E. Muehlberger: Angels in Late Ancient Christianity

Cover
Titel
Angels in Late Ancient Christianity.


Autor(en)
Muehlberger, Ellen
Erschienen
Anzahl Seiten
X, 279 S.
Preis
£41.99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Über die christlichen Denker der Spätantike und ihre Dispute wurde bereits viel geschrieben. Fortschritte auf diesem Feld sind somit nur durch die Einbeziehung neuen Quellenmaterials oder durch neue Perspektiven zu erwarten. Gewissermaßen beides leistet Ellen Muehlbergers Buch zu „Angels in Late Ancient Christianity“ (warum eigentlich nicht „Late Antiquity“?), das die überarbeitete Fassung ihrer Dissertation in Religious Studies darstellt.1

Die verhältnismäßig umfangreiche Einführung (S. 1–28) dient nicht nur der Darstellung der Forschungslage und der Ziele des Werkes, sondern auch zur Klärung relevanter Begrifflichkeiten. So verwendet Muehlberger für den Status der Engel den Begriff „culturally operational“ (S. 19). Dieser bezeichnet Dinge, die allgemein als real angesehen würden, ohne dass dies von vornherein evident sei, aber dennoch nicht regelmäßig nachgeprüft werde.

Das erste Kapitel (S. 29–57) vergleicht Darstellung und Rolle der Engel bei Evagrius von Pontus und Augustinus. Muehlberger konstatiert, dass beide Autoren trotz Abweichungen in Einzelaspekten in ihrer Grundfrage nach den Hintergründen der Unterschiedlichkeit göttlicher Wesen (Engel und Dämonen) übereinstimmen. Die Art und Weise der Behandlung dieser Frage bei beiden Autoren zeige, dass die Frage nach den Engeln kein eigener Diskurs, sondern ein voll integrierter Aspekt der christlichen Literatur sei.

Das zweite Kapitel (S. 58–88) verfolgt die Rolle von Engeln in den theologischen Auseinandersetzungen der Spätantike. Muehlberger betrachtet die unterschiedlichen Auslegungen von im Alten Testament genannten göttlichen Erscheinungen und stellt die Versuche vor, aus diesen die Relation von Vater und Sohn zueinander zu bestimmen. Im dritten Kapitel (S. 89–118) werden die Traditionen zu göttlichen Begleitern sowie ihre Aufnahme und Anwendung durch den Mönch Antonius und seine Nachfolger untersucht; des Weiteren wird die Rolle der Engel und engelhaften Begleiter in der asketischen Tradition analysiert. Fortgesetzt wird dies im vierten Kapitel (S. 119–147), in dem die Begleiterengel-Tradition insbesondere in der Vita Antonii und der Mosesvita des Gregor von Nyssa gezeigt wird.

Das fünfte Kapitel (S. 148–175) verdeutlicht den Zusammenhang zwischen „engelhaftem Leben“ (angelic life) und den asketischen Bewegungen. Muehlberger kommt hier zu dem Ergebnis, dass die Gleichsetzung von „engelhaftem Leben“ und einer asketischen Lebensweise außerhalb der asketischen Gemeinschaften in den Reden städtischer Christen entstand, welche das Konzept der Askese ihrem Publikum erklären wollten. Der Einfluss dieses Konzeptes auf die asketischen Gemeinschaften selbst sei insbesondere in Ägypten feststellbar.

Das sechste Kapitel (S. 176–202) stellt die Frage nach der Rolle der Engel in Rahmen christlicher Rituale. Muehlberger zeigt hierin, dass die Vorstellung dahin ging, dass Engel nur als ihren Schöpfer lobende und Hymnen singende Wesen auftreten. Im Rahmen der eigentlichen Rituale seien sie passiv – als aktiv handelnd trete dagegen meist der Heilige Geist auf – und für deren Durchführung durch den Priester nicht notwendig. Die Tatsache, dass Engel zumeist als Besucher von Kirchengebäuden (und nicht etwa Privathäusern) dargestellt werden, bezeuge die Bedeutung der Kirchen als wichtige Orte im Ringen um Autorität und demonstriere die Struktur der spätantiken Gemeinden.

Die „Conclusion“ (S. 203–214) ist über weite Strecken dem Text des Pseudo-Dionysius zur himmlischen Hierarchie (wohl um 500 in Syrien verfasst) gewidmet. Die Besonderheit dieses Textes besteht nach Muehlberger darin, dass es sich um das einzige antike Werk handelt, das sich eingehender mit der „angelology“ befasst; das Anliegen des Textes unterscheide sich jedoch nicht wesentlich von dem der zuvor behandelten Texte. Als Ergebnisse ihrer Studie hebt sie hervor, dass das Phänomen der Engel die Aufmerksamkeit des Forschers verdiene. Sie seien nicht als bloße Nebenlinie der Entwicklung der christlichen Kultur und nicht nur als Symbole, die etwas Bedeutenderes repräsentierten, sondern als relevante Aspekte der Traditionen und Institutionen des spätantiken Christentums zu verstehen. Es folgen die als Endnoten gebündelten Anmerkungen (S. 215–256), das Literaturverzeichnis (S. 257–272) und das Register (S. 273–279).

Muehlberger trägt aus der literarischen Überlieferung zusammen, was es über Engel im spätantiken Denken zu wissen gibt. Lediglich ein weiterer, wichtiger Aspekt hätte genauer analysiert werden können: Ikonographische Quellen werden fast vollkommen ausgeklammert. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Schriftquellen, wobei die Bandbreite der Quellensprachen voll ausgeschöpft wird; Abbildungen sind dagegen (mit Ausnahme des Titelbildes) überhaupt nicht vorhanden.

Muehlbergers Werk liest man ganz oder gar nicht. Das Wesen der Thematik und ihre detaillierte Durchdringung (und weniger der gut zu lesende Stil) machen es unumgänglich, es von Anfang bis Ende mit hoher Aufmerksamkeit und Konzentration zu studieren; als gelegentliche Lektüre nebenbei ist es somit selbst nach den Maßstäben eines Fachbuches ungeeignet. Dies wird wohl dazu führen, dass die Leserschaft dieses Buches eine verhältnismäßig kleine bleibt. Diejenigen aber, die sich auf dieses Buch einlassen, erhalten die Möglichkeit, neue Erkenntnisse zu den spätantiken christlichen Denkern durch eine andere Perspektive zu gewinnen. Insgesamt gelang Muehlberger also ein überaus lesenswertes Buch, aus dem der Rezensent vieles lernen konnte.2

Anmerkungen:
1 Ellen Muehlberger, Angels in the religious imagination of Late Antiquity, Diss. Indiana University 2008. Siehe auch Ellen Muehlberger, Ambivalence about the angelic life. The promise and perils of an early Christian discourse of asceticism, in: Journal of Early Christian Studies 16 (2008), S. 447–478.
2 Siehe auch die Rezension von Rangar H. Cline, Bryn Mawr Classical Review Oktober 2013, Nr. 16, <http://bmcr.brynmawr.edu/2013/2013-10-16.html> (11.03.2014).

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