C. W. A. Prior u.a. (Hrsg.): England's Wars of Religion

Cover
Titel
England's Wars of Religion, Revisited.


Herausgeber
Prior, Charles W. A.; Burgess, Glenn
Erschienen
Farnham 2011: Ashgate
Anzahl Seiten
335 S.
Preis
£ 65.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Pečar, Historisches Institut, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Der von Charles Prior und Glenn Burgess herausgegebene Sammelband ist zunächst eine Hommage an John Morrill, der im Jahr 1983 mit einem grundsätzlichen Aufsatz einmal mehr die Frage aufgeworfen hatte, was den englischen Bürgerkrieg verursacht haben könnte. Sein Plädoyer verdient auch heute noch zitiert zu werden: „The English Civil War was not the first European Revolution: it was the last of the Wars of Religion.“1 Diese Deutung ist seither in der englischen Forschung heiß diskutiert worden und unvermindert aktuell. Es ist daher eine gute Idee der Herausgeber, nach knapp dreißigjähriger Debatte über den englischen Bürgerkrieg als Religionskrieg Bilanz zu ziehen. Dabei zeigen die vierzehn Beiträge, auf welch vielfältige Weise Morrills These verstanden und ausgelegt werden kann.

Glenn Burgess macht den Anfang mit einem Blick in die Historiographiegeschichte seit dem Earl of Clarendon und David Hume bis zu Christopher Hill und John Morrill, um jeweils auszumessen, welcher Anteil der Religion in der Geschichtsschreibung über den englischen Bürgerkrieg jeweils zugestanden wurde. Die Religion war dabei stets in den Deutungen präsent und diente als Argument, um die Vehemenz und die Entschlossenheit der Akteure zu erklären. Die Sinnstiftung der Rebellion erfolgte jedoch durch einen Blick auf deren vermeintliche Folgen: die parlamentarische Einhegung der Monarchie und die Etablierung bürgerlicher Freiheitsrechte in England. Burgess erkennt anhand der vorliegenden Deutungen des Bürgerkrieges das Grundproblem, dass die Bereiche Politik und Religion im 17. Jahrhundert kaum voneinander abgegrenzt werden können – ein Problem, das auch in den Studien des Sammelbandes immer wieder aufscheint.

Vier Autoren nehmen die Vorgeschichte des Bürgerkrieges ins Visier: Ronald G. Asch vergleicht die sakralen Monarchiekonzepte in Frankreich und England. Während in Frankreich die Sakralisierung der Monarchie bei der Überwindung des Religionskrieges half, hatte die Betonung einer Königsherrschaft und einer Bischofsgewalt jure divino unter den Stuarts keine herrschaftsstabilisierende Wirkung, sondern trug entscheidend dazu bei, dass der König und die Bischöfe zahlreichen englischen Protestanten zunehmend als Gefahr für die protestantische Identität des Landes erschienen. Der seit 1618 in Mitteleuropa tobende Dreißigjährige Krieg sorgte ferner dafür, englischen Protestanten die Furcht vor einer länderübergreifenden katholischen Verschwörung zur Vernichtung des Protestantismus einzuflößen und die Ereignisse im eigenen Land, zum Beispiel den irischen Aufstand, als Element dieser Verschwörung anzusehen, wie Robert von Friedeburg ausführt. Da die engere Umgebung des Königs auch als Teil der Verschwörung wahrgenommen wurde, lag manchen der Kampf gegen diese „jesuitische Partei“ in England nahe.

Alan Cromartie greift ein weiteres prominentes Erklärungsmodell auf, das der Religion die Rolle als auslösenden Faktor beim Ausbruch des Bürgerkrieges zuschreibt: Nicholas Tyackes These von der „Arminian Revolution“.2 Er untersucht die Karrierestationen und einzelne Schriften von deren vermeintlichem Spiritus Rector, dem Erzbischof von Canterbury William Laud, und deutet ihn, ähnlich wie zuvor schon Kevin Sharpe und Peter White3, als Teil der englischen Orthodoxie. Von seinen Vorgängern habe sich Laud allenfalls durch den Rigorismus unterschieden, Normen der Kirche überall durchsetzen zu wollen und Kontroversen über theologische Fragen wie die Prädestinationslehre in der Öffentlichkeit zu unterbinden. So sehr ich Cromartie hierin folge, bleibt doch die Frage bestehen, weshalb Laud in der Auseinandersetzung stets als „Arminian“ angegriffen und wahrgenommen wurde. Schließlich dürfte diese (Fehl-)Wahrnehmung für den Kampf gegen das Bischofsregiment in der Kirche und die Religionspolitik Karls I. der wohl entscheidende Auslöser gewesen sein, wie im Beitrag von Sears McGee über Sir Simons D’Ewes deutlich wird. Charles Prior greift in seinem Aufsatz zeitlich weiter zurück, um den politischen Gehalt in der Auseinandersetzung um die Rolle der Bischöfe in der Kirche darzulegen. Seit der vom King in Parliament eingeführten und unter Elisabeth I. wieder in Kraft gesetzten Reformationsgesetze nahmen die Bischöfe innerhalb der Kirche sowohl gesetzgeberische (canons) als auch richterliche (High Commission) Aufgaben war. Beides wurde als Usurpation parlamentarischer Mitbestimmungsrechte sowie der königlichen Suprematie in der Kirche verstanden. Der Kampf gegen die Bischöfe war daher auch ein Kampf für das englische Recht.

Das Lager der Royalisten nehmen Michael Braddick und Glenn Burgess unter die Lupe. Beide Beiträge verdeutlichen, dass die Ursachen des Bürgerkrieges und die Motive der beteiligten Akteure nicht auf einen einzigen Nenner gebracht werden können. Braddick untersucht die Petitionen, die 1641 die Bewahrung des Book of Common Prayer zum politischen Ziel erhoben und damit Solidaritätsadressen an die englische Kirche und ihre Liturgie bildeten. Diese Prayer Book Loyalty war jedoch nicht überall die Keimzelle für die Rekrutierung von Freiwilligen, die bereit waren, in der königlichen Armee gegen die Truppen des Parlaments zu kämpfen. Wenn unter den Abgeordneten des Unterhauses die Haltung für oder gegen eine vollständige Reformation der Kirche zum Entscheidungskriterium pro oder contra Karl I. wurde, wie Morrill es dargelegt hatte, so trifft dies auf die Bevölkerung in England nicht in gleicher Weise zu.

Glenn Burgess widmet sich dem Label Religionskrieg in der royalistischen Traktatliteratur zur Zeit des Bürgerkrieges. Er kann nachweisen, dass der Begriff Religionskrieg vor allem ein rhetorisches Mittel war, um den Gegner zu delegitimieren, den man so als eine Bande gesetzesloser Fanatiker darstellen konnte. Das Argument diente aber nicht nur zur Stigmatisierung des Gegners, vielmehr prägte die Formel vom Religionskrieg in England auch die Wahrnehmung zahlreicher Royalisten wie Thomas Hobbes und Thomas Fuller, die daher als Konsequenz dieser Einschätzung ihr Verhältnis zur englischen Bischofskirche revidierten und damit in Konflikt zu den übrigen Royalisten gerieten.

Um was ging es Oliver Cromwell im Bürgerkrieg? Er selbst hätte auf diese Frage während seiner Zeit als Lord Protector geantwortet: um „civil and religious liberty“. Diese Formel hatte sich insbesondere nach der Hinrichtung Karls I. als Legitimationsformel für das eigene Handeln herausgebildet, wie Blair Worden anschaulich darlegt. Dabei unterscheidet Worden aber zu Recht zwischen politischer Rhetorik einerseits und Cromwells Ansichten andererseits: Es ging Cromwell nie um Religionsfreiheit als Menschenrecht, sondern um Freiheit für die Saints, denen er sich und seine Kamarilla zurechnete.

Für die vielleicht prominenteste Alternativdeutung zum englischen Bürgerkrieg als Religionskrieg zeichnet Quentin Skinner verantwortlich, der insbesondere republikanische Ideen als ursächlich ansieht. John Coffey greift in seinem luziden Beitrag Skinners Argument auf, dass der Kampf gegen Karl I. vor allem verhindern sollte, Sklave im eigenen Land zu werden. Coffey stimmt dieser Auffassung zu, verdeutlicht aber, dass dieses Argument keineswegs nur weltlich und republikanisch gedacht war. Er liefert für Skinners Befund das religiös-biblizistische Fundament, indem er auf die Prominenz der Exodus-Erzählung in den Predigten, Traktaten und Reden der Bürgerkriegszeit verweist, also auf die Geschichte von der „Befreiung“ des jüdischen Volkes aus der Knechtschaft des Pharao – eine Geschichte, die den Anhängern des Parlaments, der New Model Army und Oliver Cromwells als ihr eigenes Schicksal gegenwärtig war. Beschworen wurde weniger die „Liberation“ des englischen Volkes als dessen „Deliverance“.

John Morrill weist in seinem Schlusskommentar darauf hin, dass man den englischen Bürgerkrieg nicht länger isoliert betrachten, sondern stattdessen „Britain’s War of Religion“ in den Fokus rücken, also auch Schottland und Irland stets mit berücksichtigen sollte. Diese Perspektivenerweiterung findet sich im vorliegenden Sammelband nicht. Dafür enthält er aber zahlreiche hoch reflektierte Beiträge zur fortdauernden Auseinandersetzung über die religiösen und die politischen Ursachen des Bürgerkriegs. Jeder, der an dieser Debatte teilnehmen möchte, wird an dem Buch fortan nicht vorbeikommen.

Anmerkungen:
1 John S. Morrill, England’s Wars of Religion, in: ders., The Nature of the English Revolution, London 1993, S. 33-44, hier S. 33.
2 Nicholas Tyacke, Puritanism, Arminianism and Counter-Revolution, in: Conrad Russell (Hrsg.), The Origins of the English Civil War, London 1973, S. 119-143; ders., Anti-Calvinists: the Rise of English Arminianism c. 1590-1640, Oxford 1987; ders., The Rise of Arminianism Reconsidered, in: Past & Present 115 (1987), S. 201-216; ders., Archbishop Laud, in: ders, Aspects of English Protestantism, c. 1530-1700, Manchester 2001, S. 203-221.
3 Kevin Sharpe, The Personal Rule of Charles I, New Haven 1992, S. 284-292; Peter White, The Rise of Arminianism Reconsidered, in: Past & Present 101 (1983), S. 34-54; ders., Predestination, Policy and Polemic. Conflict and Consensus in the English Church from the Reformation to the Civil War, Cambridge 1992; ders., The “Via Media” in the Early Stuart Church, in: Kenneth Fincham (Hrsg.), The Early Stuart Church 1603-1642, Basingstoke 1993, S. 211-230.

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