K. M. Girardet (Hrsg.): Konstantin, Rede an die Versammlung der Heiligen

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Titel
Konstantin, Rede an die Versammlung der Heiligen. Griechisch-Deutsch


Herausgeber
Girardet, Klaus Martin
Reihe
Fontes Christiani 55
Erschienen
Freiburg 2013: Herder Verlag
Anzahl Seiten
291 S.
Preis
€ 40,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Aus der jüngsten Flut der Forschungen zu Kaiser Konstantin herauszuragen, ist alles andere als eine leichte Aufgabe. Girardets zweisprachige Ausgabe der konstantinischen Rede an die Versammlung der Heiligen (oratio ad sanctorum coetum) in den Fontes Christiani gelingt dies jedoch in zweifacher Hinsicht: Zum einen ist Girardet, emeritierter Professor für Alte Geschichte an der Universität des Saarlandes, ein langjähriger und anerkannter Erforscher der Zeit Konstantins, dessen fundierte Kenntnisse für diese Ausgabe ein großer Gewinn sind; zum anderen handelt es sich bei seiner Edition um die Übersetzung einer exakt hundert Jahre vor Erscheinen dieser Ausgabe zum letzten Mal ins Deutsche im Rahmen der Bibliothek der Kirchenväter übertragenen Rede Konstantins, eine Neuübersetzung war daher lange schon ein Desiderat. Auch die neueren Übersetzungen in andere moderne Sprachen sind erst in den letzten zehn Jahren erschienen.1

Etwas ungewöhnlich, aber nachvollziehbar angesichts der mit dieser Rede verbundenen Kontroversen ist die lange Einleitung, die etwa denselben Umfang wie Text und Übersetzung zusammen aufweist. In den Ausführungen zur Rede und ihrem Autor (S. 9–27) tritt Girardet für die Echtheit der Rede – Teile der Forschung glauben an ein späteres Konstrukt – ein und zieht sie somit als authentisches Selbstzeugnis Konstantins heran. Bezüglich der Umstände, unter denen die Rede gehalten wurde (S. 28–48), nimmt Girardet eine Frühdatierung auf den 16. April 314, den Karfreitag dieses Jahres, an; sie sei im Kaiserpalast von Trier gehalten worden. Das Publikum seien wahrscheinlich die in Trier anwesenden Christen und Bischöfe gewesen. Girardets Argumentation für das Jahr 314 als terminus post quem der Rede ist in jeder Hinsicht zuzustimmen: Der Redner verweise auf die Siege über Maxentius und Maximinus Daia, der Karfreitag des Jahres 313 sei aber zu früh für die Rede. Girardets Argumente für das erstmögliche Datum 314 (die Schilderung der erwähnten Ereignisse deute auf ein zeitnahes Geschehen hin, zudem gebe es keine über 313 hinausführenden Hinweise) haben durchaus eine gewisse Plausibilität, stellen letztlich jedoch keinen sicheren Beweis für die postulierte Datierung der Rede dar. Eine endgültige Lösung der Datierungsfrage ist also nicht gegeben, war allerdings auch nicht zu erwarten: Die in der Forschung vertretenen Thesen reichen von 313 bis 328; hinzu kommen noch die Annahme eines wiederholten Vortrags über einen längeren Zeitraum sowie die einer nachkonstantinischen Fälschung. In ihrem Charakter wird die Rede, die trotz Parallelen nicht allen Kriterien einer Apologie entspricht, von Girardet als „religionspolitische Programmrede“ (S. 48) bezeichnet.

In den Ausführungen über den „Weg des Kaisers zum Gott der Christen“ (S. 49–71) zeichnet Girardet unter ausgiebiger Berücksichtigung der Forschung die religiöse Entwicklung Konstantins von den Anfängen (dem religiösen Hintergrund der Familie) bis zu dessen Taufe auf dem Sterbebett nach. Fortgesetzt wird dies im Kapitel zu den Selbstzeugnissen Konstantins (S. 72–97), wo auch auf die in der Rede greifbare Vorbildfunktion der Märtyrer für Konstantin und die religionspolitische Programmatik des Textes eingegangen wird. Ein eigenes Kapitel erhalten die beiden heidnischen Textstellen aus Vergil und den Oracula Sibyllina, die Konstantin als Zeugnisse für die Göttlichkeit des Christus deutet (S. 98–115). Den Abschluss der Einleitung bilden kurze Bemerkungen zum Text der Edition (S. 116–118).

Text und Übersetzung (S. 119–237) sind – wie in jedem Band der Reihe Fontes Christiani – einander auf Doppelseiten gegenübergestellt. Der griechische Text folgt der Edition von Ivar Heikel (1902), da bislang keine neuere Edition vorliegt. Einen textkritischen Apparat gibt Girardet nicht; wo nötig, werden aber entsprechende Hinweise in den kommentierenden Anmerkungen gegeben, die sonst zumeist Quellenbelege oder Sacherklärungen enthalten. Die Übersetzung ist – soweit dies der inhaltlich nicht immer ganz einfache Text zulässt – gut lesbar und somit ein nützliches Werkzeug zur Auseinandersetzung mit dieser Rede. An ergänzenden Materialien werden ein Abkürzungsverzeichnis (S. 239–244), ein Literaturverzeichnis (S. 245–263), ein Register (S. 265–279) sowie vierzehn Abbildungen (S. 281–291) geboten, die von Kartenmaterial über Münzen und Statuen Konstantins bis zu einem Halo in Kreuzform (jenes naturwissenschaftliche Phänomen, mit dem Teile der Forschung die Vision Konstantins erklären wollen) reichen.

Zu dieser insgesamt hervorragenden Edition sind lediglich einige kleinere Einwände und Ergänzungen anzuführen: Als aktuellster Beitrag zu dem Historiker Praxagoras (S. 34, Anm. 120) wäre der entsprechende Anhang in der (Girardet bekannten) Konstantinsbiographie von Barnes zu nennen gewesen.2 Die wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung der Passage zur Rolle der verschiedenen Metalle und ihrer Häufigkeit (oratio 8,1–2) wäre sicherlich noch eine Anmerkung wert gewesen. Konstantins Position, die chronographische Arbeit der Christen habe klargestellt, dass die sibyllinische Prophezeiung, welche die Göttlichkeit Jesu bezeuge, vor Christi Geburt zu datieren sei (oratio 19,2), bietet einen zusätzlichen Beleg für die Annahme von Burgess, dass die Chronik des Eusebios (auf diese dürfte sich Konstantin am ehesten beziehen, doch kann dies auch für weitere christliche Chroniken angenommen werden) das Produkt einer Auseinandersetzung mit dem gegen das Christentum gerichteten paganen Schrifttum ist.3 Konstantin charakterisiert Kaiser Aurelian nach Decius und Valerian als einen Christenverfolger (oratio 24,3). Girardet bemerkt (S. 226, Anm. 252) dazu: „Konstantin und Laktanz sind die einzigen, die Aurelian als Verfolger erscheinen lassen.“ Zudem verweist er noch auf den ergänzenden Beleg aus der Kirchengeschichte des Eusebios (7,30,20–21), nach dem Aurelian eine Verfolgung zwar geplant habe, diese aber aufgrund seines Todes nicht mehr habe ausführen können. Allerdings bezeichnen auch Orosius (7,23,6) und Hieronymus in seiner Chronik (223c–d) Aurelian als aktiv tätigen Verfolger. Da die parallele Überlieferung der Chronik des Eusebios (in späteren Übersetzungen und bei Benutzern) nahelegt, dass die Angabe des Hieronymus auf die verlorene griechische Fassung der Eusebios-Chronik zurückgeht, könnte angenommen werden, dass auch Konstantin seine Information dieser Schrift des Eusebios entnommen hat. Neben dem Hinweis auf den Forschungsüberblick von Ulrich Lambrecht (S. 49, Anm. 212) wäre noch ein Verweis auf den etwas aktuelleren und leichter zugänglichen Forschungsbericht von Joachim Gruber sinnvoll gewesen.4

Wie bereits einleitend ausgeführt, handelt es sich bei Girardets Ausgabe um einen ausgesprochen nützlichen Beitrag zur Konstantin-Forschung, der auf diesem Feld mehr leistet, als dies viele der aktuellen Konstantinsbiographien tun könnten. Diese Edition wird für jede weitere Auseinandersetzung mit Konstantins Rede an die Versammlung der Heiligen unverzichtbar sein.5

Anmerkungen:
1 Neuere Übersetzungen liegen in Englisch, Italienisch und Französisch vor: Mark Edwards (Hrsg.), Constantine and Christendom. The Oration to the Saints, the Greek and Latin accounts of the discovery of the Cross, the Edict of Constantine to Pope Silvester, Liverpool 2003; Roberto Cristofoli (Hrsg.), Costantino e l’ Oratio ad sanctorum coetum, Napoli 2005; Pierre Maraval (Hrsg.), Constantin le Grand. Lettres et discours, Paris 2010.
2 Timothy D. Barnes, Constantine, Chichester 2011, S. 195–197 (Appendix F: Praxagoras of Athens) mit S. 224–225 (zugehörige Anmerkungen), der allerdings wiederum den von Girardet zitierten Aufsatz Bleckmanns nicht nennt.
3 Richard W. Burgess, The dates and editions of Eusebius’ Chronici Canones and Historia Ecclesiastica, in: Journal of Theological Studies N.S. 48 (1997), S. 471–505 (erneut in: ders., Chronicles, consuls, and coins, Farnham 2011, Nr. I), hierzu S. 488–495.
4 Joachim Gruber, Konstantin und seine Zeit, in: Plekos 12 (2010), S. 115–128 (<http://www.plekos.uni-muenchen.de/2010/f-konstantin.pdf>; 21.05.2014).
5 Die Sammelrezension von Stefan Rebenich, Kalkül und Bekenntnis. Die Religionspolitik Konstantins des Grossen, in: Neue Zürcher Zeitung, 8. Januar 2014 (<http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/literatur/kalkuel-und-bekenntnis-1.18216416>; 21.05.2014), bezeichnet Girardets Werk als „mustergültige Ausgabe“.

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