wird nur angedeutet und leider nicht ausführlich diskutiert. Die gesamteuropäische Perspektive, die für das Thema zweifellos wichtig und notwendig ist, verdeckt hier immer wieder die Innensicht auf das Königreich. Dieser Perspektive wird erst in den folgenden drei Kapiteln mehr Raum zugemessen. Ob diese unterschiedliche Gewichtung aus einem relativen Mangel an Quellen hervorgeht oder andere Gründe hat, wird von der Autorin leider nicht thematisiert.

Ausführlich diskutiert Elena Woodacre jedoch, welche Faktoren ausschlaggebend dafür waren, dass Frauen im spätmittelalterlichen Südfrankreich und Nordspanien ihre Rechte als Erbinnen ihrer königlichen Eltern wahrnehmen konnten oder was sie daran hinderte. Sie verweist dabei auf die für Frauen vergleichsweise günstige Rechtslage der navarresischen Fueros, die eine weibliche Sukzession im Falle eines fehlenden direkten männlichen Thronerben vorsehen, und vergleicht davon abweichende andere europäische Rechtstraditionen, vor allem die Lex Salica. Die Schwierigkeiten, die fast alle von ihr portraitierten Königinnen bei der Thronbesteigung hatten, führt sie maßgeblich auf diese Ausgangslage zurück. Darüber hinaus betont Woodacre die Bedeutung von Präzedenzfällen weiblicher Herrschaft in der Vergangenheit und die Erfahrungen der jeweiligen Reiche damit. Sie ordnet in diesem Zusammenhang die Geschichte des Königreiches Navarra immer wieder in einen größeren europäischen Gesamtzusammenhang ein, was einerseits interessante Perspektiven aufzeigt, andererseits ihre Argumentation in Bezug auf die konkrete Situation in Navarra durch teilweise etwas unpassend scheinende Vergleiche (vor allem mit den Königinnen von Jerusalem) eher schwächt. Woodacre analysiert zudem ausführlich die zahlreichen geplanten, gescheiterten und geschlossenen ehelichen Verbindungen zwischen dem Königreich Navarra und den europäischen Herrscherhäusern und deren Bedeutung für die politischen Allianzen. Dem geschlechtergeschichtlichen Fokus trägt sie auch dadurch Rechnung, dass sie über ihre fünf Protagonistinnen hinausgehend zentrale Aspekte der Lebensgeschichte wichtiger weiblicher Mitglieder der jeweiligen Familien, wie Blanche von Artois oder Marguerite von Burgund diskutiert. Sie verhandelt dabei nur diejenigen Themen, die mit den von ihr behandelten zentralen Fragen nach weiblicher Macht und Herrschaft zusammenhängen.

Elena Woodacres Studie besticht zum einen durch ihren flüssigen Stil, zum anderen durch ihre Aufmerksamkeit für Details. Genealogische Aspekte werden ebenso souverän abgehandelt wie Fragen zur internationalen Heiratspolitik des europäischen Hochadels. Der Studie liegt dabei ein umfangreicher Fundus an erzählendem und dokumentarischem Quellenmaterial zugrunde. Woodacre zieht dabei auch bildliche Quellen, Siegel und Münzen heran, um dem Selbstbild der navarresischen Königinnen und ihrer Ehemänner nachzuspüren. Sie bezieht umfangreich die englische, vor allem aber französische und spanische Forschungsliteratur heran und nimmt dezidiert zu dieser Stellung. In den Anmerkungen finden sich diverse weiterführende Beobachtungen oder Diskussionen und Erläuterungen der Quellen oder Literatur. Leider präsentiert der Verlag diese als Endnoten, was die Benutzbarkeit des Buches insgesamt erschwert und die Gefahr in sich birgt, dass Elena Woodacres kritische Leistung nicht vollständig aufgenommen werden wird. Das wäre jedoch sehr bedauerlich, da ihre pointierte Darstellung neben ihrem hohen Unterhaltungswert auch eine wichtige Ergänzung der Forschung zu weiblicher Herrschaft im Mittelalter darstellt und für weitere Untersuchungen auf diesem Gebiet zahlreiche Anregungen bietet.

Anmerkungen:
1 In Deutschland fand 2010 auf der Reichenau die letzte größere Tagung zu dieser Thematik unter der Leitung von Claudia Zey statt. Die Publikation der Ergebnisse ist für März 2015 angekündigt: Claudia Zey / Sophie Caflisch / Philippe Goridis (Hrsg.), Mächtige Frauen? Königinnen und Fürstinnen im europäischen Mittelalter (11.–14. Jahrhundert), Ostfildern 2015.
2 William Layher, Queenship and Voice in Medieval Northern Europe, Basingstoke 2010; Theresa Earenfight, Queenship in Medieval Europe, Basingstoke 2013.

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