J. Wienand: Der Kaiser als Sieger

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Titel
Der Kaiser als Sieger. Metamorphosen triumphaler Herrschaft unter Constantin I.


Autor(en)
Wienand, Johannes
Reihe
Klio-Beihefte N.F. 19
Erschienen
Berlin 2012: Akademie Verlag
Anzahl Seiten
646 S.
Preis
€ 99,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Lambrecht, Institut für Geschichte, Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz

Die Tausendsiebenhundertjahrfeier der Ausrufung Konstantins zum Augustus durch die Truppen des kurz zuvor gestorbenen Constantius I. in York und der Residenznahme des neuen Kaisers in Trier haben in den Jahren 2006 und 2007 im Umkreis und infolge der mit dem Jubiläum verbundenen Ausstellungen zu einer spürbaren Aktivierung der Publikationstätigkeit zu Konstantin und seiner Zeit beigetragen, auch wenn deren Ertrag teilweise erst Jahre nach dem Jubiläum sichtbar wird. Hier kann auch Johannes Wienands umfangreiche Studie eingeordnet werden, die mit neuen Ergebnissen zur Sieghaftigkeit Konstantins aufwartet, indem sie den Veränderungen des kaiserlichen Selbstverständnisses und dessen Dokumentation nach außen nachgeht. In gewisser Weise schreibt Wienand damit unter dem Begriff der „Herrschaftsrepräsentation“ mit Hilfe eines in den letzten Jahren unter dem Zeichen kulturwissenschaftlicher Fragestellungen verfeinerten methodischen Repertoires Forschungen fort, die vor über zwanzig Jahren Thomas Grünewald anhand einer Untersuchung epigraphischer, numismatischer und panegyrischer Quellen als „Herrschaftspropaganda“ akzentuiert hat.1

Den Zugang zu seinem Thema erarbeitet Wienand einleitend durch Überlegungen zur Rolle des Kaisers als Sieger; trotz der Unschärfe militärischer Aspekte der monarchischen Repräsentation dient ihm diese als „Ansatzpunkt einer Analyse der Struktur, Funktion und historischen Dynamik römischer Herrschaft im constantinischen Imperium Romanum“ (S. 23). In diese Fragen spielen Spannungen zwischen traditionsverhafteten Normen und dynamischen Neuentwicklungen hinein, wie sie sich an der Christianisierung der Monarchie, der Hinwendung zu dynastisch orientierter Herrschaftsteilung, der Etablierung des Residenzkaisertums und der Siegesinszenierung anhand der Erfolge mehr über innen- als außenpolitische Gegner zeigen lassen. Damit orientiert sich Wienand bewusst an der „Entwicklung der römischen Monarchie unter Constantin als Resultat vielschichtiger historischer Vollzüge innerhalb einer Gemengelage unterschiedlichster Akteure mit ihren je eigenen Interessen und Handlungsspielräumen“ (S. 13) und will also auf dem Wege der Darlegung kommunikativer Strategien die Ergebnisse von Aushandlungsprozessen erarbeiten. Das bedeutet für die anderwärts oft im Vordergrund stehenden Fragen nach der „Konstantinischen Wende“, dass die Hinwendung des Kaisers zum Christentum von Wienand in die Fragestellung nach der Sieghaftigkeit eingeordnet und relativiert, ihr hingegen keine vorrangige Funktion zuerkannt wird.

Seine heuristischen Ziele im Zusammenhang mit der monarchischen Repräsentation verfolgt Wienand durch die Analyse herrschaftspanegyrischer und numismatischer Quellen, wobei er moderne Kriterien der kommunikativen Funktion panegyrischer Texte, die neben dem Adressaten den Redner und das übrige Publikum einbeziehen, ebenso wie numismatischer Objekte berücksichtigt, bei denen er den Gabentauschaspekt in den Vordergrund stellt. So erlauben ihm beide Quellentypen „den analytischen Zugriff auf die Aushandlungsprozesse, in denen sich die Gestalt der römischen Monarchie stets aufs Neue zu konstituieren und zu legitimieren hatte“ (S. 86), und illustrieren auf diese Weise die Veränderungen in der Herrschaftsrepräsentation Konstantins und deren Bedingungen. Diesen Gedanken entfaltet Wienand in sechs zu drei Teilen paarweise geordneten Kapiteln stringent und in durchaus überzeugender Weise, auch wenn man nicht jeder seiner Schlussfolgerungen zustimmen muss.

Der erste Teil stellt Konstantin in den Rahmen seiner tetrarchischen Herrscherkollegen. Dabei geht Wienand entgegen der communis opinio davon aus, Konstantin sei formal korrekt von seinem Vater auf dem Sterbebett zum Caesar ernannt worden. Er integriert seine Argumentation in eine Abwägung leistungsbezogener und dynastischer Aspekte, die im tetrarchischen Konzept in Bezug zueinander gesetzt worden seien und im Jahre 306 zu Konstantins Gunsten gesprochen hätten. Im Zusammenhang mit seinen Untersuchungen zur konstantinischen Herrschaftsrepräsentation mögen diese Überlegungen gut in Wienands Argumentationsfolge passen, zumal sie aus den Quellen und weitgehend unabhängig von den Ergebnissen anderer Forscher wie Timothy Barnes oder Frank Kolb entwickelt sind. Sie müssten jedoch hinsichtlich ihrer Tragfähigkeit im Rahmen der mit dem Jahr 306 aus den Fugen geratenen Tetrarchie überprüft und vergleichend um Aussagen zu den Ambitionen des Maxentius und auch dessen 305 zurückgetretenen und danach mehrfach sich selbst reaktivierenden Vaters Maximian ergänzt werden, ganz zu schweigen von den politischen Absichten des Galerius. Wienand beschränkt den Blickwinkel anhand des Panegyricus von 307 sowie epigraphischer und numismatischer Zeugnisse bis zum September 307 aber auf Konstantin und bezieht dessen Kollegen nur insoweit ein, als sie Erhellendes zu Konstantins Herrschaftsrepräsentation beizutragen vermögen. Erst zum Zeitpunkt des Bündnisschlusses mit Maximian habe sich Konstantin von tetrarchischen Vorgaben gelöst, die vorher nicht ausgespielte dynastische Legitimität und die eigene Sieghaftigkeit in den Vordergrund gestellt. Der drei Jahre darauf vollzogene Bruch mit Maximian ist für Wienand sodann „die unsichtbare Achse, um die herum die constantinische Selbstdarstellung im Jahr 310 eine beachtliche Wendung vollzog“ (S. 193): vor allem durch die dynastische Neuausrichtung auf Claudius Gothicus und die Etablierung des Apollo beziehungsweise des Sol invictus als der persönlichen Schutzgottheit bei gleichzeitig endgültigem Abschied vom tetrarchischen Gedankengut.

Der zweite Teil thematisiert die Rolle der gegen Maxentius und gegen Licinius geführten Bürgerkriege für die Selbstrepräsentation Konstantins, dem diese Auseinandersetzungen den Weg zur Alleinherrschaft ebneten. Wienand konstatiert im Zusammenhang mit dem Sieg über Maxentius als „das neue Modell triumphaler Herrschaft“ (S. 212) die Mutation des Bürgerkriegssieges in die „Standardoption kaiserlicher Siegesinszenierung“ (S. 219). Dabei spricht er zwar nur von einer „triumphalen Siegesparade“ (S. 214), nicht von einem Triumphzug, aber doch vom „constantinischen Triumphbogen“ (S. 212), um den damit verbundenen Wandel in der Herrschaftsrepräsentation Konstantins auszudrücken. Der von Konstantin triumphal inszenierte Charakter des Einzugs in die Stadt Rom nach dem Sieg über Maxentius dürfte allein aufgrund hier kulminierender Tendenzen, die sich seit dem 3. Jahrhundert beobachten lassen, außer Frage stehen. Die ein bellum iustum voraussetzenden iusta arma der Inschrift vom Konstantinbogen sprechen eine deutliche Sprache; der arcus triumphis insignis qualifiziert aber mehr eine triumphale Sieghaftigkeit im allgemeinen Sinne als den für Siege über auswärtige Völker reservierten und jetzt angeblich auf den Sieg über den innenpolitischen Gegner angewandten Fachbegriff des Triumphzugs, wenn der Kaiser auf seinem Bogen nicht auf der Triumphalquadriga stehend abgebildet ist, sondern sitzend im vierrädrigen Wagen in Rom einzieht.

Dessen ungeachtet kann man Wienand wohl folgen, dass die innenpolitische Lage 312 es Konstantin geraten erscheinen ließ, den Sieg über Maxentius nachdrücklich zu verwerten, um seinen Führungsanspruch gegenüber den Mitkaisern zu unterstreichen. Diesen konnte er freilich gegenüber Licinius noch nicht durchsetzen, auch wenn Wienand dessen Reise durch Norditalien nach Mailand als bewusste Konfrontation des Mitregenten mit Konstantins Herrschaftsanspruch interpretiert. Demgegenüber verzichtet Wienand nämlich auf eine Interpretation der Mailänder Vereinbarung, deren Tendenz wohl mehr die Handschrift des Licinius als die Konstantins verrät. In die Überhöhung des Siegers fließen christliche Deutungen mit ein, wie Wienand darlegt, doch sei eine Beendigung der paganen Symbolik ebenso wenig zu erkennen wie die „Aufladung der christlichen Siegessymbole Constantins mit christologischen Sinngehalten“ (S. 273), auch wenn der Kaiser wohl nicht „auf einen Synkretismus von Sol und Christus abzielte“ (S. 277). Allerdings konnten sich aus Konstantins Bedürfnissen nach einer überzeugenden Herrschaftsrepräsentation und den Vorstellungen christlicher Vertreter Widersprüche ergeben, die ihrerseits Auswirkungen auf die Inszenierung Konstantins haben mochten.

In den Folgejahren konstatiert Wienand eine deutliche Konzentration der Herrschaftsrepräsentation Konstantins auf Sol invictus, bis mit der Münzreform von 318 die Sol-Prägungen in Bronze eingestellt und wegen der Wertunterschiede zwischen alten und neuen Münzen rasch aus dem Umlauf verdrängt worden seien, während die Goldprägungen für festliche Anlässe noch jahrelang bis 325 fortgeführt wurden. Dies und die in der „Zusammenführung christlicher und paganer Ansprüche“ (S. 327) religionspolitisch motivierte Neukonzeption der Heeresrituale, die Wienand in das Jahr 321 datiert, laufen dem Autor zufolge auf Sinngehalte hinaus, „die für unterschiedliche religiöse Deutungen offen waren“ (S. 334), damit „die Herrscherimago über religiöse Differenzen hinweg auf alle Beteiligten möglichst attraktiv wirken konnte“ (S. 335). Dabei habe Konstantin „keine religiöse Uneindeutigkeit in der imperialen Repräsentation angestrebt“ (S. 334), die beabsichtigte Eindeutigkeit trete vielmehr in den unterschiedlichen Ansprechpartnern für bestimmte Münzemissionen durchaus zutage. Hiermit nimmt Wienand eine Position ein, die die Beweiskraft bestimmter Maßnahmen Konstantins für eine christliche Wende um 312 ebenso negiert wie einen diffusen henotheistisch interpretierbaren Synkretismus paganer und christlicher Vorstellungen. Vielmehr habe Konstantin Glaubensfragen dieser Art einer möglichst alle Ansprechpartner erreichenden, wirkungsvollen Herrschaftsrepräsentation untergeordnet, ohne dass „die religiösen Überzeugungen des Herrschers zu rekonstruieren“ (S. 335) seien.

Die eindeutige Christianisierung Konstantins und seiner in der Vergangenheit erfochtenen Siege macht Wienand vielmehr erst in der Phase der Alleinherrschaft des Kaisers aus, die er im dritten Teil behandelt. Dabei wertet er – gewiss ein besonders ertragreicher Höhepunkt der gesamten Untersuchung – in gelungener Weise die panegyrischen Figurengedichte Optatians für die Herrschaftsrepräsentation Konstantins aus: Der invictus verwandelt sich in einen victor, der nun seine zivilen Tugenden, die im Streben nach iustitia und veritas zum Ausdruck kommen, für die Herrschaft in Raum und Zeit ausspielt. Im Interesse religiös-kosmischer Überhöhung des Kaisers werden solare Elemente, jetzt christlich gewendet, aus der Phase der Sol-orientierten Herrschaftsrepräsentation isoliert und in das Kaiserbild integriert. Der Kaiser als zentrale Instanz des Rechts ist für Wienand das Ergebnis „schleichender Verschmelzung traditioneller Herrscherkonzepte mit christlichen Deutungsmustern“ (S. 401f.), was er an Elementen der konstantinischen Religionspolitik von der Mailänder Vereinbarung bis zum Konzil von Nicaea zu erweisen sucht, die von einem Selbstverständnis des Kaisers „als religiöser Lehrmeister“ mit „privilegiertem Zugriff auf die veritas“ (S. 419) getragen seien. Von Repräsentationselementen wie diesen ergeben sich Verbindungslinien zur kaiserlichen Sieghaftigkeit wie zum höfischen Zeremoniell, so dass „sich die kirchliche und höfische Sphäre einander annähern konnten“ (S. 420).

In den verschiedene Untersuchungslinien bündelnden Interpretationen des dritten Teils, die – von Optatian ausgehend und zu Eusebius von Caesarea weiterführend – Tendenzen der Herrschaftsrepräsentation Konstantins im zeitlichen Verlauf entwickeln und zusammenführen, ist eine besondere Leistung Wienands zu sehen, der dabei diverse Traditionen und Innovationen im Zeitverlauf ebenso im Blick hat wie deren Mutationen in bestimmten historischen Schlüsselsituationen, die die Grundlage für Umstellungen abgeben. Die Summe zieht Wienand mit dem christlichen Herrscherbild, das Eusebius Konstantin zuschreibt und in dem der Gott nicht mehr, wie noch Sol, comes des Kaisers ist, sondern umgekehrt der Kaiser comes Gottes im Kampf gegen dessen Feinde. Die von Gott auf den Kaiser wirkende Kraft des Lichtes korrespondiert mit der kaiserlichen eusebeia, so dass Christentum, Kaiser und Reich eine Einheit bilden. In Konstantins Selbstdarstellung sieht Wienand also eine Inszenierung des Kaisers „als integralen Bestandteil des christlichen Kosmos und als Mittler der göttlichen Wirkmächte zwischen der göttlichen und der irdischen Sphäre“ (S. 467).

Am Ende steht Konstantin als triumphator ac victor da: Diese Zuschreibung repräsentiert allgemeine Eigenschaften, die des konkreten Bezugs enthoben sind und „die römische Weltherrschaftsidee mit der triumphalen Sieghaftigkeit des Kaisers“ (S. 494) verbinden. Damit zieht Wienand ein gelungenes Resümee aus einer konsequent aufgebauten und durchgeführten Untersuchungsfolge zur militärischen Selbstrepräsentation Konstantins, die viele heikle Probleme der Konstantinforschung anspricht und im Interesse der Fragestellung einer Lösung zuführt, die in den Einzelaspekten keineswegs immer zufriedenstellt. Daher werden sich aus dieser Studie und ihren Ergebnissen für manche offene Fragen Anregungen für neue Untersuchungsansätze ergeben. Das wäre kein schlechtes Ergebnis für eine Konstantins gesamten Herrschaftszeitraum erfassende und gliedernde Studie, die mit der Frage nach der Herrschaftsrepräsentation des Kaisers einen geschlossenen Interpretationsrahmen liefert, der zwar nicht alle Probleme bündig zu lösen vermag, seine Überzeugungskraft aber aus der systematischen Ordnung des nicht Systematisierbaren bezieht.

Anmerkung:
1 Thomas Grünewald, Constantinus Maximus Augustus. Herrschaftspropaganda in der zeitgenössischen Überlieferung, Stuttgart 1990.

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