J. Bähr u.a.: 1931 Finanzkrisen 2008

Cover
Titel
1931 Finanzkrisen 2008.


Autor(en)
Bähr, Johannes; Rudolph, Bernd
Erschienen
München 2011: Piper Verlag
Anzahl Seiten
320 S.
Preis
€ 24,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Carsten Burhop, Seminar für Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte, Universität zu Köln

Johannes Bähr und Bernd Rudolph, die Autoren des hier zu besprechenden Buches, sind jeweils Experten in ihrem Feld – der eine im Bereich der Wirtschafts-, Finanz- und Bankengeschichte, der andere auf dem Gebiet der Kapitalmarktforschung und Bankbetriebslehre. Beste Voraussetzungen also, um einem breiten Publikum – und an diesen Leserkreis richtet sich das Werk – die Bankenkrisen der Jahre 1931 und 2008 verständlich darzustellen. Grundsätzlich ist dies eine dankenswerte Leistung, denn in der öffentlichen Debatte wird die gegenwärtige Krise des Finanzkapitalismus gelegentlich in einem Atemzug mit der 1929 beginnenden Weltwirtschaftskrise genannt. Dieser populäre Rückgriff auf das Jahr 1929 ist allerdings aus deutscher Perspektive unzutreffend, denn hierzulande kam es erst im Sommer 1931 zur markanten Bankenkrise.

Im vorliegenden Werk werden die deutsche Bankenkrise des Jahres 1931 und die vornehmlich amerikanische Finanzmarkt- und Bankenkrise des Jahres 2008 dargestellt. Dem potentiellen Leser sei an dieser Stelle sogleich mitgeteilt, dass die beiden Krisen zwar individuell gekonnt und auf Basis der neuesten Forschungsliteratur vorgestellt werden, dass aber ein Vergleich der beiden Krisen miteinander kaum stattfindet. Da die jeweiligen Abschnitte aber reichlich Material enthalten kann der Leser, zumindest bei der zweiten Lektüre des Werkes, den Vergleich selbst anstellen.

Im ersten Abschnitt des Buches stellt Johannes Bähr auf rund 125 Seiten Ursachen, Verlauf und Folgen der deutschen Bankenkrise von 1931 dar. Zur Einstimmung wird dem Leser zunächst der chronologische Verlauf der Krise vorgestellt. Anschließend widmet sich Bähr den möglichen Ursachen der Krise. Dabei diskutiert er sowohl mögliche Ursachen im Bankensektor, zum Beispiel die übermäßige kurzfristige Verschuldung der Banken im Ausland oder die übermäßig risikoreiche Kreditvergabe der Banken im Inland, als auch wirtschaftspolitische Faktoren, die die Krise verursacht haben könnten – genannt seien die Staatsschulden- und Reparationskrise. Positiv hervorgehoben werden muss an dieser Stelle, dass Bähr neben der traditionellen deutschen Literatur auch die allerneueste englischsprachige Literatur bei seinem Überblick berücksichtigt. Nach Krisenverlauf und Krisenursachen widmet sich Bähr der Krisenbekämpfung. Wie in der Gegenwart wurden auch 1931 Banken vom Staat gestützt und teilweise verstaatlicht. Die dem Staat zugefallenen Beteiligungen an Banken wurden größtenteils noch vor Kriegsausbruch wieder privatisiert. Auch dies stellt Bähr vor. Außerdem stellt er – recht knapp – die internationalen Auswirkungen der deutschen Bankenkrise dar und beschreibt die Schaffung einer Bankenaufsicht in Deutschland. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass hier ein sehr gut gelungener Überblick über die deutsche Bankenkrise von 1931 gegeben wird.

Im zweiten Abschnitt des Buches widmet sich Bernd Rudolph auf knapp 100 Seiten der aktuellen Bankenkrise. Auslöser der Krise waren bekanntlich Probleme der amerikanischen Immobilienfinanzierung. Konsequenterweise stellt Rudolph daher zunächst Besonderheiten und Probleme der amerikanischen Wohnungsbaufinanzierung sowie den Markt für hypothekengesicherte Wertpapiere dar. Die Darstellung der – zugegebenermaßen nicht ganz einfachen – Materie ist sehr souverän und auch für den Laien verständlich. Anschließend legt Rudolph dar, wieso ein Zusammenbruch des Marktes für zweitklassige Hypothekendarlehen das Weltfinanzsystem ruinieren konnte. Die Vernetzung der einzelnen Teilmärkte des Wertpapiermarktes und die Risiken einzelner Marktteilnehmer, insbesondere von Lehman Brothers, werden gekonnt dargelegt. Schließlich stellt Rudolph mögliche Strategien zur Krisenbewältigung vor. Dieser Abschnitt bleibt allerdings unvollständig – schließlich ist der Prozess der Krisenbewältigung noch nicht abgeschlossen und er wird durch neuere Ereignisse überlagert.

Abschließend wagen die Autoren einen zehnseitigen Vergleich der beiden Krisen. Diesen leiten die Autoren auf S. 245 mit einer zentralen Erkenntnis ein: „Der Vergleich zwischen 1931 und 2008 zeigt vor allem die grundsätzlichen Unterschiede zwischen beiden Krisen. Das gilt für die Ursachen, den Verlauf und die Folgen […].“ Anschließend diskutieren sie – fein säuberlich hinter elf Spiegelstrichen gegliedert – verschiedene Dimensionen der Krise. Beispielsweise stellen die Autoren fest, dass die Krise von 1931 eine weitestgehend auf Mitteleuropa beschränkte Krise gewesen ist, die in einem labilen konjunkturellen Umfeld auftrat, während sich die Krise von 2008 aus einem starken konjunkturellen Aufschwung heraus entwickelte und rasch zu einer globalen Krise wurde. Auch die Reaktion der wirtschaftspolitischen Akteure unterschied sich grundsätzlich: 1931 war die Geldpolitik restriktiv und es herrschte ein starkes Konkurrenzdenken zwischen den Staaten; 2008 expandierten die Zentralbanken die Geldmenge rasch und die wichtigsten Regierungen agierten gemeinsam. Allerdings bemerken Bähr und Rudolph auch einige Gemeinsamkeiten: in beiden Fällen wurden die Akteure von den Krisen überrascht und in beiden Fällen konnte das Finanzsystem nur durch staatliche Unterstützung systemrelevanter Finanzintermediäre gerettet werden. Gleichwohl stellen die beiden Autoren am Ende optimistisch fest, dass sich zeigt, „[…] dass Krisenerfahrungen dazu beitragen können, die nächste Krise besser – das heißt schneller und schonender – zu überwinden.“ Mit Blick auf die gegenwärtige europäische – und amerikanische – Staatsschuldenkrise, erscheint mir diese Einschätzung zu optimistisch, denn man könnte den Eindruck gewinnen, dass die rasche wirtschaftspolitische Reaktion der Jahre 2008 und folgende das Problem lediglich auf eine andere Eben verlagert hat. Die Bankenkrise ist zur Staatsschuldenkrise geworden und es bleibt zu hoffen, dass sie nicht zur Staatskrise mutiert.

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