M. Beyeler: Geschenke des Kaisers

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Titel
Geschenke des Kaisers. Studien zur Chronologie, zu den Empfängern und zu den Gegenständen der kaiserlichen Vergabungen im 4. Jahrhundert n. Chr.


Autor(en)
Beyeler, Markus
Reihe
Klio-Beihefte, Neue Folge 18
Erschienen
Berlin 2011: Akademie Verlag
Anzahl Seiten
Preis
€ 99,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ulrich Lambrecht, Institut für Geschichte, Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz

Eine sorgfältige Aufarbeitung der überlieferten, aus Edelmetallen gefertigten Materialien, die die römischen Kaiser im 4. Jahrhundert n.Chr. als Geschenke vergeben haben, erfordert neben einer systematischen und chronologisch geordneten Erfassung der als derartige Gaben in Frage kommenden archäologischen Überreste auch methodisch fundierte Überlegungen zu den Beziehungen zwischen den Herrschern und dem Kreis der Empfänger dieser materiellen Gunsterweise. Erst mit Hilfe derartiger Zuordnungen können die Geschenke mit Gewinn historisiert, also in einer Weise zum Sprechen gebracht werden, dass sie historisch erkenntnisfördernd wirken. Erforderlich sind also breite altertumswissenschaftliche Sachkompetenz und entsprechendes Methodenbewusstsein gleichermaßen. Markus Beyeler hat in seiner Berner Dissertation das zur Verfügung stehende archäologische Material in eine solche Ordnung gebracht, dass ihr historischer Erkenntnisgewinn sich sehen lassen kann, gerade wegen der über ein ganzes Jahrhundert der Spätantike (284–395 n.Chr.) erfassten Vielfalt an Geschenken: Diese erlauben zugleich ins Allgemeine gehende Aussagen zu den Kaisern und zu den Empfängern und damit eine durch die geographische und chronologische Streuung des Materials begünstigte historisch orientierte Auswertung.

Einleitend skizziert Beyeler anhand der Literatur zum Thema unter anderem eine Reihe von Problemen, die mit der Erforschung des kaiserlichen Vergabewesens verbunden sind. Es ergeben sich beispielsweise Ermessensspielräume bei der Zuordnung von Fundstücken aus Hortfunden zu kaiserlichen Geschenken und zu Empfängern bzw. Empfängerkreisen. So hofft Beyeler durch seine umfassend angelegte Untersuchung auch Fortschritte bei der Ergründung der Organisation des spätantiken Largitionswesens erzielen zu können. Als Ausgangspunkt dient Beyeler der inzwischen gutuntersuchte Silberschatz von Kaiseraugst, „der Objekte enthält, die nachweislich vom Kaiser stammen“ (S. 15). An diesem Fund entwickelt er das Spektrum an Fragestellungen: kaiserliche Freigebigkeit, Erkennbarkeit kaiserlicher Geschenke, mit den Gegenständen verbundene Fragen der Herstellung und des Empfängerkreises, chronologische Probleme, Überlieferungssituation und Grenzen der Verallgemeinerungsfähigkeit von Ergebnissen. Damit entwirft Beyeler ein Programm, das es erlaubt, die neben dem Schatz von Kaiseraugst als kaiserliche Geschenke ganz oder teilweise in Frage kommenden Hortfunde einer Untersuchung unter vergleichbaren Voraussetzungen zu unterziehen, um nach Möglichkeit am Ende verallgemeinerungsfähige Aussagen treffen zu können.

Der Untersuchung kaiserlicher Geschenke im Einzelnen vorgeschaltet ist ein Kapitel über die „Kaiserliche Freigebigkeit und Organisation des Largitionswesens“. Es entfaltet sozusagen die institutionellen Voraussetzungen für das professionelle Funktionieren des kaiserlichen Vergabewesens. Hierzu gehören Ausführungen zu Anlässen und Umfang kaiserlicher Geschenke, zu ihrer zweifelsfreien oder wahrscheinlich gemachten Identifikation als solche dona, zu den von Amtsträgern unterhalb des Herrschers ausgegebenen Geschenken, zum Amt des comes sacrarum largitionum sowie zu den Werkstätten, in denen die als kaiserliche Geschenke in Frage kommenden Gaben gefertigt wurden. Besondere Beachtung hinsichtlich der späteren Ergebnisse Beyelers verdienen dabei die Abschnitte über die dezentrale Herstellung und Verteilung kaiserlicher Geschenke, woraus sich schon Hinweise darauf ergeben, dass als Empfänger eben nicht nur Personen in der unmittelbaren Umgebung des Herrschers und aus den allerhöchsten Kreisen der sozialen Hierarchie in Frage kamen. Hergestellt wurden sie in größeren Serien, wie Beyeler angesichts der Anwendung von Gusstechnik, an Stempeln und an der – nicht selten mäßigen – Qualität der Stücke plausibel macht, bei denen der Materialwert wichtiger als die kunstfertige Ausführung war.

Die „Chronologie kaiserlicher Vergabungen“, das umfangreichste Kapitel, besteht nach einigen Vorbemerkungen zur Datierung und Zuweisung kaiserlicher Geschenke in der Hauptsache aus einer chronologisch geordneten, sorgfältig kommentierten Aufstellung der kaiserlichen Gaben, die in der Zeit vom Regierungsantritt Diokletians 284 bis zum Sieg des Theodosius über den Usurpator Eugenius 394 zu den verschiedenen Anlässen (außer den genannten beispielsweise auch Regierungsjubiläen, Konsulatsantritte, bedeutende militärische Erfolge, Adventus-Feierlichkeiten oder Erhebungen zum Augustus bzw. Caesar) verteilt wurden und bei denen Münzen und Medaillen naturgemäß die wichtigste Rolle spielen. Aus der schieren Menge der Geschenke geht bereits einleuchtend hervor, dass die Quantität dieser Gaben das Budget nicht unerheblich belastet haben muss und dass die Empfängerkreise sozial und geographisch breiter gestreut gewesen sein dürften, als oftmals vorausgesetzt wird.

Aus dieser absehbaren Tendenz zieht Beyeler im nächsten Kapitel mit „Überlegungen zu den Empfängern kaiserlicher Vergabungen“ die Konsequenzen. Jetzt argumentiert er von den Hortfunden aus: Er stellt diverse Überlegungen in der Literatur zu den ehemaligen Besitzern dieser Funde und damit zu den Empfängern kaiserlicher Geschenke vor, um diesen Ansichten seine Thesen zur Streuung der Gegenstände und der Beschenkten gegenüberzustellen und daran zur Untermauerung seiner Anschauungen mit entsprechenden Beobachtungen die Analyse einer Anzahl bedeutender Hortfunde anzuschließen, die in argumentativ gut abgestützte Aussagen zu deren ursprünglichen Besitzern einmünden. Die Hortfundzusammensetzung erlaubt nämlich, wie Beyeler mustergültig vorexerziert, über chronologische bzw. geographische Zuordnungen zumindest umrisshafte, oft auch recht deutlich konturierte, immer aber gut nachvollziehbare Schlussfolgerungen zu dem oder den Dienstherren, den Aufenthaltsorten oder -regionen und damit auch der Laufbahn des ehemaligen Besitzers zu ziehen. Diese Ausführungen werden hinsichtlich der Empfänger kaiserlicher Geschenke schließlich gebündelt und als Ergebnis festgehalten, dass auf „zivile wie militärische Würdenträger gleichermassen“ und zugleich „vorsichtig auf Empfänger verschiedener Stellung geschlossen werden“ (S. 223) dürfe. Diese seien in der Zentralverwaltung und im comitatus ebenso wie in den Provinzen und beim Militär zu finden. Mit solchen Resultaten widerlegt Beyeler überzeugend die Ansicht, „wonach kaiserliche Geschenke wie Silberschalen und -platten sowie Gold- und Silbermultipla nur den höchsten Würdenträgern zu Teil geworden seien“ (S. 238).

Beyeler hat die Publikation seiner Forschungen zu den Geschenken des Kaisers im 4. Jahrhundert recht benutzerfreundlich gestaltet. Nicht jeder Nutzer wird das Buch ganz lesen; es eignet sich unter der von Beyeler verfolgten Fragestellung auch gut als Nachschlagewerk zu den Anlässen kaiserlicher Geschenke sowie zu den Hortfunden. Hervorragend unterstützt wird dieses Anliegen durch die Anhänge: Sie umfassen vor allem einen sehr hilfreichen Katalog der Gold- und Silbergegenstände aus der Epoche von Diokletian bis Theodosius, deren Bestimmung als kaiserliche Geschenke gesichert ist. Jede dieser kaiserlichen Gaben wird beschrieben; es folgen Angaben zur Fundgeschichte und zum Aufbewahrungsort. In besonderen „Bemerkungen“ sind Beyelers Kommentare zur Behandlung eines Stückes in der Literatur aufgeführt; sie verleihen somit den eigenen Forschungsergebnissen Profil. Zum Schluss folgen die Datierung des als Geschenk identifizierten Fundstückes und Angaben zur Literatur. Zwei weitere, kürzere Anhänge liefern eine Übersicht der kaiserlichen Donative des Untersuchungszeitraums und eine chronologische Übersicht der Jahre 284 bis 395. Den Abschluss bilden eine ausführliche Bibliographie, das Abbildungsverzeichnis, hilfreiche Indices und die Abbildungen.

Die Ausgabe von Geschenken durch den römischen Kaiser diente zunächst der Absicherung seiner Herrschaft durch die Verpflichtung von Anhängern aus dem hohen und dem gehobenen Führungspersonal, bedeutete aber zugleich eine große ökonomische Belastung. Beyeler stellt nach unterschiedlichen Kriterien und Zusammenhängen (Anlässen, Hortfunden und Gegenständen) die als kaiserliche Geschenke in Frage kommenden Fundstücke zusammen und zieht seine Schlüsse daraus. Dabei werden die Betrachtungsweisen aus den verschiedenen Richtungen, von denen aus Beyeler sein Material beleuchtet, im Sinne einer gelungenen historischen Gesamtauswertung aufeinander bezogen und miteinander verflochten. Das Resultat ist ein recht geschlossenes Bild mit überzeugenden Ergebnissen zur Herstellung und Ausgabe kaiserlicher Geschenke im 4. Jahrhundert. Beyelers sorgfältige Studie ist ein Beispiel dafür, dass im besten Sinne positivistisches Arbeiten bei bestimmtem, in eine gute Ordnung gebrachtem Überrest-Quellenmaterial historische Schlussfolgerungen erlaubt, die mit einem über die unterschiedlichen Einzelforschungen zu Teilkomplexen hinausgehenden Blick respektable weiterführende Ergebnisse zeitigen.

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