P. J. Kosmin: The Land of the Elephant Kings

Cover
Titel
The Land of the Elephant Kings. Space, Territory, and Ideology in the Seleucid Empire


Autor(en)
Kosmin, Paul J.
Erschienen
Cambridge, Mass. 2014: Harvard University Press
Anzahl Seiten
XV, 423 S.
Preis
$ 49,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
André Heller, Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Das Reich der Seleukiden gehört noch immer zu den weniger beachteten Bereichen der Alten Geschichte, obwohl in letzter Zeit eine starke Zunahme an Studien zu verzeichnen ist.1 Paul Kosmin, Assistant Professor für Alte Geschichte an der Harvard University, legt in seiner Arbeit eine Studie zur Konzeption des seleukidischen Territoriums vor, das sich anders als das ptolemäische Ägypten oder das antigonidische Makedonien über landschaftlich wie kulturell disparate Gebiete erstreckte. In seiner ausführlichen „Introduction“ (S. 1–27) gibt er einen Überblick zu Geschichte, Geographie und Quellen sowie zum Aufbau seiner Arbeit. Seine Ankündigung, alle Textquellen seien anhand des Originals studiert und in ihren Kontext eingeordnet worden (S. 12), führt zu einer positiven Erwartung, die Kosmin auch nicht enttäuscht. Das Buch gliedert sich in vier Großkapitel zu den Themenbereichen „Border“, „Homeland“, „Movement“ und „Colony“, die nach dem zweiten Abschnitt von einem kleinen Zwischenfazit unterbrochen werden („Interlude – King of Asia“, S. 121–125).

„Border“ handelt von der Abgrenzung der seleukidischen Territorien in Indien (S. 31–58) und Zentralasien (S. 59–76). Durch den Frieden mit Chandragupta 305/4 v.Chr. sicherte Seleukos I. die Ostgrenze und erhielt im Gegenzug 500 indische Elefanten. Kosmin argumentiert überzeugend, dass Megasthenes als Unterhändler beteiligt war und später Botschafter am Hof Chandraguptas wurde.2 Seinen Indiká sei die Aufgabe zugefallen, die Abtretung der von Alexander eroberten Gebiete durch Seleukos zu rechtfertigen. Megasthenes zeichnete ein realistisches Bild von Indien mit dem Ganges als Mittelpunkt; das durch die Leistungen Dionysos’ und Herakles’ zivilisierte Land sei von Städten überzogen und daher uneinnehmbar, weshalb auch andere Eroberer gescheitert seien. Ähnlich hätten die Land- bzw. Seeexpeditionen der Strategen Demodamas und Patroklos die Nordgrenze des Seleukidenreiches fixiert (S. 61–76). Während Ersterer am Iaxartes Altäre errichtete, etablierte Letzterer die – falsche – Ansicht einer Verbindung des Kaspischen Meeres mit dem umfließenden Ozean sowie die These, dass Iaxartes und Oxos in dieses Meer münden, wodurch ein Handelsweg von Indien und eine territoriale Abgrenzung am Okeanos konstruiert worden seien (S. 76).

Unter dem Titel „Homeland“ (S. 79–119) untersucht Kosmin das Verhältnis der Seleukiden zu Makedonien sowie die Formung Syriens zu einer neuen Heimat. Der Sieg über Lysimachos brachte Seleukos Zugang zur Ägäis und nach Makedonien. „Heimweh“ (nostos) als Motiv betont der zeitgenössische Lokalhistoriker Nymphis von Herakleia, welches daher vom seleukidischen Hof offiziell propagiert worden sein dürfte. Dies bestätige auch eine Keilschriftchronik, die vom Übergang „nach Makedonien, seinem Land“ spreche (S. 83f.). Die Interpretation besticht, doch ist diese Wendung, anders als Kosmin unterstellt, in babylonischen Chroniken auch sonst gebräuchlich.3 Der Friedensschluss Antiochos’ I. mit Antigonos Gonatas sei mit Seleukos’ Frieden mit Chandragupta zu vergleichen, da jetzt auch im Westen eine Grenze fixiert worden sei; Teile Thrakiens hätten immer zum Seleukidenreich gehört (S. 87–92).4 Der Bericht über den Verlust des Siegelrings mit dem Ankermotiv, den Seleukos beim Abschied von seiner Mutter erhalten hatte, im Euphrat sei daher nicht als „sinking of the anchor“ in Babylonien, sondern als Verlust der Heimat zu interpretieren. Wegen der Unerreichbarkeit Makedoniens sei Syrien, wohl ab Antiochos I., durch Umbenennungen von Städten zu einem zweiten Makedonien und damit zum „Homeland“ geformt worden (S. 108f.). Die Verbundenheit Antiochos’ zu Syrien sei auch im Borsippa-Zylinder erkennbar, da er die Ziegel für den Neubau von Ezida in Syrien fertigen und dann nach Borsippa gebracht habe; auf syrischen Einfluss verweise auch die babylonische Wiedergabe des Namens seiner Gemahlin Stratonike.5 Der seleukidischen Herrschaft habe, so Kosmin im Zwischenfazit, der Postulat auf Unendlichkeit gefehlt – im Gegensatz zu den Achämeniden (S. 123).

Der dritte Teil zur Mobilität der Herrscher („Movement“, S. 129–180) widmet sich zuerst „Arrivals and Departures“. Eine interessante Überlegung betrifft den „Tag von Eleusis“: Zwar habe der römische Gesandte C. Popilius Laenas Antiochos IV. durch seinen Kreis im Sand Roms Vorstellungen aufgezwungen, doch habe dies eigentlich dem seleukidischen Konzept des „limited space“ entsprochen (S. 130). Nach dem Frieden von Apameia geriet das Reich in einen fortwährenden Kampf innerhalb der Dynastie, wobei die verschiedenen Prätendenten jeweils beim Betreten des Reichsterritoriums zum König geworden seien (S. 134). Beinahe kongenial ist die Annahme, dass die rätselhafte Hochzeit Antiochos’ III. mit Euboia von Chalkis eine symbolische Geste gewesen sei, mit der sich der König die Insel einverleibt habe (S. 137). Mobilität war Bestandteil der Herrschaftsauffassung; lange Reisen konnten im Münzbild durch wachsenden Bart zum Ausdruck kommen. Die Überwindung von Hindernissen wie Bergen und das Erscheinen im Feld war wohl eine Übernahme altorientalischer Vorstellungen; die Präsenz des Herrschers fand im neunmal belegten Titel Epiphanes ihren Ausdruck (S. 178).

Das letzte Kapitel „Colony“ (S. 183–251) betrachtet die Gründung von Städten und das Verhältnis der Poleis zum König. Die Seleukiden erschlossen mittels Gründungen, die allesamt nach hippodamischem System angelegt wurden, die Peripherie ihres Reiches, so in Syrien und im Tigrisraum; oft wurde zum Mittel des Syn- oder Metoikismos gegriffen. Die Seleukiden prägten die Landschaften zudem durch Kanalbauten und Neuparzellierung; am Beispiel der Amuq-Ebene lässt sich dies archäologisch anschaulich zeigen (S. 198). Bei den Gründungen ist zwischen Festungen zur Machtsicherung und Städten, bei denen ästhetische Gesichtspunkte eine große Rolle spielten, zu differenzieren, beide unterschieden sich im Aufbau aber nur wenig. Der städtische Palast, den Kosmin als „forbidden city“ (S. 225) charakterisiert, war durch Gebäude, Kanäle und Drehung der Achse von der Stadt deutlich geschieden. Obwohl man den König als Gründer betrachtete, wurden teils lokale Oikisten verehrt oder, wie bei Antiocheia, ältere Gründungsmythen konstruiert. Von den umbenannten Städten behielt keine ihren Namen nach dem Fall der Seleukiden, oft war der alte Name parallel weiter in Gebrauch geblieben. Insgesamt brachte es die starke Dezentralisierung des Seleukidenreiches mit sich, dass in der Zeit seines Niedergangs Städte miteinander konkurrierten und lokale Fürsten an Bedeutung gewinnen konnten.

Kosmins „Conclusion“ (S. 253–258) evaluiert die Ergebnisse, wobei der Autor zwischen Fehlern und Vermächtnis der Seleukiden scheidet. Es sei ihnen einerseits nicht gelungen, Identifikation zu schaffen, da Rebellen zur Legitimation auf frühere Reiche zurückgriffen, andererseits aber ordneten sie den Raum für beinahe 1000 Jahre bis zur arabischen Eroberung. In souveräner Manier beherrscht und interpretiert Kosmin die Quellen, denen er – wenngleich für das Babylonische zu sehr beflügelt von der eigenen Begeisterung – eine Vielzahl an erstaunlichen Beobachtungen abgewinnt, die er an passender Stelle mit modernen Parallelen illustriert.6 Das Buch ist gleichsam fundiert wie unterhaltsam und sprachlich auf höchstem Niveau; es regt dabei zum Nachdenken und Widerspruch an. Kosmin setzt ein dickes Ausrufezeichen, wie Forschung zum Seleukidenreich aussehen kann.

Anmerkungen:
1 Vgl. jüngst Sonja Plischke, Die Seleukiden und Iran. Die seleukidische Herrschaftspolitik in den östlichen Satrapien, Wiesbaden 2014.
2 In der Appendix „On the Date of Megasthenes’ Indica“ (S. 261–271) begründet Kosmin seine Einordnung der Mission unter Seleukos gegen die Datierung in die Jahre 320–318 v.Chr. durch Albert B. Bosworth, The Historical Setting of Megasthenes’ Indica, in: Classical Philology 91 (1996), S. 113–127, die in Brill’s New Jacoby übernommen wurde.
3 BCHP 9 (= Irving Finkel / Robartus van der Spek, Babylonian Chronicles of the Hellenistic Period, <http://www.livius.org/cg-cm/chronicles/bchp-end_seleucus/seleucus_01.html>; Stand: 17.01.2015), Rs. 1’ff., entspricht dem standardisierten Aufbau der Chroniken: Musterung des Heeres, Feldzug, Rückkehr in der Wendung ana mātišu tāru („in sein Land zurückkehren“), vgl. ABC 3 (= Albert K. Grayson, Assyrian Babylonian Chronicles, Locust Valley 1975). Da der babylonische König nach Babylon zurückkehrt, wäre der Zusatz „nach Babylon, sein Land“ redundant. Daher bleibt BCHP 9 im Rahmen; leider fehlt das Verb – vermutlich ist das Logogramm GIN (alāku, „gehen“) zu ergänzen. Kosmins Argument bleibt davon unberührt.
4 Die Notiz der babylonischen Königsliste (Vs. 8’), Seleukos sei „im Land Ḫanî“ getötet worden, ist eher kein Reflex sekleukidischer Ansprüche auf Thrakien (S. 91); von einer Gleichsetzung des Landes Ḫanî mit Thrakien sollte abgesehen werden. Ḫanî ist auch an anderer Stelle belegt: Im Kolophon von AD -328 (= Abraham Sachs / Hermann Hunger, Astronomical Diaries and Related Texts from Babylonia, Bd. 1, Wien 1988) ist Alexander der Große „König von Ḫanî“; außerdem erscheinen „Truppen von Ḫanî“ (vielleicht Argyraspiden) in der Dynastischen Prophetie.
5 Da semitische Sprachen keine dreikonsonantische Folge kennen, braucht die Schreibung as-ta-ar-ta-ni-ik-ku nicht an die „syrische“ Göttin Astarte gemahnen. Pierre-Alain Beaulieu, Nabû and Apollo: The Two Faces of Seleucid Religious Policy, in: Friedhelm Hoffmann / Karin Stella Schmidt (Hrsg.), Orient und Okzident in hellenistischer Zeit, Vaterstetten 2014, S. 13–30, bes. S. 24–29, erkennt den Synkretismus Nabû – Apollo (Strab. 16,1,7) im Borsippa-Zylinder, da zwischen babylonisch apal / aplu, „Sohn“, einem Epitheton Nabûs, und Apollo eine Paronomasie konstruiert worden sei. Vielleicht sei sogar das Königspaar als Apollo und Artemis (bzw. Nabû – Nanāja) aufzufassen, da Antiochos den sonst Nabû vorbehaltenen Titel aplu ašaridu („erhabenster Sohn“; coll. I 4. II 22) trägt.
6 Angeführt werden etwa Neusiedler aus Japan und dem Punjab in Kalifornien oder die chassidischen Juden New Yorks (S. 108–110).

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