H. Ziegler: Der Sonnenkönig und seine Feinde

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Titel
Der Sonnenkönig und seine Feinde. Die Bildpropaganda Ludwigs XIV. in der Kritik


Autor(en)
Ziegler, Hendrik
Erschienen
Petersberg 2010: Michael Imhof Verlag
Anzahl Seiten
320 S.
Preis
€ 49,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Peter-Michael Hahn, Historisches Institut, Universität Potsdam

Es ist bekannt, dass die um Prestige und Macht konkurrierenden europäischen Dynasten nach immer neuen Mitteln bzw. Medien gesucht haben, um ihrem politischen Wollen sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Natürlich spielten dabei die den Parteien zur Verfügung stehenden kulturellen Ressourcen, aber auch deren je spezifische höfische Kunsttraditionen eine wesentliche Rolle. Im Kampf mit dem an dynastischer Würde und Alter überlegenen Haus Habsburg erwies sich der Bourbone Ludwig XIV., dessen Haus erst in dritter Generation die französische Königskrone trug, als politisch aggressiv und in seiner interhöfischen Zeichensprache als besonders innovativ. Der militärische Kampf um die Vorherrschaft auf den europäischen Schlachtfeldern besaß im Rahmen interhöfischer Kommunikation eine in kunstvolle Zeichen gekleidete Entsprechung.

Diesen Wettstreit der höfischen Zeichen beschreibt die vorliegende Studie von Hendrik Ziegler eingehend am Beispiel dreier Medien: der Medaille, dreier im öffentlichen Raum platzierter Herrscherdenkmäler und des Bildprogramms der Grande Galerie. Hierzu hat der Autor ein zahlreiche Bild- und Schriftdokumente gleichermaßen umfassendes Quellenkorpus zusammengestellt, das es ihm erlaubt, die gesamte Herrschaftszeit des Sonnenkönigs im Blick zu behalten. So werden charakteristische Veränderungen in seiner höfischen Imagebildung erkennbar. Der von einer Woge des militärischen Erfolgs getragene junge Ludwig musste erst in den wechselvollen Kriegen vor und nach 1700 realisieren, dass er das übrige Europa mit seinen hochpolitischen Botschaften nicht allein aus einer Position der Stärke traktieren konnte. Dies traf wiederholt auf harten Widerstand. Seine politische Zeichensprache wurde daher im Laufe der Zeit im Ton gemäßigter und vieldeutiger, das heißt ihr ambitiöser Charakter verlor seine dynastische Schärfe.

Diese hatte in der Frühzeit seiner Regentschaft noch für heftige Reaktionen seiner Gegner gesorgt. Eingehend beschreibt der Autor die Wirkung ludovizianischer Selbstdarstellung am Beispiel von Funktion und Wahrnehmung der berühmten Sonnenimprese. Auf Medaillen fand dieses Motiv oft Verwendung. Gerade die Medaillenpolitik eines Herrschers wurde von den fremden Höfen, wie der Verfasser gegen den kunstwissenschaftlichen Mainstream konzedieren muss, vermutlich intensiver als jedes in seinem Residenzschloss vorhandene Bildprogramm registriert. Vor allem diese kleinen, transportablen und gut lesbaren Schaustücke wurden nach den höfischen Konventionen auf ihre dynastische Angemessenheit hin vermessen und bewertet.

Hierbei hatten sich der französische König und seine Kunstbetrachter ebenso wie bei der Gestaltung der Herrscherstatue auf der Place des Victoires allzu kräftig im Ton vergriffen. Der Vorzug der höfischen Zeichensprache lag schließlich in ihrer eindeutigen Mehrdeutigkeit. Man konnte so Ansprüche formulieren, die im politischen Tagesgeschäft zu einem Eklat hätten führen müssen. Die Zeichensprache Ludwigs war zwar in den hier behandelten Fällen kunstvoll arrangiert, aber in der Aussage blieb sie für den höfischen Adressaten plump und direkt, weshalb die dadurch unmittelbar angesprochenen Dynastien auch heftig opponierten.

Das Reiterdenkmal Girardons, so imposant und kühn es auf den Betrachter auch wirkte, kündete in einem interhöfischen Kontext betrachtet nur von einem imperialen Herrschaftsanspruch, wie ihn auch andere Monarchen, die mit einer königlichen Gewalt ausgestattet waren, für sich reklamierten. Allein die Qualität der Ausführung mehrte daher den Ruhm seines Auftraggebers. Dagegen veranschaulicht ein von einem italienischen Parteigänger Ludwigs in Rom um 1700 in Auftrag gegebenes Standbild erneut, wie heftig die in ihrem dynastischen Ehrgefühl getroffene Partei reagieren konnte, wenn man, wie in diesem Fall geschehen, eine habsburgische Ikonographie in französischem Sinne missbrauchte.

All dies dokumentiert der Verfasser durch eine Vielzahl zeitgenössischer Stimmen. Überdies bietet der vorliegende großformatige Band dem Leser eine beträchtliche Zahl von zeitgenössischen Bildquellen in hervorragender Druckqualität, so dass es der Argumentation nie an Anschaulichkeit mangelt. Allerdings vermag dieser Vorzug der Studie nicht darüber hinwegtäuschen, dass der rezeptionsgeschichtliche Ansatz der Arbeit doch auch seine Schwächen besitzt.

Gewiss erfährt der Leser Näheres über die Umstände, unter denen diese kunstvollen Botschaften entwickelt und öffentlich gemacht wurden, aber die Darstellung der Wirkung auf die übrigen Höfe, gar deren Haltung zu der offensiven ludovizianischen Bildpropaganda bleibt meist an der Oberfläche haften. So ist es kaum hilfreich, Kritik an der Herrschaftspraxis des Königs, wie sie von seinen Untertanen formuliert wurde, mit der von Fürstenhöfen gemeinsam zu behandeln. Auch müssten bei den Reaktionen der höfischen Diplomaten stärker ihr sozialer Hintergrund sowie ihre in Instruktionen geregelten Aufgaben in Betracht gezogen werden, um ihre Wahrnehmung auszudeuten.

Oft ließen sich die Fürsten durch Verwandte über andere Residenzen und deren Besonderheiten informieren. Ihren privaten Korrespondenzen waren daher nicht selten Kupferstiche oder Handzeichnungen beigefügt. Bemerkenswert ist daher der Hinweis des Autors, dass der habsburgische Botschafter am ludovizianischen Hof eine königliche Treppe in Versailles vornehmlich als potentieller Bauherr, das heißt in eigener Sache registrierte. Die Rolle der Diplomaten bei der Beobachtung des höfischen Prunks kann leicht überschätzt werden. Dagegen registrierten sie, wie nicht anders zu erwarten, zeremonielle Verstöße, die zudem leicht zu identifizieren waren, sehr genau.

Im Kontext der höfischen Zeichensetzungen ist auch der fast obligatorische Hinweis auf die Aufzeichnungen reisender Architekten wenig Ziel führend. Mit ihren nicht selten detaillierten Angaben zur Ausstattung der Residenzen rüsteten sie sich für ihre künftige Arbeit an den Höfen, aber sie prägten nicht deren Wahrnehmung.

Insgesamt betrachtet bietet die solide gearbeitete Studie, der im Anhang auch einige bemerkenswerte Quellen angefügt sind, an konkreten Beispielen einen informativen Einblick in den lebhaften Propagandakrieg der fürstlichen Höfe am Ende des 17. Jahrhunderts. Zwar verfügte nicht jeder über die kulturellen Ressourcen eines Sonnenkönigs, aber wir dürfen davon ausgehen, dass auch andere Höfe auf deutlich niedrigerem Niveau ähnliche Strategien verfolgten.

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