S. Börner: Marc Aurel im Spiegel seiner Münzen und Medaillons

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Titel
Marc Aurel im Spiegel seiner Münzen und Medaillons. Eine vergleichende Analyse der stadtrömischen Prägungen zwischen 138 und 180 n. Chr.


Autor(en)
Börner, Susanne
Reihe
Antiquitas. Reihe 1: Abhandlungen zur alten Geschichte 58
Erschienen
Anzahl Seiten
X, 372 S.
Preis
€ 79,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Florian Haymann, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Obwohl das konventionelle Konzept einer an Regierungsdaten orientierten „Kaisergeschichte“ jüngst in Zweifel gezogen wurde und sicher auch künftig werden wird 1, ist die Betrachtung der Regierungszeit einzelner römischer Kaiser eine legitime und fruchtbringende Art historischer Segmentierung – zumal, wenn sie sich auf eine einzelne Quellengattung konzentriert. Die vorliegende Arbeit zur Münzprägung Marc Aurels von Susanne Börner wurde im Juli 2011 an der Universität Heidelberg als Dissertation eingereicht und bereits im Frühjahr 2012 veröffentlicht. Ziel der Autorin ist die Untersuchung von „Herrschaftskonzeption und ‚Imagebildung‘“ Marc Aurels. Für eine derartige Untersuchung ist die Reichsmünzenprägung wie keine andere Quellengattung geeignet, da sie nahezu lückenlos erhalten ist und als offizielles Medium Botschaften unvermittelt überliefert. Daneben möchte Börner die Münzen auch als Korrektiv für ereignisgeschichtliche Fragen nutzen.

Als Materialgrundlage dient ihr die gesamte Reichsmünzenprägung von 138–180 n. Chr., wie sie etwa von Szaivert in einem rein numismatischen Corpuswerk publiziert worden ist.2 Da sie gezielt der Frage nach der kaiserlichen Repräsentation nachgeht, ergänzt sie dieses ohnehin umfangreiche Corpus um die Gattung der Medaillons. Methodisch beschreitet sie vor allem den Weg des Vergleichs: Einerseits werden die Münzen Marc Aurels mit den zeitgleichen Prägungen anderer Mitglieder des Kaiserhauses verglichen. Andererseits geht die Autorin auch den Ursprüngen der von Marc Aurel verwendeten Münzbilder nach und fragt nach deren Kontexten. Diese Konzeption mag im Vergleich mit anderen althistorischen Dissertationen, die sich nur noch im Theoretischen zu bewegen scheinen, schlicht wirken, doch sind die Münzen eine derart komplexe Quellengattung, dass für befriedigende Interpretationen stets zahlreiche archäologische, kunsthistorische, mythologische, philologische und historische Seitenwege zu beschreiten sind. Somit schließt diese Studie nicht nur chronologisch an Paul L. Stracks „Reichsprägungen“-Trilogie aus den Jahren 1931 bis 1937 an, die auch heute noch von erheblichem Wert für die Beschäftigung mit den Münzen Trajans, Hadrians und des Antoninus Pius ist.3

Überzeugend stellt die Autorin im ersten Abschnitt den bedachtsamen Aufbau des „Images“ des Caesars Marcus Aurelius im Medium der Münze dar. Vor allem virtus und pietas sind die Schlagworte, auf die sich zahlreiche Münzbilder zurückführen lassen. Daneben steht die Stabilität der Dynastie im Vordergrund. Hinzu kommt eine besondere Nähe zu Minerva, die Börner in ihrer Verbindung von Kriegstauglichkeit und Klugheit als persönliche Schutzgottheit des Caesars ausmacht. Ereignisgeschichtlich findet sie in der für Marc Aurel ausbleibenden, für Antoninus Pius umso stärkeren Münzprägung Spuren des zu vermutenden Usurpationsversuchs im Jahr 151.

Für die „Samtherrschaft“ des Lucius Verus und des Marc Aurel konstituiert sie anhand der Motivanalyse „eine stabile und harmonische Zusammenarbeit“ (S. 239). Die Münzprägung ist nicht nur um die ikonographische Vermittlung der Concordia-Idee bemüht, sondern dieser Gedanke findet auch einen strukturellen Niederschlag im Prägeaufbau. Außerdem kann Börner die Aufgabenteilung zwischen Marc Aurel und Lucius Verus – ersterer widmete sich der „Innenpolitik“, letzterer der Kriegführung – numismatisch belegen. Auch die höhere auctoritas Marc Aurels wird dabei fassbar: Während Minerva die persönliche Göttin Marc Aurels bleibt, findet sich für Lucius Verus kein Pendant aus der Götterwelt. Im Todesjahr des Lucius Verus (169) erkennt Börner einen kompletten Motivwechsel in der laufenden Münzprägung. Die Germaneneinfälle im Jahr 170 schlagen sich in zahlreichen kriegerischen Münzbildern nieder; auf ähnliche Weise ist auch der Aufstand des Avidius Cassius numismatisch greifbar. All diese Fakten sind in der Forschung schon lange bekannt, erfahren aber in diesem Rahmen eine systematische und breiter kontextualisierte Bestätigung.

Insgesamt wird so die klar gesteuerte Komposition der Münzbilder mit zahlreichen Bezügen auf zeitgleiche und ältere Münzen sowie auf andere mediale Gattungen deutlich. Allerdings lassen sich nicht alle äußeren Ereignisse benennen, die sich in den Münzbildern widerzuspiegeln scheinen, was vor allem der lückenhaften literarischen Überlieferung geschuldet ist. Die Vermutung einer Archivierung des numismatischen Typenbestandes in Rom, wie sie kürzlich Rowan formulierte 4, erhält somit eine weitere Bekräftigung. Damit ist Börner ein wichtiger Beitrag zur anhaltenden Debatte über die generelle Bedeutung von Münzbildern gelungen.5 Ob innerhalb der Münzstätte eine so strikte Trennung zwischen einer kaiserlichen Offizin und einer solchen, die für die Gepräge des Caesars zuständig war, bestand, wie Börner (S. 114) suggeriert, möchte ich bezweifeln.

Aus methodischer Sicht stellt die enorme Breite der Materialgrundlage eine Herausforderung dar, denn für eine gezielte Analyse der numismatisch verbreiteten Botschaften ist zum einen die relative Seltenheit der Münztypen zu bestimmen und zum anderen eine genaue Benennung der Zielgruppe wünschenswert. Die von Börner verwendeten Corpuswerke zeigen zwar, welche Münzbilder geprägt wurden; ob sie allerdings wirklich in Umlauf waren und damit ihre Wirkung entfalten konnten, ist eine andere Frage, der nicht nachgegangen wird. Ohne annähernd zu wissen, welches Nominal (vom As bis zum Aureus) in welcher Menge geprägt wurde und wo diese Münzen in Umlauf gebracht worden sind, ist allerdings die Skizzierung einer Zielgruppe doch eher ein Tappen im Dunkeln. Die Hinzunahme von Medaillons, über deren sozialen Kontext wir viel weniger wissen, macht eine derartige Rezipientenanalyse – wollte man sie ernsthaft angehen – noch komplexer. Gelegentlich gelingt der Verfasserin die Engführung von Nominal, Motiv und Zielgruppe (beispielsweise auf S. 337). Doch ohne eine gezielte Fundanalyse bleiben solche Ergebnisse vorläufig.6 Dass das umfangreiche numismatische Quellencorpus zahlreiche weitere Erkenntnismöglichkeiten bietet, ist der Autorin freilich bewusst (S. 12), und ihre Art der Materialdarbietung lädt zu methodisch anspruchsvolleren Tiefenbohrungen ein. Der nach Prägejahren geordnete Aufbau und der nach Bildmotiven durchsuchbare Index erleichtern die Handhabung ebenso wie die Zusammenfassungen der einzelnen Rubriken und Kapitel. Auch die gelegentlich eingebauten Emissionstabellen vereinfachen den Überblick.

Börner hat ein hilfreiches Nachschlagewerk verfasst, das bei der künftigen Beschäftigung mit der Regierungszeit Marc Aurels gute Dienste leisten wird. Die Arbeit ist leicht verständlich geschrieben, stilistisch aber ein wenig holprig.7

Anmerkungen:
1 Vgl. den programmatischen Sammelband von Aloys Winterling (Hrsg.), Zwischen Strukturgeschichte und Biographie. Probleme und Perspektiven einer neuen römischen Kaisergeschichte, München 2011. Der darin enthaltene Beitrag von Gunnar Seelentag, Trajan, Hadrian und Antoninus Pius. Deutungsmuster und Perspektiven (S. 295–315), zeigt anhand von Münzen, wie ergiebig der Blick auf Kontinuitäten zwischen den Regierungsphasen sein kann.
2 Wolfgang Szaivert, Die Münzprägung der Kaiser Marcus Aurelius, Lucius Verus und Commodus (161/192), 2. Aufl., Wien 1989. Um ihren Untersuchungszeitraum abzudecken, nutzt Börner daneben noch weitere, deutlich ältere Corpuswerke.
3 Paul L. Strack, Untersuchungen zur römischen Reichsprägung des zweiten Jahrhunderts, Bd. 1: Die Reichsprägung zur Zeit des Traian, Stuttgart 1931; Bd. 2: Die Reichsprägung zur Zeit des Hadrian, Stuttgart 1933; Bd. 3: Die Reichsprägung zur Zeit des Antoninus Pius, Stuttgart 1937.
4 Clare Rowan, Under divine auspices. Divine ideology and the visualisation of imperial power in the Severan period, Cambridge 2012, S. 252.
5 Den langen Streit zwischen Numismatikern und Althistorikern über den politischen Wert von Münzbildern hat auch Katharina Martin, Sprechende Bilder. Zur ‚Sprache des Geldes‘ in der Antike, in: Benedikt Eckhardt / Katharina Martin (Hrsg.), Geld als Medium in der Antike, Berlin 2011, S. 91–138, hier S. 130, Anm. 70, aufgearbeitet; sie konstatiert: „Der Streit geht weiter.“ Laut Börner ist er schon länger zugunsten einer bewussten Auswahl der Münzbilder durch die Prägeherren entschieden worden (S. 5).
6 Die quantitative (Fund-)Numismatik hat jüngst beachtliche Ergebnisse zur kaiserlichen Repräsentation hervorgebracht. Exemplarisch sei verwiesen auf Carlos Noreña, Imperial ideals in the Roman West. Representation, circulation, power, Cambridge 2011.
7 Störend ist beispielsweise die konsequent falsche Verwendung von „derzeit“ (z.B. S. 8 u. 114). Häufig finden sich ungeschickte und missverständliche Formulierungen, z.B. „Dieses Konfliktpotential galt es nun zu allererst zu bereinigen“ (S. 25); „Zudem gab es […] Ereignisse, die wichtiger auszuprägen waren, als die Designation des Marcus.“ (S. 45); „Alle drei Darstellungen werden in beiden auf Hadrian weisenden Averslegenden ausgeprägt [...]“ (S. 82). Auch Tautologien treten auf, z.B. „[...] drückt ein selbstbewusstes Selbstverständnis aus […]“ (S. 48); „Offenbar war es also evident wichtig“ (S. 338); „stark aussagekräftig“ (S. 149); „Andere Motive hingegen sind als Sinnergänzung zu den zentralsten Bildern zu verstehen“ (ebd.). Eine „Wahl“ des Antoninus Pius „zum zukünftigen Kaiser“ (S. 16) suggeriert falsche Tatsachen. Angesichts der zügigen Publikation der Dissertation erscheinen solche Fehler als Bagatellen und der Verweis darauf kleinlich. Allerdings hätte derlei durch sorgfältige(re)s Lektorat von Seiten der Herausgeber bereinigt werden können, ebenso Rechtschreibfehler wie „strickt“ (statt „strikt“, Anm. 43) und Inkorrektheiten wie „Institut für Numismatik und Geldwirtschaft“ (S. 13; richtig: „Geldgeschichte“).

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