M. Hengerer: Kaiser Ferdinand III.

Cover
Titel
Kaiser Ferdinand III. (1608–1657). Eine Biographie


Autor(en)
Hengerer, Mark
Erschienen
Anzahl Seiten
560 S.
Preis
€ 49,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Rohrschneider, Historisches Institut, Universität zu Köln

In Ermangelung einer modernen wissenschaftlichen Biografie galt lange Jahre ein einschlägiger Aufsatz Konrad Repgens aus dem Jahr 1990 als Referenzwerk zu Ferdinand III.1 Dies hat sich inzwischen entscheidend geändert: Mit der 2008 erschienenen Lebensbeschreibung Ferdinands von Lothar Höbelt2 und der hier zu besprechenden Arbeit liegen nunmehr gleich zwei umfangreiche Untersuchungen zum Leben und Wirken dieses habsburgischen Kaisers vor, die den Anspruch erheben können, eine zeitgemäße Gesamtdarstellung seiner Vita zu bieten. Da sein Text zum Zeitpunkt der Publikation von Höbelts Biografie offenbar schon weit vorangeschritten war, hat Hengerer darauf verzichtet, sich in seiner Arbeit ausführlich mit den Ergebnissen Höbelts auseinanderzusetzen. Somit ist die fast schon paradox anmutende Situation entstanden, dass zu einem frühneuzeitlichen Kaiser, der lange Zeit biografisch nicht angemessen erforscht wurde, nunmehr zwei quasi parallel entstandene umfangreiche Biografien vorgelegt wurden, die dem Leser die Qual der Wahl lassen. Im Folgenden soll jedoch ausschließlich die Leistung Hengerers gewürdigt werden.

Ihm ist es gelungen, der Persönlichkeit Ferdinands III. wesentliche Schritte näher zu kommen. Dies erfolgt auf der Grundlage breiten Quellenmaterials, aus dem die Nuntiaturberichte vom Grazer Hof und vom Kaiserhof sowie die Briefe Ferdinands III. an seinen Bruder Leopold Wilhelm insofern herausragen, als Hengerer diese beiden Quellen bevorzugt zitiert, wenn es darum geht, die unmittelbare Lebenswelt des Kaisers zu analysieren.

Insgesamt gesehen leistet die Biografie zweierlei: Zum einen erlaubt sie – endlich, ist man angesichts der lange Jahre unbefriedigenden Forschungslage geneigt zu sagen – einen tiefen Einblick in das Leben und vielfältige Wirken des Habsburgers. Zum anderen bietet sie ein stimmiges Panorama der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts und insbesondere des Dreißigjährigen Krieges. Es werden Schlachten geschlagen, es wird gefeiert, gestorben und getrauert, der höfische Alltag wird detailliert geschildert, und nicht zuletzt wird Frieden geschlossen. So wünscht man sich eine Biografie: Der Protagonist wird stets eingebunden in seinen Zeit-, Normen- und Wissenshorizont.

In inhaltlicher Hinsicht vermag die primär chronologisch angelegte Untersuchung einige neue Akzente zu setzen. Ferdinand III. wird als Monarch geschildert, der sich nahezu bruchlos in die Welt seines Vaters, Kaiser Ferdinands II., einfügte und zu dessen Lebzeiten lange Zeit vermied, sich selbst politisch zu exponieren. Nach seinem Regierungsantritt im Jahr 1637 hatte er mit der Beendigung des Dreißigjährigen Krieges eine Herkulesaufgabe zu bewältigen, was zumindest phasenweise durch ausgesprochen enge Handlungsspielräume erschwert wurde. Darüber hinaus gelingt es dem Autor, ein plastisches Bild der Persönlichkeit Ferdinands zu vermitteln. Der Kaiser liebte wie so viele seiner hochadligen Standesgenossen die Jagd, er war an Alchemie interessiert sowie ein begeisterter Musikliebhaber und Komponist. Hiervon zeugt eine dem Buch beigelegte CD mit einer Gesamtspieldauer von immerhin rund 76 Minuten, die Musik von und für Ferdinand enthält. Der Kaiser kränkelte regelmäßig in Belastungssituationen und war durchdrungen vom nahezu sprichwörtlichen Katholizismus der gegenreformatorisch agierenden habsburgischen Herrscher, und zwar in Verbindung mit einer tiefen Marienfrömmigkeit und einer zunehmenden subjektiven Überzeugung von der Notwendigkeit, dem Reich und Europa nach langen Jahren des Krieges endlich Frieden zu schenken.

Wer sich mit Ferdinand III. biografisch befasst, wird sich notwendigerweise intensiv mit dem Dreißigjährigen Krieg und dem Westfälischen Frieden von 1648 auseinandersetzen müssen. Das hat Hengerer erkennbar getan. Überzeugend geraten beispielsweise die Passagen, in denen er die fast schon hilflosen Versuche des Kaisers skizziert, die allerorts auftretenden militärischen Versorgungsengpässe zu bewältigen. „Überforderung als Dauerlösung“ (S. 201) charakterisiert Hengerer treffend die strukturelle Problematik der kaiserlichen Kriegführung.

Auch im Hinblick auf den Westfälischen Friedenskongress findet man Bedenkenswertes. Hierzu zählt Hengerers These, dass die im kaiserlich-französischen Friedensinstrument vom 24. Oktober 1648 festgeschriebene Separation der beiden Linien der Casa de Austria nicht alternativlos dastand. Vielmehr sei auch Frankreich am Ende seiner Kräfte und Spanien zu diesem Zeitpunkt immer noch eine Weltmacht gewesen. Damit wendet sich Hengerer klar gegen eine Deutung, der zufolge die im Friedensvertrag von Münster erfolgte Konzession Ferdinands III., seinen spanischen Verwandten zukünftig im Krieg gegen Frankreich militärisch nicht zu assistieren, zum damaligen Zeitpunkt die einzige Möglichkeit gewesen sei, die eigenen Friedensziele wenigstens halbwegs umzusetzen. Man wird in dieser Frage abwarten müssen, welche Interpretation sich durchsetzen wird.

Eine auffällige Stärke der Arbeit ist zugleich auch eine tendenzielle Schwäche. Hengerer betont, dass es ihm mit dieser Biografie vor allem auch darum geht, die kulturelle Dimension frühneuzeitlicher Herrschaft aufzuzeigen. Dies ist zweifellos voll und ganz gelungen. So finden sich zahlreiche detaillierte Schilderungen des höfischen Alltags, der spezifischen Funktionen höfischer Feste und der symbolischen Kommunikation, die damit jeweils einherging. Nun könnte man polemisch zugespitzt fragen, ob es wirklich angemessen ist, jedes „Te Deum Laudamus“ aufzuführen, hingegen eine so zentrale Gestalt des Dreißigjährigen Krieges wie den Conde-Duque de Olivares, den großen Gegenspieler Richelieus, gänzlich außer Acht zu lassen, zumal den spanisch-österreichischen Beziehungen in Hengerers Darstellung höchste Aufmerksamkeit zuteilwird. Auch gewinnt man zuweilen den Eindruck, der Verweis des Autors auf den beeindruckenden Umfang der Forschung zum Westfälischen Frieden (S. 350) komme einer Kapitulation gleich, denn selbst Fritz Dickmanns Standardwerk3 ist in der Bibliografie des Buches nicht enthalten. Auch eine stärkere Einbeziehung der im Gefolge des Jubiläumsjahres 1998 entstandenen umfangreichen internationalen Literatur zum Westfälischen Frieden hätte der Arbeit sicherlich gut getan.

Ob bei diesen Hinweisen zu sehr die Perspektive des Spezialisten durchscheint, sei dahingestellt. Festzuhalten bleibt, dass mit dieser gut lesbaren, ansprechend bebilderten und ein breites Panorama bietenden Biografie die Forschung zu Ferdinand III. auf eine verlässliche wissenschaftliche Grundlage gestellt wurde. Abschließend sei noch der kurze Hinweis erlaubt, dass der im Anschluss an den eigentlichen Text positionierte umfangreiche Anmerkungsteil unbedingt mitgelesen werden sollte, bietet er doch reichhaltiges Material und viel Substanz für weiterführende Forschungen – nicht nur zur Person Ferdinands III. selbst, sondern ebenso zu den ersten sechs Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts insgesamt.

Anmerkungen:
1 Konrad Repgen, Ferdinand III. (1637–1657), in: Anton Schindling / Walter Ziegler (Hrsg.), Die Kaiser der Neuzeit 1519–1918. Heiliges Römisches Reich, Österreich, Deutschland, München 1990, S. 142–167 und 480ff.
2 Lothar Höbelt, Ferdinand III. Friedenskaiser wider Willen, Graz 2008.
3 Fritz Dickmann, Der Westfälische Frieden, 7. Aufl., hrsg. von Konrad Repgen, Münster 1998 (1. Aufl. 1959).

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