J. Crossley: Hernando de los Ríos Coronel and the Spanish Philippines

Titel
Hernando de los Ríos Coronel and the Spanish Philippines in the Golden Age.


Autor(en)
Crossley, John Newsome
Erschienen
London 2011: Ashgate
Anzahl Seiten
260 S.
Preis
£70.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Eberhard Crailsheim, Historisches Seminar, Universität Hamburg

Die Kolonialgeschichte der Philippinen könnte man als einen der blinden Flecken der Geschichte bezeichnen. Zwar wird sie auf internationaler Ebene sowohl von den Asien- als auch von den Amerikahistorikern für sich beansprucht, doch steht sie in beiden Bereichen sehr am Rande des Forschungsinteresses. Dies jedoch sehr zu Unrecht, zumal Globalisierung eines der herausragenden Schlagworte unserer Zeit darstellt. Und welchem Land könnte in der Frühzeit der Globalisierung, im 16. und 17. Jahrhundert, mit mehr Recht eine entscheidende Schnittstellenfunktion zwischen zwei Kontinenten zugeschrieben werden als dieser Inselgruppe. John Newsome Crossley widmet sein Buch über das „Goldene Zeitalter“ der Spanier auf den Philippinen einem der schillerndsten Akteure dieser Zeit, dem Soldaten, Navigator, Wissenschaftler, Lobbyisten und Priester Hernando de los Ríos Coronel. Crossley selbst ist Engländer und emeritierter Mathematikprofessor der Monash Universität in Melbourne – ein „Exot“ also, auch wenn man bedenkt, dass philippinische Themen außer von Filipinos fast nur von Spaniern und US-Amerikanern bearbeitet werden.

Crossley zeigt anhand des Lebenslaufs Hernando de los Ríos Coronels verschiedene Ausschnitte der bewegten Kolonialgeschichte der spanischen Philippinen zwischen 1580 und 1620. Vor De los Ríos’ erster Reise zu den Philippinen ist kaum etwas über ihn bekannt und auch über sein weiteres Leben sind die Quellen recht spärlich. Crossley bedient sich vor allem der Dokumentation aus dem Archivo General de Indias (AGI) in Sevilla, die zum Beispiel fünf gedruckte Bittschriften, zahlreiche Schiffslogbücher und eine Landkarte beinhaltet. Darüber hinaus arbeitet Crossley mit Berichten von Zeitgenossen und Chroniken von Missionaren der Philippinen. Nach zwei einleitenden kontextualisierenden Kapiteln, in denen Crossley seine Kenntnisse über die Philippinen klar unter Beweis stellt, geht er bei der Strukturierung des Buches weitgehend in chronologischer Reihenfolge vor und beendet das Buch dementsprechend mit dem Tod De los Ríos’ im Jahre 1623 oder 1624.

Im allgemeinen Einführungsteil stellt Crossley das Leben auf den Philippinen im 16. Jahrhundert dar, beschreibt die Probleme der Spanier vor Ort und geht dabei auf Themenbereiche wie das Klima, die Pazifiküberquerung, Eroberungen, Handel, Mission, die Beziehungen zu China, Erziehung und die Zensur ein. Anschließend zeichnet Crossley das Leben De los Ríos’ nach, der zweimal zwischen Sevilla und Manila hin- und herreist. Auf den Philippinen ist er von 1588 bis 1606 und wieder zwischen 1610/11 und 1617. Während über seinen zweiten Aufenthalt kaum Informationen überliefert sind, ist über seinen ersten bekannt, dass er zeitweise Verwalter des spanischen Krankenhauses von Manila war und drei Mal als Infanteriehauptmann und einmal als Schiffskommandant eingesetzt wurde. Dabei brachten ihn seine Einsätze bis nach Kambodscha und China, wo er nach einem Schiffbruch über ein Jahr festsaß. Den Chinesen gegenüber war er ambivalent eingestellt. Einerseits war er von der Notwendigkeit des Handles zwischen China und Manila überzeugt – den er stärker in spanischer Hand wissen wollte –, andererseits war er jedoch auch vom chinesischen Aufstand von 1603 in Manila stark geprägt, bei dessen Niederschlagung er maßgeblich beteiligt war.

Ein besonderes Augenmerk legt Crossley auf die Büchern von De los Ríos, die er im Archiv der Universität von Santo Tomas entdeckte. 25 von den 31 gefundenen Werken befassen sich mit theologischen Themen, die sein Interesse an Bibelauslegung, Glaubenslehre, Katechese und Predigten dokumentieren. Unter diesen findet sich auch ein Buch, in dem es um die „Irrlehren“ der Muslime geht, denen De los Ríos zeitlebens äußerst negativ gegenüber eingestellt war. Diese Aversion begründet Crossley interessanterweise eher mit der spanische Erfahrungen der „Reconquista“ in Granada – 100 Jahre zuvor –, als mit den Ereignissen des spanisch-muslimischen Krieges auf den Philippinen in der Zeit De los Ríos’.

Die restlichen sechs Bücher stuft Crossley als naturwissenschaftlich ein, wobei es vor allem um das Gebiet der Astronomie im weitesten Sinne geht (Kosmographie). Dieser Bereich ist für De los Ríos vor allem in seiner Tätigkeit als Navigator und seine Beschäftigung mit nautischem Gerät von Bedeutung. Noch in Sevilla dürfte er an der Casa de la Contratación die Ausbildung zum Navigator gemacht und als Lizenziat abgeschossen haben. Auf vielen seiner Ozeanüberquerungen legte er Schiffstagebücher an, in denen er mit großer Genauigkeit den Verlauf der Reise dokumentierte; eine sogar auf direkte Anordnung König Philipps III., der ihn beauftragte, einen neuartigen Kompass zu testen. Ebenso wie seine Ansichten zur Navigation, wurden auch seine Überlegungen zur Transpazifikroute am spanischen Hofe gehört. So trat er zum Beispiel bei der Route der Unterstützungsflotte aus Spanien zu den Philippinen für die Umfahrung des Kaps der Guten Hoffnung ein und gegen die Magellanstraße. De los Ríos war auch um das Wohlergehen der Besatzung und der Passagiere besorgt und wollte zum Beispiel die Ausstattung von indigenen Seeleuten mit wärmerer Kleidung bewirken oder auch, aus moralischen Erwägungen, ein Verbot der Mitnahme von Sklavinnen.

Neben seinen Schriften trug De los Ríos auch mit Erfindungen der Nautik zu einer Modernisierung der spanischen Schifffahrt bei. Schon 1597 hatte er ein neues Astrolabium zur Orientierungshilfe auf See erfunden, das von den höchsten Autoritäten in Sevilla positiv bewertet wurde. Hinzu kamen ein neuartiger Schiffstyp basierend auf malaiischen Formen und eine Maschine zur Umwandlung von Meerwasser zu Trinkwasser. Außerdem fertigte er nach eigenen Angaben mehrere Schiffskarten an. Die Tätigkeit, mit der De los Ríos jedoch am stärksten in Erinnerung bleiben sollte, ist die als Generalbevollmächtigter der Philippinen am Hofe König Philipps III. Dabei legt Crossley Wert darauf, dass De los Ríos keine Marionette des Gouverneurs war, sondern neben den Interessen der Kolonialregierung Manilas auch die der Kirche und anderer Spanier auf dem Archipel und vor allem auch der indigenen Bevölkerung vertrat. Letztere wollte er in seinen Bittschriften besonders vor verbotenen und überhöhten Tributforderungen und Zwangsarbeiten für kirchliche und weltliche Instanzen schützen. Seine Bedeutung für die Philippinen lässt sich aber noch deutlicher festmachen: am Ende der knapp sieben Jahre, in denen De los Ríos Generalbevollmächtigter war, befand sich die Debatte um die Zweckmäßigkeit des Erhalts der Philippinen im spanischen Imperium auf dem Höhepunkt (ca. 1621). Während eine starke Mehrheit zu einem Abzug aus der kostspieligen asiatischen Kolonie riet, führten die Interessensvertreter um De los Ríos besonders das Argument ins Feld, dass man die bisher bekehrten Christen nicht ihrem Schicksal überlassen dürfte. Schlussendlich setzte sich De los Ríos mit seiner letzte Ansicht durch und die Spanier blieben auf den Philippinen.

Crossley macht schon in der Einleitung der Biographie keinen Hehl daraus, dass er De los Ríos’ tiefen Respekt zollt („a great Spaniard for the Philippines“, S. 3). Er sieht im Generalbevollmächtigten einen idealistischen, „beharrlichen und furchtlosen“ Kämpfer für die Bedürfnisse der Bewohner der Philippinen (S. 2). Kritische Kommentare zu De los Ríos darf man bei der Lektüre keine erwarten (außer zu De los Ríos intoleranter Haltung zu den Muslimen, die Crossley als „nicht zeitgemäße“ beschreibt, S. 179). Es lässt sich nicht verleugnen, dass Crossley aus dem Bereich der Mathematik kommt, denn die naturwissenschaftlichen/technischen Details nehmen in dem Buch großen Raum ein, besonders die astronomischen und nautischen Themen. Diesbezüglich ist es leider ein Manko des Buches, dass es keinerlei Abbildungen beinhaltet, die dem Leser das Verständnis erleichtern könnten. Zwar verweist Crossley zum Beispiel beim Astrolabium auf Online-Links, doch sind diese nicht (mehr) auffindbar. Bei den umfangreichen Beschreibungen der Schiffslogbücher wäre es zudem anschaulich gewesen, Karten zu zeigen, die dem Leser die Segelrouten vor Augen hätten führen können. Dennoch ist die Lektüre bis auf wenige inhaltliche Wiederholungen und manch unklare Kapiteleinteilungen anregend. Lediglich der Ausblick, in dem Crossley in einem Rundumschlag die Entwicklung nach De los Ríos bis zur amerikanischen Kolonialherrschaft beschreibt, ist etwas Pathos-beladen. Im Appendix fügt Crossley, nach einem Quellenkommentar, die Übersetzung zweier Bittschriften De los Ríos’ bei (eine davon in Auszügen), die hier erstmals veröffentlicht werden und einen guten Eindruck von seinen Schriften geben. Auf Crossleys Internetseite findet sich zudem seine Übersetzung der längsten der fünf gedruckten Bittschriften.1

Insgesamt ist Crossley mit seinem Buch eine informative Einführung in eine frühe Phase der philippinischen Geschichte gelungen, die in klaren Linien das Leben De los Ríos’ aber auch verschieden Aspekte der spanischen Kolonialpolitik in Asien abdeckt. Es ist ein großes Verdienst der Biographie, dass sie eine herausragende Persönlichkeit einer wenig erforschten Epoche erstmals umfassend vorstellt. Ihre Stärke liegt vor allem in der Gewissenhaftigkeit, mit der der Autor vorgeht und der Sachkenntnis, mit der er den Kontext beleuchtet.

Anmerkung:
1 <http://www.csse.monash.edu.au/~jnc/Rios/> (22.04.2014).

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