Cover
Titel
Jürgen Ponto. Bankier und Bürger


Autor(en)
Ahrens, Ralf; Bähr, Johannes
Erschienen
München 2013: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
348 S.; 36 Abb.
Preis
€ 24,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Veit Damm, Philosophische Fakultät, Historisches Institut, Universität des Saarlandes

Die Geschichte und Vorgeschichte des „Deutschen Herbstes“ 1977, in dem der Terrorismus der Roten Armee Fraktion (RAF) in der Bundesrepublik seinen Höhepunkt erreichte, ist ein wichtiges Kapitel der zeithistorischen Forschung. Die Biografie Jürgen Pontos ist eng mit diesen Ereignissen verknüpft: Der Vorstandssprecher der Dresdner Bank wurde im Juli 1977 das zweite Anschlagsziel des Jahres, nachdem im April bereits Generalbundesanwalt Siegfried Buback und sein Fahrer getötet worden waren. Die Welle der Gewalt – kurze Zeit später wurde auch Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer entführt und ermordet – hat zuletzt mehrere historische Arbeiten inspiriert.1 Die RAF sah die Anschläge nach dem Vorbild der Guerillabewegung als Teil einer Strategie, mit aktivem Terrorismus im Volk den bewaffneten Aufstand gegen die Herrschenden zu entzünden, oder verfolgte das Ziel, inhaftierte Mitglieder der Gruppe freizupressen. Begleitet wurden die Terrorakte von einem „aufgeheizten, polarisierten Klima […] in Gesellschaft und Politik zwischen Hysterie und Sympathisanz“2, das bis heute zu vielfältigen Legendenbildungen beiträgt.

Bislang ist wenig über die Person Jürgen Pontos bekannt. Die Arbeit von Ralf Ahrens und Johannes Bähr widmet sich diesem Thema, wobei neben der Geschichte des Attentats vor allem dessen Tätigkeit als Vorstandssprecher der Dresdner Bank von 1969 bis 1977 im Fokus steht. Die Arbeit wurde durch die – von der Dresdner Bank gegründete – Eugen-Gutmann-Gesellschaft finanziert und stützt sich vor allem auf den Büronachlass Pontos im ehemaligen Dresdner-Bank-Archiv, das heute Bestandteil des Commerzbank-Archives ist.

Das Buch gliedert sich in sieben inhaltliche Kapitel. Den Rahmen bilden drei chronologische Abschnitte zu „Herkunft, Jugend und Studienzeit“, dem Aufstieg Pontos „Vom Volontär zum Vorstandssprecher“ sowie zum Attentat und dem „Nachleben“. Im Zentrum stehen vier systematische Kapitel zur unternehmerischen Tätigkeit Pontos in der Dresdner Bank, seinen Beziehungen zur Politik und seinen Interessen für Kultur und Kunst. Insofern versteht sich das Buch vor allem als Beitrag zur Bankengeschichte. Besonders die Kapitel "Ponto und die Dresdner Bank" sowie "Ponto und die 'Deutschland AG'" – die mit rund 130 Seiten einen beträchtlichen Teil des Buches einnehmen – erschließen dabei neue Aspekte zur Unternehmensgeschichte der Dresdner Bank.

Wie Ahrens und Bähr herausarbeiten, gehörte Ponto in den 1970er-Jahren zu einer neuen, stärker medien- und weltmarktorientierten Managergeneration. Er stammte aus einer hanseatischen Kaufmannsfamilie und begann 1944 mit 20 Jahren ein Jurastudium in Göttingen, das er später in Hamburg abschloss. Seit 1950 arbeitete er als Referendar und Volontär in der Rechtsabteilung der Hamburger Kreditbank und übernahm früh Führungsaufgaben. Das Institut war bis 1945 eine regionale Filiale der Dresdner Bank, die nach der Stilllegung der Berliner Zentrale des Unternehmens umbenannt worden war. Nach der Fusion der Nachfolgeinstitute und Neugründung der Dresdner Bank in Frankfurt ergaben sich für Ponto weitere Karrierechancen. 1959 wurde er Chefsyndikus, das heißt Leiter einer der drei Rechtsabteilungen des Kreditinstituts, 1964 Mitglied des Vorstands und 1969 dessen Sprecher.

Die Auswahl Pontos für die Spitze stand dabei im Zusammenhang mit einem Generationswechsel im Vorstand, der mit einem grundlegenden Imagewandel einhergehen sollte. Galt die Dresdner Bank in den 1960er-Jahren noch als Prototyp einer 'Händlerbank', die überwiegend auf Großkredite und das Wertpapiergeschäft spezialisiert war, versuchte sich das Unternehmen nun darüber hinaus verstärkt dem Massengeschäft mit Privatkunden sowie den Chancen des Auslandsgeschäfts zuzuwenden. Ponto war davon überzeugt, dass diese Strategie angesichts eines Wandels der Medienöffentlichkeit in den 1970er-Jahren auch neue Anforderungen an die Kommunikationsarbeit stellte. Er war selbst häufiger Gesprächsgast in den Medien und ging davon aus, dass „die Zeiten allzu distinguierter Zurückhaltung [von Bankiers] vorbei waren“ (S. 73). Zugleich bemühte er sich um den allmählichen Aufbau einer professionellen Öffentlichkeitsarbeit. Die Bank erhielt erstmals seit dem Kaiserreich ein neues Logo, ein Pressesprecher wurde berufen, und außerdem versucht, die Werbung mit Absatzpolitik und Serviceangeboten zu verzahnen sowie auf präzise Marktanalysen und Prognosen zu stützen. Ein sichtbares Merkmal der dynamischen Selbstdarstellung in der Ära Ponto war zudem der Bau eines neuen Verwaltungshochhauses im Frankfurter Bahnhofsviertel. Der Wolkenkratzer, dessen Fertigstellung er nicht mehr erlebte, war Ahrens und Bähr zufolge das damals höchste Gebäude der Bundesrepublik.

Zudem strebte die Großbank unter Ponto eine systematische Modernisierung der Unternehmensführung an. Die Filialen wurden grundlegend reorganisiert und in allen Niederlassungen getrennte Arbeitsbereiche für das Firmenkundengeschäft sowie für 'Privatkundengeschäft und Bankbetrieb' eingerichtet. Zugleich erfolgte eine deutliche Erweiterung des Filialnetzes und eine „visuelle […] Öffnung der Schalterhallen zum Kunden“ (S. 79). Zur Förderung des Auslandsgeschäfts, dessen Anteil an der Bilanzsumme seit den 1960er-Jahren überproportional angestiegen war, veranlasste Ponto die Gründung von Niederlassungen an „ausgewählten international bedeutenden Finanzplätzen“: zuerst in Singapur, dann in New York, London, Tokio, Los Angeles und in Chicago. Mit der zunehmenden Internationalisierung änderte sich auch die Arbeit der Spitzenbankiers. Ponto gehörte – so Ahrens und Bähr – zur „ersten Managergeneration des Jet-Zeitalters“, für den Auslandsreisen einen alltäglichen Bestandteil seiner Tätigkeit bildeten (S. 104). Große Chancen sah er neben den führenden Finanzplätzen auch in der Sowjetunion und den Ostblockländern – als erste deutsche Großbank eröffnete die Dresdner Bank 1973 eine Repräsentanz in Moskau – sowie im Geschäft mit den erdölexportierenden Ländern im Nahen Osten (so wirkte Ponto wesentlich daran mit, die Beteiligung des Emirates Kuwait an der Daimler-Benz AG einzufädeln) und im Geschäft mit Südafrika, das noch nicht den Embargobestimmungen unterlag.

Übergreifend erscheint der Manager Jürgen Ponto in der Darstellung so von der Aufbruchsstimmung der 1970er-Jahre getragen, die häufig noch von dem Planungsoptimismus der vorangegangenen Dekade geprägt war und weitgehend ungetrübt von den Krisenerscheinungen der Zeit blieb. Anhaltende Stagnation und strukturelle Probleme seit Ende der siebziger Jahre erforderten aber bald auch Kurskorrekturen in der Expansionspolitik der Dresdner Bank. Dass Ponto in dem zunehmenden Krisenklima der Bundesrepublik Opfer eines Anschlags der RAF wurde, hing nicht nur mit seiner Medienpräsenz und der Bekanntheit als einer der führenden Vertreter der deutschen Wirtschaft zusammen. Vielmehr wurde der Anschlag möglich, da das RAF-Mitglied Susanne Albrecht dem persönlichen Umfeld Pontos angehörte. Nachdem Albrecht, die der Terrorgruppe erst 1976 beigetreten war, von der langen Freundschaft ihrer Familie zu den Pontos berichtet hatte, begann die RAF eine Entführung zu planen. 1975 war es der „Bewegung 2. Juni“ in einem ähnlichen Fall gelungen, Häftlinge freizupressen. Albrecht vereinbarte einen Besuch bei dem ahnungslosen Ponto und stellte so den Zugang zu seinem Privathaus her; jedoch scheiterte die Entführung: Vermutlich bei einem Gerangel wurde Ponto von den Terroristen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar erschossen, die in Begleitung Albrechts erschienen waren. Der Tathergang konnte nicht restlos aufgeklärt werden. Mohnhaupt und Klar, die erst viele Jahre später gefasst wurden, verweigerten im Prozess die Aussage.

Das Buch verzichtet darauf, das Attentat breiter in die Geschichte des Terrorismus der 1970er- und 1980er-Jahre einzuordnen. Insofern liegt die Stärke der Arbeit vor allem auf bankhistorischem Gebiet. Sie stößt in eine Zeit vor, in der es – aus unternehmensgeschichtlicher Perspektive – noch wenig detaillierte Untersuchungen über die Strategien deutscher Großbanken gibt. Partiell wäre jedoch eine kritischere Auseinandersetzung mit dem Wirken Pontos wünschenswert gewesen, der fast einseitig positiv dargestellt wird, sowie auch eine breitere Einordnung der Ergebnisse in die Unternehmensgeschichte der Dresdner Bank im 20. Jahrhundert etwa in Hinblick auf die Frage nach Kontinuitäten in der Unternehmens- und Kommunikationspolitik.

Anmerkungen:
1 Vgl. Heinz-Gerhard Haupt u.a. (Hrsg.), Terrorismus in der Bundesrepublik. Medien, Staat und Subkulturen in den 1970er Jahren, Frankfurt am Main 2006; Petra Terhoeven, Deutscher Herbst in Europa. Der Linksterrorismus der siebziger Jahre als transnationales Phänomen, München 2013.
2 Andreas Rödder, Die Bundesrepublik Deutschland 1969–1990, München 2004, S. 58.

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