G. Golden: Crisis Management during the Roman Republic

Cover
Titel
Crisis Management during the Roman Republic. The Role of Political Institutions in Emergencies


Autor(en)
Golden, Gregory K.
Erschienen
Anzahl Seiten
XIII, 245 S.
Preis
£60.00 / $95.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Alexandra Eckert, Institut für Geschichte, Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg

Im Mittelpunkt der Monographie von Gregory K. Golden stehen krisenhafte Schlüsselereignisse der römischen Republik. An ihnen illustriert der Verfasser Funktion und Effektivität der zum Einsatz kommenden Notstandsmaßnahmen. Die Arbeit stellt die überarbeitete Version seiner an der Rutgers University entstandenen Dissertation zum Thema „Emergency Measures. Crisis and Response in the Roman Republic“ dar.

Ein kurzer historischer Überblick im Vorwort skizziert die verschiedenen Reaktionen auf Krisen in der Republik. Ausgangspunkt ist die schwierige Lage der Jahre 44/43 v.Chr., die auf die Ermordung des Diktators Caesar im März 44 v.Chr. folgte. Um der Krise zu begegnen, schlug Cicero dem römischen Senat eine ganze Reihe etablierter Notstandsmaßnahmen vor, darunter tumultus, iustitium und senatus consultum ultimum (S. XII–XIV). Diese drei Notstandsmaßnahmen bilden neben der Diktatur den Schwerpunkt von Goldens Untersuchung. Die Diktatur sei insbesondere für die Frühzeit der Republik wichtig gewesen, habe dann aber an Bedeutung verloren. Ab der Zeit der Gracchen hätten vor allem innere Krisen die Republik bedroht. Als bedeutendstes Mittel zur Überwindung solcher Krisen beschreibt Golden das senatus consultum ultimum, das aber im Fall von Sulla und Caesar keine Wirksamkeit mehr gezeigt habe (S. XIV–XVII).

Im ersten Kapitel behandelt der Autor die Frage, wie „Krise“ zu definieren sei, und gibt einen kurzen Überblick der für seine Fragestellung relevanten Werke antiker Autoren. Golden kritisiert vor allem Arbeiten zur ‚Krise der römischen Republik‘ für ihren Umgang mit diesem Begriff und vertritt die Ansicht, dass jeweils deutlicher gemacht werden müsse, was eine krisenhafte Situation auszeichne und wer davon betroffen sei. In der Forderung nach einer besseren Reflexion des Begriffs und seiner Anwendung kann man Golden sicherlich Recht geben, auch wenn eine Diskussion der These Christian Meiers zur „Krise ohne Alternative“1 seine Argumentation noch abgerundet hätte. Goldens Folgerung, die Krise der römischen Republik habe in erster Linie eine Bedrohung für die Macht der senatorischen Führungsschicht dargestellt (S. 3f.), berücksichtigt zu wenig die Rolle des römischen Volkes im politischen System der Republik2 und auch die schwerwiegenden direkten und indirekten Auswirkungen der Bürgerkriege auf die römische Bevölkerung als Ganzes.3

Golden definiert „Krise“ unter Rückgriff auf politikwissenschaftliche Arbeiten4 als „situation in which a decision maker, or a group designated as the decision makers within a community, perceives a threat to itself or to things upon which the decision maker places very high value (core values). If a response is not made to the threat within a limited time frame, the expectation is that core values will be negatively impacted, possibly to the point of destruction“ (S. 4f.). Er unterscheidet für seine Studie zwischen militärischen Krisen (military-security crises) und politischen Krisen (political crises), räumt aber ein, dass die Trennlinie zwischen beiden Typen nicht einfach zu ziehen sei (S. 5).

Im zweiten Kapitel behandelt Golden die Diktatur als Mittel zur Krisenbewältigung in der frühen und mittleren Republik. Als wesentliche Aufgaben des Diktators beim Umgang mit militärischen Krisen sieht er die Ernennung eines magister equitum, die Aushebung von Soldaten, die Führung der Streitkräfte in der Schlacht sowie den Rücktritt des Diktators nach Beendigung der Krise (S. 13). Die Diktatur sei vor allem während der Ständekämpfe auch im Fall innerer Krisen zum Einsatz gekommen. Das Amt habe jedoch seine Bedeutung nach dem Ende des Zweiten Punischen Krieges verloren. Hier hätte eine Diskussion der Diktaturen Sullas und Caesars das Kapitel noch sinnvoll ergänzt.

In den folgenden beiden Kapiteln setzt sich Golden mit der offiziellen Erklärung eines Notstandes auseinander, die in der Regel durch die Ausrufung eines tumultus und die Verkündung eines iustitium erfolgte. Die Deklaration des tumultus – eines Notstandes durch unerwartete Kriegsgefahr – diente nach Golden der beschleunigten Aushebung von Soldaten durch die Obermagistrate, bei der die üblichen Befreiungen vom Militärdienst (vacationes) nicht berücksichtigt wurden. Sichtbares Zeichen für die Feststellung des tumultus sei der Wechsel der Kleidung von der Toga zum sagum, dem Kriegsgewand der Römer. Golden arbeitet an einer Reihe von Fallbeispielen heraus, dass diese Maßnahme zur Krisenbekämpfung nicht nur in der frühen und mittleren Republik, sondern bis zu ihrem Ende zum Einsatz kam. Die Deklaration eines iustitium hatte den Stillstand des Gerichtwesens sowie des normalen Geschäftsverkehrs der städtischen Quästoren zur Folge. Sie erfolgte im Regelfall zusammen mit Ausrufung des tumultus und nur in Ausnahmefällen alleine. Golden diskutiert zwei dieser Sonderfälle, bei denen seiner Meinung nach ein iustitium ohne vorherige Erklärung eines tumultus verkündet wurde: im Jahr 111 v.Chr. nach der Zulosung des Kommandos im Krieg gegen Iugurtha sowie im Jahr 88 v.Chr. durch die Konsuln Sulla und Q. Pompeius Rufus. Er räumt jedoch ein, dass die Frage, ob 88 v.Chr. die Erklärung eines iustitium erfolgte, nicht abschließend zu entscheiden sei (S. 101), denn der Wortlaut bei Appian5 lässt auch die Deutung feriae zu.6

Das fünfte Kapitel behandelt das senatus consultum ultimum (SCU). Golden diskutiert knapp die Herkunft des Begriffes und seine Abgrenzung gegenüber tumultus und iustitium, bevor er, beginnend mit C. Gracchus 121 v.Chr., chronologisch die bekannten SCU-Deklarationen vorstellt (die SCU des Jahres 43 v.Chr. untersucht er allerdings separat im siebten Kapitel). Das SCU war demnach in erster Linie eine Notstandserklärung durch den Senat, ohne dass damit die Verkündung von tumultus und iustitium durch die Obermagistrate ersetzt oder deren Exekutivgewalt in besonderer Weise erweitert wurde (S. 148f.).

Goldens sechstes Kapitel fasst verschiedene krisenhafte Vorfälle aus der Geschichte der römischen Republik zusammen, bei denen einem Notstand durch andere Maßnahmen als tumultus, iustitium und SCU begegnet wurde. Das breite Spektrum der behandelten Ereignisse umfasst etwa Hannibals Marsch auf Rom im Jahr 211 v.Chr., die Makedonien-Krise des Jahres 200 v.Chr., den Bacchanalien-Skandal 186 v.Chr., das Volkstribunat des Tib. Gracchus 133 v.Chr. sowie das Konsulat des Q. Pompeius Rufus und des Sulla im Jahr 88 v.Chr. Golden unterteilt diese Ereignisse in drei Kategorien: in Krisen, die keinen unmittelbaren Notstand auslösten, Krisen, die Notstandscharakter hatten, aber außerhalb des Repertoires der üblichen Maßnahmen bewältigt wurden, und schließlich Krisen, in denen das römische Gemeinwesen nicht in der Lage war, eine abgestimmte Reaktion zu zeigen.

Das siebte Kapitel wendet sich erneut den Jahren 44 und 43 v.Chr. zu. Golden beschreibt hier in einer detaillierten Darstellung, wie der Senat zunächst erfolgreich verschiedene Notstandsmaßnahmen zum Einsatz brachte, um den Krieg zwischen Marcus Antonius und dem Caesarmörder Brutus um die Provinz Gallia Cisalpina in seinem Sinne zu entscheiden. Der Tod der beiden Konsuln Hirtius und Pansa sei jedoch ein Wendepunkt gewesen. Schließlich marschierte Octavianus auf Rom, was auch durch die Erklärung von tumultus und SCU nicht mehr aufgehalten werden konnte; dies habe, so Golden, das Ende der Republik besiegelt.

Abschließend fasst Golden die historische Entwicklung der Instrumente zur Krisenbewältigung noch einmal zusammen. Seiner Auffassung nach stellte die Diktatur während der frühen Republik das primäre Mittel zur Eingrenzung und Bewältigung von externen wie internen Krisen dar. Damit verbunden gewesen sei eine Konzentration der Entscheidungshoheit bei einem einzigen Magistraten. Das Entscheidungszentrum habe sich spätestens mit dem Sieg über Hannibal zum Senat hin verlagert. Mit der erstmaligen Anwendung des SCU gegen C. Gracchus sei die Entscheidungskompetenz in Krisenfragen vom Senat wieder in Richtung der Obermagistrate gerückt und der Einsatz von Gewalt zur Beendigung innerer Notlagen sanktioniert worden. So seien Einzelpersonen wie Sulla und Caesar in Patt- und Krisensituationen in die Lage versetzt worden, ihre persönlichen Interessen mit Gewalt in einem Bürgerkrieg durchzusetzen. Golden sieht die Hauptursache für das Scheitern der Republik im Fehlen eines obersten „Schiedsrichters“, eine Rolle, die erst der Princeps übernommen und ausgefüllt habe. Man kann hier die Frage stellen, ob nicht der Senat eine solche Schiedsrichterfunktion in Krisenzeiten vor der Schlacht von Cannae und den hohen Verlusten innerhalb der römischen Elite bereits innegehabt, sie aber später wieder verloren hatte.7

Golden hat mit seiner Monographie ein wichtiges Thema aufgegriffen. Er bietet einen Überblick zu den wesentlichen Krisensituationen der römischen Republik und beleuchtet differenziert verschiedene Maßnahmen, die zu ihrer Bewältigung ergriffen wurden. Goldens Überlegungen zum SCU hätten von einem genaueren Blick auf den Zusammenhang zwischen SCU und hostis-Erklärung profitiert. Darüber hinaus wäre in diesem Kontext eine Auseinandersetzung mit den entsprechenden Thesen von Ungern-Sternberg hilfreich gewesen.8 Gerade für die Ereignisse der Jahre 88, 49 und 43 v.Chr. ist die Frage der hostis-Erklärung von einiger Relevanz9, wird von Golden aber nur kursorisch behandelt.10 Hervorzuheben ist Goldens Diskussion der verschiedenen Dimensionen von „Krise“. Goldens berechtigte Forderung, diesen Begriff und seine Verwendung in der althistorischen Forschung einer kritischen Reflexion zu unterziehen, liefert wertvolle Impulse für weitere Untersuchungen auch außerhalb des Bereichs der römischen Republik.

Anmerkungen:
1 Christian Meier, Res publica amissa. Eine Studie zu Verfassung und Geschichte der späten römischen Republik, Wiesbaden 1966. Vgl. auch Karl-Joachim Hölkeskamp (Hrsg.), Eine politische Kultur (in) der Krise? Die letzte Generation der römischen Republik, München 2009.
2 Vgl. zur Rolle des römischen Volkes und seines Zusammenwirkens mit der senatorischen Führungsschicht Karl-Joachim Hölkeskamp, Rekonstruktionen einer Republik. Die politische Kultur des antiken Rom und die Forschung der letzten Jahrzehnte, München 2004 (englische Übersetzung: Princeton 2010).
3 Vgl. z.B. für die verheerenden Folgen von Sullas Sieg im Bürgerkrieg Edward T. Salmon, Samnium and the Samnites, Cambridge 1967; Werner Dahlheim, Der Staatsstreich des Konsuls Sulla und die römische Italienpolitik der achtziger Jahre, in: Jochen Bleicken (Hrsg.), Colloquim aus Anlass des 80. Geburtstages von Alfred Heuss, Kallmünz 1993, S. 97–116; Alexandra Eckert, Remembering Cultural Trauma. Sulla’s Proscriptions, Roman Responses and Christian Perspectives, in: Eve-Marie Becker / Jan Dochhorn / Else K. Holt (Hrsg.), Trauma and Traumatization in Individual and Collective Dimensions, Göttingen 2014, S. 262–274 (erscheint Oktober 2014).
4 Michael Brecher, Crises in World Politics, Oxford 1993.
5 App. civ. 1, 55, 244.
6 So auch die Deutung von Wolfgang Kunkel / Roland Wittmann, Staatsordnung und Staatspraxis der römischen Republik. 2. Abschnitt. Die Magistratur (Handbuch der Altertumswissenschaft X.3.2.2), München 1995, S. 226, Anm. 435.
7 Christoph Lundgreen, Regelkonflikte in der römischen Republik, Stuttgart 2011.
8 Jürgen Ungern-Sternberg von Pürkel, Untersuchungen zum spätrepublikanischen Notstandsrecht. Senatusconsultum ultimum und hostis-Erklärung, München 1970. Für englischsprachige Literatur zum Zusammenhang zwischen SCU und hostis-Erklärung mit Verweis auf Ungern-Sternberg vgl. Andrew Lintott, Violence in Republican Rome, 2. Aufl., Oxford 1999, S. 155; Wilfried Nippel, Public Order in Ancient Rome, Cambridge 1995, S. 66–68.
9 Vgl. für das Jahr 49 v.Chr. und die Verwendung von inimicus und hostis in der Auseinandersetzung zwischen Caesar und Pompeius Kurt Raaflaub, Dignitatis Contentio. Studien zur Motivation und politischen Taktik im Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius, München 1974.
10 Golden behandelt die hostis-Erklärung im Wesentlichen auf S. 120 (mit Anm. 56 u. 57) und S. 195 (mit Anm. 10).

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