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Titel
Magnus Pius. Sextus Pompeius and the Transformation of the Roman Republic. Roman Culture in an Age of Civil War


Autor(en)
Welch, Kathryn
Erschienen
Anzahl Seiten
XXV, 364 S.
Preis
£50.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Rollinger, Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Sowohl die antike Überlieferung als auch die moderne althistorische Forschung schienen sich lange einig darüber, dass den Triumvirn in Sextus Pompeius wenig mehr als ein Freibeuter und Abenteurer entgegentrat, ein seinen Sklaven und Freigelassenen höriger Piratenkönig. Gegen diese Darstellung richtet sich das hier anzuzeigende Werk von Kathryn Welch, welches einen bereits früher gemeinsam mit Anton Powell herausgegebenen Sammelband ergänzt.1 In ihren Vorüberlegungen (S. 1–43) führt die Autorin den Leser in die grundlegende These der Arbeit ein, dass nämlich der von den Quellen verzerrte und der modernen Forschung vernachlässigte Sextus keinesfalls eine „isolated entity, without allies or explanation“ (S. 2) war. Ausgehend von der Sichtweise der post-augusteischen Quellen habe die Forschung ihn sich nur als entkontextualisierten adventurer erklären können, als am Ende unbedeutendes Überbleibsel der partes Pompeianae, das einen hoffnungslosen und zum Scheitern verurteilten Kampf gegen die Erben Caesars geführt habe; oder er sei gleich in enger Anlehnung an die augusteische Darstellung als ‚Pirat‘ diffamiert worden (S. 15–23). Ganz im Gegenteil sieht Welch in Sextus Pompeius aber eine „ongoing, viable alternative to the perceived illegitimacy of the Triumvirs“ (S. 12); sie unternimmt nichts Geringeres als einen Versuch, die Geschichte des Bürgerkrieges nach Caesars Ende fundamental umzuschreiben, wobei ihr nicht mehr die Schlacht von Philippi als Endpunkt dient, sondern vielmehr Sextus’ Untergang bei Naulochus und sein Tod im folgenden Jahr (S. 31–33). Sextus selbst sieht sie dabei nicht etwa nur als Epigonen seines berühmteren Vaters, wie dies die antiken Quellen häufig tun (S. 14), sondern im Gegenteil neben Cassius und Brutus als einen der Anführer einer ‚republikanischen‘ (so S. 6–10, bes. 10) Faktion, die sich den Widerstand gegen den jungen Caesar Octavianus und gegen Marcus Antonius auf die Fahnen geschrieben hatte.2

Die beiden folgenden Kapitel (S. 43–91 u. 93–119) behandeln zwar auch die sehr geringe Rolle des Sextus Pompeius im Bürgerkrieg zwischen seinem Vater und Caesar, widmen sich aber in der Hauptsache einer Neuevaluierung der vielgescholtenen Kriegsführung des älteren Pompeius und bieten hier ein wertvolles Korrektiv, vor allem für die Einschätzung einer pompeianischen grand strategy. Demnach habe Pompeius in der Essenz eine Blockadepolitik zu verfolgen versucht, die Caesar zwar die Vorherrschaft in Italien überließ, die aber durch die Beherrschung der Seewege und wichtiger Versorgungsstationen wie Sizilien oder Massilia am Ende zur erzwungenen Aufgabe des Empörers hätte führen sollen (S. 54–57).3 Dabei postuliert Welch durchgängig ein sehr viel engeres Zusammengehen von Pompeius und Marcus Porcius Cato, als dies bislang in der Forschung akzeptiert wurde; insbesondere betont sie den Versuch der Fortsetzung der ursprünglichen Strategie unter der Ägide Catos (S. 72–82). Sie geht aber wohl zu weit darin, in Cato und Pompeius Verfechter einer ‚humanen‘ Bürgerkriegsstrategie zu sehen (S. 59); und auch die Feststellung (S. 26), Pompeius und Cato hätten einen „ethical civil war“ gewünscht, darf bezweifelt werden. Im Anschluss an Thapsus und den Suizid des Cato erfolgte schließlich der Kurswechsel hin zu einer von Teilen der republikanischen Entourage schon länger geforderten, aggressiveren Strategie, die besonders durch Gnaeus Pompeius und Titus Labienus im bellum Hispaniense verfolgt wurde und zur vorläufigen Entscheidung bei Munda führte (S. 100–105), nach deren Ende Sextus Pompeius nur mehr die Aufgabe blieb, die Überreste des Heeres zu sammeln. Auch hier wendet sich Welch dezidiert gegen die Finalität suggerierende Ansicht, nach der Schlacht von Munda sei der Bürgerkrieg beendet gewesen (S. 105–107).

In den beiden folgenden Kapiteln (S. 121–162 u. 163–202) werden die Entwicklung in den Jahren zwischen Caesars Sieg bei Munda und der Schlacht bei Philippi skizziert. Die Verleihung eines imperium an Cassius, die Bestätigung des Befehlsbereiches des Brutus und die Verleihung des irregulären Amtes eines praefectus classis et orae maritimae an Sextus Pompeius sieht die Autorin vor dem Hintergrund diplomatischer Verhandlungen als Teil eines größeren Plans Ciceros und der republikanischen Führer. Gestützt auf die prägnante Zusammenfassung dieser Ereignisse bei Cassius Dio (46,40,3) entwickelt sie die These, es habe sich ein ‚republikanisches Triumvirat‘ gebildet (S. 163f.), in dem Sextus Pompeius der Flottenbefehl zugeteilt worden sei. Die auf Appian zurückgehende Chronologie der Ernennungen und der auf sie folgenden Ereignisse bestreitet Welch, die vielmehr davon ausgeht, dass Sextus als Teil eines gemeinsamen Vorgehens (S. 176: „Mediterranean-wide strategy“) Sizilien bereits zu diesem Zeitpunkt besetzte, nicht zuletzt auch, um die ehemalige Strategie seines Vaters, die Vision einer strategischen Blockade Italiens, wieder aufnehmen zu können (S. 166–169). Dabei datiert sie Sextus’ Zugriff auf Sizilien nicht nur vor die Etablierung des Triumvirats und den Beginn der Proskriptionen, sondern selbst noch vor die lex Pedia (S. 169–173), mithin in den frühen Sommer 43. Der zugrundeliegende Plan sei es gewesen, durch die Blockade Italiens Brutus und Cassius genügend Zeit zu verschaffen, um im Osten eine ausreichende Truppenmacht aufzubauen (S. 178). Das Echo der pompeianischen Strategie in den Jahren 49–48 ist unüberhörbar (S. 180–182). Dabei sollte Sextus gleichzeitig einen sicheren Hafen für die Verfolgten der Proskriptionen bieten, denen Welch zu Recht eine starke einigende Wirkung unter den Gegnern der Triumvirn zuschreibt (S. 174–179, bes. 179).

Dem „public face“ des Sextus Pompeius widmet Welch in diesem Zusammenhang einen eigenen Abschnitt, in dem sie auch mit weitem Blick die republikanische Münzprägung der Zeit in Augenschein nimmt. Ähnlichkeiten und Unterschiede in den Münzbildern sieht sie als Indiz für die gemeinsame Strategie der drei wichtigsten Heerführer (S. 182–195), wobei sie sich aber nicht nur auf Sextus, Brutus und Cassius beschränkt, sondern ebenso die bisher vernachlässigten Prägungen anderer republikanischer Befehlshaber wie Quintus Cornificius oder Lucius Staius Murcus aufführt. Gerade dessen Münzserie (Crawford, Roman Republican Coinage 510) sieht Welch überzeugend als Entsprechung einer octavianischen Serie, die die Wiederaufrichtung der res publica darstellen soll (S. 192). Auch wenn man der etwas aufdringlichen Schlussfolgerung, die ‚republikanischen Triumvirn‘ „wanted to spread their message of hope and unity to a community in crisis“, nicht unbedingt folgen will, wird man Welch doch darin zustimmen müssen, dass die numismatische Evidenz auf eine koordinierte Propagandaoffensive der republikanischen Truppenführer hinweist (S. 195).

Dem finalen Lebensabschnitt des Sextus Pompeius widmen sich die beiden folgenden Kapitel (S. 203–260 u. 261–289), die insgesamt zu den stärksten und wichtigsten des Buches gehören. Welch kann hier endlich auch auf ein umfangreicheres Quellenmaterial zurückgreifen, und die Diskussion der Ereignisse profitiert davon erheblich (bes. S. 206–218). Im Jahr 41 sei Sextus Pompeius „at the height of his power and respectability“ (S. 215) gewesen; der antitriumvirale Widerstand sei nicht etwa zersplittert, sondern unter seiner Führung vereinigt worden (S. 206–217). Gleichzeitig verfolgte Sextus Pompeius jedoch durch eine Annäherung an Marcus Antonius und dessen Bruder Lucius auch auf politischem und diplomatischem Weg eine Spaltung der Triumvirn (S. 218–238). Besonders durch die im Vertrag von Misenum (S. 238–251) vereinbarte Rückkehrmöglichkeit für hochrangige Gegner der Triumvirn sieht sie Sextus’ Position aber erheblich geschwächt (S. 244). Der besondere Verdienst von Welchs Darstellung des bellum Siculum (S. 261–279) ist es, den vollen Umfang und die Bedeutung dieses Konfliktes erkannt und herausgestrichen zu haben. Obwohl die Autorin zu Recht betont, dass viele Details dieser monumental zu nennenden Auseinandersetzung durch die parteiische und überformte Überlieferung wohl für immer verloren sind, gelingt es ihr doch, die jeweiligen strategischen und taktischen Überlegungen Agrippas und Sextus’ nachvollziehbar zu machen und der Entscheidungsschlacht bei Naulochus die ihr zustehende Dimension als einer der größten Seeschlachten der römischen Geschichte zu verleihen (S. 276).

Ein letztes Kapitel (S. 291–318) bietet schließlich einen Ausblick auf die historische Nachwirkung des Sextus bei der Ausgestaltung des Prinzipats durch den späteren Augustus; hierbei werden ikonologische Fragen im Zusammenhang mit der Schlacht um Naulochus (S. 294–299), aber auch die später von Augustus demonstrativ betonte pietas und ihre Bedeutung für die ideologische Grundierung seiner Herrschaft erörtert (S. 304–311).4 Eine Bibliographie (S. 323–351) sowie ein allgemeines Register (S. 353–361) und ein Quellenindex (S. 363f.) runden diesen sorgfältig gearbeiteten, von großer Quellenkenntnis und Originalität zeugenden, anregenden Beitrag zur Geschichte der Übergangszeit zwischen Republik und Prinzipat ab. Man wird sich Welchs Thesen nicht in allen Punkten anschließen können. Es bleibt aber die Gewissheit, dass eine weitere Auseinandersetzung mit der Figur des Sextus Pompeius angezeigt ist; das letzte Wort in seiner Bewertung ist noch nicht gesprochen. An die Stelle des magno proles indigna parente (Lucan 6,420) ist jedenfalls durch Welch ein klug und bedacht agierender sowie ernstzunehmender Konkurrent für die triumvirale Macht getreten. Obwohl die antiken Quellen es nach Kräften zu verschleiern suchen, können sie nicht leugnen, dass Octavian nur unter enormem Aufwand militärischer Mittel den Widerstand des Pompeius brechen konnte – und musste. Nicht zuletzt diese Tatsache sollte bei der Beurteilung der historischen Bedeutung des Sextus Pompeius zukünftig beachtet werden (S. 295).

Anmerkungen:
1 Anton Powell / Kathryn E. Welch (Hrsg.), Sextus Pompeius, Swansea 2002, bes. die beiden Beiträge von Kathryn E. Welch, Both sides of the coin: Sextus Pompeius and the so-called Pompeiani, S. 1–30 und: Sextus Pompeius and the res publica in 42–39 B.C., S. 31–64. Vgl. auch Powells eigene Beschäftigung mit Sextus Pompeius und der Triumviratszeit (Virgil the Partisan. A Study in the Re-Integration of Classics, Swansea 2008).
2 Dabei rezipiert sie gewissenhaft die bisherige Forschung zu Sextus Pompeius. An neueren Arbeiten fehlt nur die knappe Dissertation von Alexander Hecht, Sextus Pompeius. Der Bürgerkrieg nach Caesars Tod, Diss. Humboldt-Universität zu Berlin 2009. Die Ortsangabe zum Werk Giuseppe Pensabenes, La Guerra tra Cesare Ottaviano e Sesto Pompeo (43–36 a.C.) e le corrispondenze attuali, Roma/Reggio Calabria 1991, ist fehlerhaft (341: „Tarquinia“). Erstaunt ist man ob des Fehlens des umfangreichen RE-Artikels von Franz Miltner, Art. „Pompeius 33“, RE XXI 2, Stuttgart 1952, Sp. 2213–2250 in der Bibliographie.
3 Vgl. Kurt von Fritz, Pompey’s policy before and after the outbreak of the civil war of 49 B.C., in: Transactions of the American Philological Association 73 (1942), S. 145–180. Im krassen Gegensatz zu dieser postulierten langen Vorbereitungszeit stehen die teilweise chaotischen Reaktionen auf Caesars Vormarsch im Januar 49; gerade das Versäumnis, den Staatsschatz vor Caesars Zugriff zu sichern, ist prima facie als Zeichen für mangelnde Vorbereitung zu deuten. Vgl. aber Welchs Erklärung (S. 54–56).
4 Welchs Konzentration auf den von ihr favorisierten Pietas-Ansatz führt dazu, dass die Überlegungen zur symbolischen und politischen Bedeutung der Neptun-Ikonographie auf den Münzen des Sextus Pompeius etwas knapp ausfallen, vgl. aber die Diskussion S. 294–299. Vgl. dazu detaillierter den Beitrag von Anton Powell, ‚An island amid the flame‘: The strategy of imagery of Sextus Pompeius, 43–36 BC, in: Powell/Welch, Sextus Pompeius, S. 103–133, bes. 118–127.

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