C. Eifert: Deutsche Unternehmerinnen im 20. Jahrhundert

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Titel
Deutsche Unternehmerinnen im 20. Jahrhundert.


Autor(en)
Eifert, Christiane
Reihe
Schriftenreihe zur Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 24
Erschienen
München 2011: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
223 S.
Preis
€ 48,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Tanja Junggeburth, Institut für Geschichtswissenschaft, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

„Frauen und Karriere“ bzw. „Frauen an der Spitze von Unternehmen“ ist ein Thema, das zur Zeit nicht nur die Berliner Politikbühne beschäftigt, auf der gleich mehrere Minister/innen um die Frauenquote in den Aufsichtsräten und Vorständen deutscher Unternehmen streiten. Auch in der breiten Öffentlichkeit erfährt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, weiblicher Erwerbstätigkeit und Kindererziehung neue, häufig emotional aufgeladene, polarisierende und nicht selten von gängigen Vorurteilen und alten Grabenkämpfen geprägte Aufmerksamkeit: Können, sollen oder wollen Frauen Karriere machen? Oder sollten sie nur Teilzeit arbeiten und sich hauptsächlich Familie und Kindern widmen? Welches Modell hat eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz, ist besser für die Zukunft unserer Gesellschaft? Über diese Fragen ist viel geschrieben worden – aus biographischer, soziologischer, feministischer, wirtschafts- und rechtswissenschaftlicher, aus theoretisch-analysierender und praktischer Sicht.

Auch die historische Forschung hat der Frauenfrage in vielen Studien ihre Aufmerksamkeit gewidmet. Ökonomisch erfolgreiche Frauen auf dem Weg nach oben, Unternehmerinnen und ihr Wirken an der Spitze großer Betriebe und in ihrem gesellschaftlichen Umfeld wurden von der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte bislang jedoch weitgehend ignoriert. Die Vernachlässigung dieses Forschungsfeldes wird in der Regel mit den Ergebnissen empirischer Untersuchungen begründet, Frauen in Führungspositionen seien „einsam unter Anzugträgern“ (S. 7), ihr Durchbruch lasse nach wie vor auf sich warten und als Unternehmerinnen seien sie – angeführt werden hier in der Regel Margarete Steiff, Käthe Kruse, Jil Sander und Beate Uhse – sowohl im 19. als auch im 20. Jahrhundert lediglich Ausnahmeerscheinungen, keinesfalls aber die Regel gewesen. Innerhalb der Gruppe erwerbstätiger Frauen stellten sie zum einen nur eine geringe Minderheit, eine statistisch zu vernachlässigende Größe dar und seien damit „nicht als ernsthafter Gegenstand historischer Forschung“ (S. 11) zu begreifen. Zum anderen würden Frauen keine Großunternehmen leiten, sondern stünden allenfalls kleinen Familienunternehmen vor, deren Leitung ihnen, erstens, nicht aufgrund ihrer unternehmerischen Fähigkeiten, sondern im Erbgang als Witwe oder einziges Kind zugefallen sei und die, zweitens, aufgrund ihrer untergeordneten ökonomischen Bedeutung für die Unternehmens- und Wirtschaftsgeschichte von nachrangigem Interesse seien.

In diese Lücke und gleichsam in das Zentrum geläufiger Vorurteile stößt Christiane Eifert mit ihrer Studie, in der sie die „Ursachen der gesellschaftlichen Unsichtbarkeit von Unternehmerinnen“ (S. 11) ergründet und nachweist, dass Unternehmerinnen im 20. Jahrhundert zum einen nicht auf bestimmte, geschlechtsadäquate Wirtschaftsbranchen beschränkt waren, zum anderen sowohl klein- und mittelständische als auch Großunternehmen leiteten und besaßen sowie ferner in der fachlichen Qualifikation nicht hinter ihren männlichen Konkurrenten zurückstanden: „Unternehmerinnen bildeten […] während des gesamten 20. Jahrhunderts keine Ausnahmefiguren, sondern sie stellten kontinuierlich ein Fünftel bis ein Viertel aller unternehmerisch tätigen Menschen im Land und sind somit eine reguläre Erscheinung, der durchaus historische Relevanz beizumessen ist“ (S. 38). Dieser vergleichsweise hohe Frauenanteil bezieht sich freilich auf alle Betriebsinhaber, das heißt jede selbständig erwerbstätige Frau wird dadurch zur Unternehmerin. Plausibler ist vor diesem Hintergrund der Wert des empirischen Sozialwissenschaftlers Heinz Hartmann, der davon ausgeht, dass 1961 24.312 Frauen Unternehmen mit zehn und mehr Beschäftigten besaßen, was einem Anteil von 11,8 Prozent entsprach (S. 36).

Die empirische, methodisch aber mit Vorbehalt zu betrachtende Basis des ersten Teils bilden statistische Daten, die Eifert aus Presseveröffentlichungen, wissenschaftlichen Untersuchungen, biographischen Publikationen, Firmenfestschriften und dem bis 1978 reichenden Mitgliederverzeichnis des 1954 gegründeten Verbandes deutscher Unternehmerinnen (VdU) generiert. Mit Hilfe dieser Daten zeichnet sie aus primär sozial- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive zum einen nach, auf welchem Weg die Unternehmerinnen an die Spitze des Unternehmens gelangten und die Eigentumsrechte erwarben. Eifert differenziert hierfür zwischen Erbinnen und Gründerinnen und betont die „erstaunlich hohe Selbstrekrutierungsrate“ (S. 39), die nicht nur auf männliche Unternehmer zutrifft, sondern sich auch für ihr weibliches Pendant bestätigen lässt.

Zum anderen analysiert sie die Qualifikation der Unternehmerinnen, unter der sie sowohl institutionelles als auch inkorporiertes kulturelles Kapital versteht. Die fachliche Qualifizierung erfolgte in der Regel über die informelle Mitarbeit im Familienunternehmen und ist laut Eifert darauf zurückzuführen, dass Ehefrauen bzw. Töchtern bis weit ins 20. Jahrhundert hinein der Zugang zu Bildungspatenten verweigert bzw. erschwert wurde. Zudem verweist sie darauf, dass rechtliche Beschränkungen, konkret das frauendiskriminierende Ehe- und Familienrecht sowie das fehlende passive Wahlrecht der Frauen zu Wirtschaftsverbänden und Wirtschaftsorganisationen, einer erfolgreichen weiblichen Unternehmensnachfolge und -führung lange entgegen standen. Der professionelle Habitus der Unternehmerinnen spiegele sich in einem spezifisch weiblichen Führungsstil, der auf Teamgeist und intuitiven Entscheidungen basiere und gleichsam als Beleg für Professionalität und Eignung stehe. Eifert illustriert ihre Thesen vorwiegend an konkreten Beispielen aus dem wenig bekannten deutschen Mittelstand und demonstriert eindrücklich, wie einzelne Unternehmen nur dank der unternehmerischen Fähigkeiten von Unternehmergattinnen und -töchtern Kriegswirren und Krisen überstanden.

Der zweite und umfassendere Teil der Studie ist der Gründung und Tätigkeit des VdU gewidmet, der sich in seinen Aufgaben und seiner Struktur an bereits bestehende Assoziationen im europäischen Ausland anlehnte und von Eifert folgerichtig im Kontext mit der internationalen Organisation von Unternehmerinnen analysiert wird. Der Zusammenschluss der deutschen Unternehmerinnen hatte nicht nur die gängigen Funktionen eines Wirtschaftsverbandes wahrzunehmen, sondern sollte den aus vielen informellen männlichen Netzwerken ausgeschlossenen Unternehmerinnen die Möglichkeit bieten, nationale wie internationale sozioökonomische Kontakte und Kommunikationsstrukturen aufzubauen und zu pflegen. Zwar wuchs die Mitgliederzahl bis in die 1990er-Jahre kontinuierlich an, doch wurde der Verband in der Öffentlichkeit zunächst kaum als anerkannte Vertretung mittelständischer Interessen wahrgenommen, sondern als reine Frauenorganisation. Entsprechend gering bewertet Eifert auch seine Erfolgsbilanz. So lasse sich für die Wahl von Unternehmerinnen in die Vorstandsgremien der Wirtschaftsverbände und -organisationen nur ein „extrem langsame[r] Öffnungsprozess“ (S. 144) erkennen. Eine ähnlich ernüchternde Bilanz zieht Eifert für die gesellschaftliche Visibilität von Unternehmerinnen. Sie seien während des gesamten 20. Jahrhunderts „nicht wahrgenommen“ worden und in einer „Spirale des Verschweigens“ (S. 157) gefangen gewesen. Die Ursachen dieses „Unsichtbarmachung von Frauen“ (ebd.) schreibt Eifert nicht zuletzt der patrilinearen Konstruktion von Familienunternehmen zu, in der die Frau auf die Rolle der mithelfenden Gattin reduziert und ihre Arbeit dem privaten Bereich zugeordnet werde, wohingegen der Ehemann das Unternehmen als Leistungsträger nach außen repräsentiere.

Wenngleich dieses Argument nicht vollends zu überzeugen vermag, hinterlässt die Studie von Eifert einen positiven Gesamteindruck. Sie hat eine Untersuchung vorgelegt, die empirisch fundiert und argumentativ überzeugend sowohl die gesellschaftliche Nichtwahrnehmung von Unternehmerinnen als auch ihre tatsächliche Relevanz herausarbeitet und einen anregenden Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen bietet.

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