Cover
Titel
Byzantinisches Kappadokien.


Autor(en)
Warland, Rainer
Reihe
Zaberns Bildbände zur Archäologie
Erschienen
Anzahl Seiten
144 S.
Preis
€ 29,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Florian Sonntag, Historisches Institut, Universität Stuttgart

Das Innere Anatolien, besser bekannt unter dem Namen Kappadokien, bietet eine einzigartige Tufflandschaft, welche durch unzählige Ausbrüche des Erciyes Daği und des Hasan Daği geformt wurde. In das weiche Tuffgestein wurden unzählige Bauten, vor allem Kirchen geschlagen. Besonders berühmt unter diesen Bauten sind die Höhlenkirchen von Göreme, welche Teil eines Nationalparks sind. Dieser Park gehört seit 1985 dem UNESCO-Welterbe an. Neben diesen Höhlenkirchen haben sich auch unzählige weitere Zeugnisse aus byzantinischer Zeit erhalten, wie Burgen, Klöster und Friedhöfe, welche teils ebenfalls in den Fels getrieben sind, teils aber auch aus Mauerwerk errichtet wurden. Diese „Zeugnisse einer byzantinischen Lebenswelt“ (S. 12) thematisiert Rainer Warland im vorliegenden Band.

Im ersten Kapitel bietet Warland eine Art Einführung in das Thema. Er stellt die Landschaft Kappadokien vor, die zwar besonders durch die Aktivität von Vulkanen geprägt wurde, trotzdem aber höchst kontrastreich und uneinheitlich ist. Neben kargen Hochebenen und Steppen findet man in Kappadokien auch sehr fruchtbare Täler und Canyons. Da Kappadokien ein variabler Begriff ist, wird außerdem der geografische Raum definiert, den Warland in diesem Buch bespricht, nämlich das Kerngebiet Kappadokiens zwischen den Städten Kayseri, Aksaray und Niğde. Anschließend folgt ein kurzer Abriss der Geschichte Kappadokiens. So zeugen zahlreiche Siedlungshügel im Inneren Anatolien von Siedlungsformen aus prähistorischer Zeit. Im zweiten Jahrtausend v. Chr. wurde Kappadokien Teil des hethitischen Großreiches, im sechsten Jahrhundert v. Chr. drangen die Perser in dieses Gebiet vor. Im Zuge der Eroberungen Alexanders des Großen wurde Kappadokien Bestandteil der hellenistischen Welt, bis es Tiberius um das Jahr 17 n. Chr. zur römischen Provinz Cappadocia machte. Seit der Spätantike war Kappadokien häufig das Ziel von feindlichen Angriffen. Neben den Hunnen und Persern fielen häufig auch Araber in das Gebiet ein. Zwar hatten diese Einfälle Gebietsverluste und einen starken Rückgang der Bevölkerung zur Folge, dennoch konnten sich die Byzantiner behaupten. Durch die Niederlage von Mantzikert 1071 kam das Innere Anatoliens unter die Herrschaft der Seldschuken. Dieses Datum wird häufig als Endpunkt der byzantinischen Herrschaft angesehen, auch wenn Kappadokien noch bis ins 14. Jahrhundert einer „byzantinischen Prägung“ unterstand (S. 18). Warlord beendet sein erstes Kapitel mit einem kurzen Abriss über die Kappadokienforschung sowie mit der Beschreibung einiger frühbyzantinischer Bauten. Besonders erwähnenswert ist hier die besterhaltene frühbyzantinische Kirche, die so genannte Rote Kirche nahe Sivrihisar. Insgesamt sind die Funde aus dieser Zeit aber eher spärlich. So hat man nur eine spätantike Villa entdeckt, welche in das 4. oder 5. Jahrhundert datiert wird und wohl im 7. Jahrhundert durch ein Gräberfeld überbaut wurde.

Im zweiten Kapitel beschreibt Warland die verschiedenen Siedlungskonzepte in Kappadokien. Neben Siedlungen auf hoch aufragenden Felsen finden sich auch Siedlungen, die tief in den Fels geschlagene Fluchtanlagen besitzen. Die Fluchtanlagen konnten häufig mit Rollsteinen verschlossen werden. Außerdem befinden sich speziell im östlichen Kappadokien große Residenzen, die sehr luxuriös ausgestattet waren und höchstwahrscheinlich einer kleinen Gruppe von Grundherren als herrschaftliche Landsitze dienten. Im westlichen Kappadokien finden sich überwiegend Hofanlagen, die landwirtschaftlich genutzt wurden. Wer die Herren dieser Gehöfte und Residenzen waren, wird seit langem in der Forschung diskutiert. Neben Großgrundbesitzern kommen auch Generäle, armenische Fürsten oder „Warlords“ in Frage. Außerdem werden in diesem Kapitel noch die kappadokischen Höhlenkirchen beschrieben, welche nicht von einem Architekten, sondern einem Steinmetz erbaut wurden. Dreischiffige Basiliken, einschiffige Apsidensäle sowie komplexe Kuppelkirchen bilden die Grundtypen. Jedoch findet man in Kappadokien nicht nur zahlreiche Felsenkirchen, sondern auch Felsenklöster. Wichtigstes Merkmal dieser Gebäude ist die Trapeza, ein langer Tisch, um welchen sich die Mönchsgemeinschaft versammelte. Am Ende des Kapitels findet sich eine kurze Beschreibung des Bestattungswesens in Kappadokien. Die vorherrschende Bestattungsform war das Arkosolgrab.

Im dritten Kapitel werden Wandmalereien des zehnten und elften Jahrhunderts beschrieben und analysiert, die sich in Kappadokien zahlreich erhalten haben. „Keine andere Landschaft des historischen Byzanz besitzt eine so dichte Hinterlassenschaft von Wandmalerei zur Frühzeit des 10. bis 13. Jahrhunderts“ (S. 57). Dies ist zum einen der Höhlenarchitektur zu verdanken, die die Malereien vor extremer Witterung schützt, zum anderen klimatischen Vorzügen. Viele der Wandmalereien aus dieser Zeit haben sich in Kapellen erhalten, die häufig ein ähnliches Bildrepertoire aufweisen und wahrscheinlich von Würdenträgern und hohen Militärs gestiftet wurden. Besonders häufig sind rote Kreuzzeichen als Schutzzeichen in diesen Kapellen zu finden. Daneben werden Kreuze aber auch von Efeu, Trauben oder der Akanthuspflanze umspielt, welche als Sinnbild für Fruchtbarkeit und lebensspendende Kraft gesehen werden können. Diese Kreuze sind häufig in Kapellen mit Flachdecken anzutreffen. Kirchen mit Tonnengewölben verfügen dagegen meist über narrative Bilderzyklen der biblischen Heilsgeschichte. Die Theophanie, also die Erscheinung Gottes, ist ebenfalls ein häufiges Bildmotiv, das sich vorzugsweise in den Apsiden der Kapellen findet. Außerdem sind Bilddarstellungen von Emeriten wie Simeon Stylites und Onophrios in einigen Gotteshäusern nachzuweisen. Am Ende des Kapitels geht Warland noch kurz auf die Funktion der so genannten Doppelkapellen ein. Einer der Kirchenräume war für die Totenliturgie, der andere für die Festtagsliturgie bestimmt.

Im vierten und fünften Kapitel widmet sich Warland den Kirchen des 13. Jahrhunderts sowie dem Zusammenleben von Byzantinern und Seldschuken. Diese Zeit bildet eine zweite Hochphase der byzantinischen Wandmalerei der kappadokischen Kirchen. Zwar war Kappadokien faktisch unter seldschukischer Herrschaft, aber zwischen der byzantinischen Bevölkerung und ihren seldschukischen Herrschern „entstanden im Laufe der Zeit Übereinkünfte, Formen und Vereinbarungen des Zusammenlebens, die auch den kulturellen Lebenswelten der Byzantiner eigene Räume der Entfaltung überließen“ (S. 120). Außerdem beschreibt Warland die wichtigsten Monumente dieser Zeit sowie die Besonderheiten der Wandmalerei. Ein häufiges Bildmotiv in diesen Kirchen ist die Himmelfahrt Mariens, welche oft in der Nähe der Stiftergräber zu finden ist.

Insgesamt bietet Warlands Werk, das durch den Fußnotenapparat, eine Auswahl der wichtigsten Kirchen sowie ein Literaturverzeichnis abgerundet wird, eine kenntnisreiche, informative und durch die detailreichen Bilder anschauliche Einführung zum byzantinischen Kappadokien. Das positive Gesamtbild wird auch nicht durch manchen Tippfehler getrübt (S. 16, 50, 58, 80 und 95), den ein aufmerksamer Lektor ohne Weiteres hätte beseitigen können.

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