Titel
„Absolutismus“. Eine begriffsgeschichtliche Studie zur politischen Theorie und zur Geschichtswissenschaft in Deutschland, 1830-1870


Autor(en)
Blänkner, Reinhard
Reihe
Zivilisationen & Geschichte 15
Erschienen
Frankfurt am Main 2011: Peter Lang/Frankfurt am Main
Anzahl Seiten
XXVI, 270 S.
Preis
€ 49,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Achim Landwehr, Institut für Geschichtswissenschaften, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Um das vorliegende Buch angemessen einordnen zu können, muss man seine Geschichte kennen. Es handelt nämlich nicht nur von einem historischen Gegenstand, sondern besitzt selbst eine eigene Historie, die nun schon über zwei Jahrzehnte währt. Bei Reinhard Blänkners Begriffsgeschichte des „Absolutismus“ handelt es sich um eine Dissertation, die bereits 1990 in Göttingen eingereicht wurde und nun in einer neuen Auflage erschienen ist. In der Zwischenzeit war die Arbeit nur als Dissertationsdruck beziehungsweise als Mikrofiche-Ausgabe erhältlich, also nicht ohne weiteres überall zugänglich. Trotzdem hat sie sich, was nicht selbstverständlich ist, einen festen Platz in der deutschen Absolutismusforschung erobert. Nicht zuletzt durch die Aufsätze, die Blänkner zu seinem Dissertationsthema veröffentlicht hat, haben seine Thesen schon seit Längerem in die Diskussion um den Begriff und die Epoche des Absolutismus Eingang gefunden.

Seither ist die Karawane der Absolutismusforschung natürlich weitergezogen und hat zwischenzeitlich eine erhebliche Wegstrecke hinter sich gebracht. Tatsächlich hat sich in diesem Feld, wenn auch möglicherweise außerhalb der Frühneuzeitforschung eher unbemerkt, Erhebliches getan. In den 1990er-Jahren, also nach der Fertigstellung des jetzt im Druck erschienenen Buchs von Blänkner, war „Absolutismus“ ein intensiv diskutierter Gegenstand, der diverse Publikationen nach sich zog. Insbesondere die Monographie von Nicholas Henshall mit dem Titel „The Myth of Absolutism“1 aus dem Jahr 1992 war Auslöser einer Debatte, deren bedeutsames Ergebnis es war, „Absolutismus“ als Epochenbegriff zu verabschieden.

In der für die Neuausgabe geschriebenen Einleitung reflektiert Blänkner diese Forschungssituation, zeichnet sehr konzentriert und die wesentlichen Diskussionspunkte resümierend die Debatte der vergangenen zwei Jahrzehnte nach und spart auch nicht mit kritischen Kommentaren, insbesondere was das Buch von Henshall angeht, dem er durchaus plausibel und nachvollziehbar vorhält, in seiner einstmals Aufsehen erregenden Argumentation nur Althergebrachtes und längst Bekanntes nochmals aufgewärmt zu haben. Auch die weiteren Facetten der Forschungsdiskussion finden angemessene Erwähnung. Angesichts dieses Standes der Forschung muss man die Frage aufwerfen, warum Blänkners Arbeit nun mit erheblicher Verspätung das Licht des Buchmarkts erblickt. Sicherlich ist es für zukünftige Forschungen zum Absolutismus hilfreich, diese wichtigen Ergebnisse nun in leicht greifbarer Form zur Verfügung zu haben – aber rechtfertigt das tatsächlich eine Publikation?

Um diese Frage beantworten zu können, gilt es, sich in der notwendigen Kürze die wesentlichen Inhalte vor Augen zu führen. Man kann drei größere Argumentationsschritte ausmachen (eingeteilt in fünf Kapitel), von denen zwei begriffsgeschichtlicher Art sind, unterbrochen von einem Abschnitt zur Geschichte der politischen Theorie. Zunächst geht es Blänkner um eine allgemeine Wortgeschichte des „Absolutismus“, die immer noch wohltuend zu lesen ist, weil hier mit einigen Mythen und Missverständnissen aufgeräumt wird, die weiterhin in zahlreichen Darstellungen herumgeistern. Diese Wortgeschichte geht dann in eine Begriffsgeschichte über, welche die Entstehung und erste intensive Diskussion um den Begriff „Absolutismus“ von der Mitte der 1820er-Jahre bis in die 1840er-Jahre nachzeichnet, wobei sich Blänkner auf ausgewählte Medien und Protagonisten konzentriert, die für diese frühe Debatte relevant waren. Einen Schnitt erfährt die Darstellung dann in der Mitte des dritten Kapitels, indem Blänkner die eigentliche begriffsgeschichtliche Diskussion in den Hintergrund treten lässt, um stärker auf die Entstehung politischer Strömungen im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts einzugehen. Hieran schließen sich Ausführungen zu den politischen Wissenschaften seit den 1840er-Jahren an. Ohne gänzlich zu verschwinden, gerät die Begriffsgeschichte in diesem zweiten umfangreicheren Argumentationsschritt etwas aus dem Blickfeld und die Rahmenbedingungen übernehmen vorübergehend die Hauptrolle. Im dritten Teil kehrt Blänkner zur Begriffsgeschichte im engeren Sinn zurück, indem er die Diskussion über den „Absolutismus“ als historischen Begriff zwischen den 1840er- und den 1870er-Jahren wieder aufnimmt.

Sicherlich muss man die einen oder anderen Schwachpunkte der Studie festhalten, welche aber nicht zuletzt den Entstehungs- und Veröffentlichungsbedingungen geschuldet sind – und es ist zu vermuten, dass der Verfasser dieses Buch heute wohl anders schreiben würde. Neben dem etwas weit führenden mittleren Teil der Arbeit, der politische Strömungen und Wissenschaften vorstellt und dabei den Absolutismus etwas aus dem Auge zu verlieren droht, ist es vor allem das abrupte Ende, das bei der Lektüre überrascht. Hier wird am ehesten deutlich, was Blänkner in der Einleitung erläutert, dass nämlich die Untersuchung eigentlich bis in die 1930er-Jahre hätte fortgeführt werden sollen. Diese Fortsetzung müssen wir nun vermissen. Stattdessen endet die Arbeit sehr unvermittelt und wird auch nicht durch einen zusammenfassenden Schluss abgerundet, der dieser Neuauflage doch gut getan hätte.

Aber trotz dieser Einschränkungen lässt sich festhalten, dass sich nicht nur die Veröffentlichung dieser Arbeit, sondern vor allem ihre Lektüre auch mit der Verspätung von zwei Jahrzehnten lohnt. Blänkner stellt damit die Grundlagen für eine Diskussion zur Verfügung, die eigentlich immer noch geführt werden müsste, die aber nicht so recht in Gang zu kommen scheint. Denn nachdem der „Absolutismus“ als Epochenbegriff verabschiedet wurde, ist inzwischen nicht mehr so recht klar, wie man das europäische 17. und 18. Jahrhundert epochenmäßig charakterisieren möchte und welche Bedeutung wir ihm für unsere Gegenwart zugestehen wollen. Es liegen vor allem Vorschläge auf dem Tisch, die ihren Behelfscharakter teilweise freimütig zugeben und die sich zumeist auf den nicht minder problematischen Begriff des „Barock“ kaprizieren. Zum Teil wird auch einfach kalendarisch verfahren und vom „17. Jahrhundert“ gesprochen. Aber mit der Abschaffung des „Absolutismus“ haben wir die nicht gerade häufige Situation, dass ein historischer Zeitraum nicht recht greifbar erscheint und nicht „auf den Begriff“ gebracht werden kann, was eigentlich eine ganze Reihe spannender Fragen ermöglicht – die derzeit aber nicht so recht gestellt werden.

In dieser Situation stellt Blänkners Arbeit eine wichtige Basis dar, weil sie zumindest implizit die grundsätzliche epochenkritische Frage provoziert, wie wir es weiterhin mit dem halten wollen, was einmal das „Zeitalter des Absolutismus“ war. Seine Begriffsgeschichte führt vor, unter welchen Bedingungen und auf welche Weise ein Epochenbegriff entsteht, wie er dekonstruiert werden kann und wie sich daraus neue Perspektiven für diesen Zeitraum gewinnen lassen.

Blänkner selbst entwirft in seiner Einleitung zur Neuauflage andere Perspektiven, die er fruchtbar machen möchte und die sich vor allem auf Staatlichkeiten im globalen Kontext der Frühen Neuzeit beziehen. Darin ist sicherlich ein Themenfeld zu sehen, das sich auszuloten lohnt, das aber über den engeren Bereich der Absolutismusfrage hinausgeht. Ich würde diesem Vorschlag die weiterhin virulente Frage nach der Epoche an die Seite stellen wollen, aber nicht in dem Sinn, nun die Suche nach einem neuen Etikett für den alten Zeitraum zu beginnen. Vielmehr sollte die besondere Situation genutzt werden, um wesentlich grundsätzlicher anzusetzen: Wenn uns die Suche nach einer epochalen Zuteilung so schwer fällt, dann könnte das nicht nur mit der mangelnden Kreativität bei der Suche nach einem passenden Etikett zu tun haben, sondern ebenso mit Neujustierung des historischen Zeitraums, den wir (Frühe) Neuzeit zu nennen pflegen, sowie mit der Tragfähigkeit überkommener Epochenschemata. Bei einer entsprechenden Nutzung steckt in der ganzen Diskussion um den Absolutismus ein Zündstoff, der weit über die Historiographie zum 17. Jahrhundert (oder in diesem Fall: der Historiographiegeschichte zum 19. Jahrhundert) hinausreichen könnte. Die herrschende Verwirrung mit Blick auf dasjenige, was früher einmal „Zeitalter des Absolutismus“ genannt wurde, sollte und könnte daher produktiv genutzt werden. Blänkners Buch gibt hierzu auch heute noch mehr als nur ein paar Stichworte und Hilfestellungen.

Anmerkung:
1 Nicholas Henshall, The Myth of Absolutism. Change and Continuity in Early Modern European Monarchy, London 1992.