W. Metternich: Teufel, Geister und Dämonen

Titel
Teufel, Geister und Dämonen. Das Unheimliche in der Kunst des Mittelalters


Autor(en)
Metternich, Wolfgang
Erschienen
Darmstadt 2011: Primus Verlag
Anzahl Seiten
144 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Cornelia Logemann, Transcultural Studies Program, Universität Heidelberg

Kaum ein Dokumentar- oder Historienfilm über das Mittelalter, kaum ein historischer Roman kommt ohne jene Prise von Dramatik und Finsternis aus, die solange Zeit unsere Vorstellungen von mittelalterlicher Lebenswirklichkeit bestimmt haben. Dabei ist es meist eine Inszenierung düster-grauer Farben und höchst dramatischer Musik, die offenbar als Fanal vom Ende der ebenso düsteren Epoche verstanden werden wollen. Die nebulöse Stimmung und dumpfe Kälte sind es, die bis in die letzte Sequenz die Verfilmung von Umberto Ecos „Name der Rose“ prägen – und die auch dem Zuschauer die finstere Epoche mit einfachen Stilmitteln nahebringen soll. Dämonenglaube und Teufelsfurcht sind dem modernen Betrachter nicht glaubwürdig vermittelbar, und so treten dramaturgisch andere, nachvollziehbare Bedrohlichkeiten an diese Stelle.

Auch das vorliegende Buch beginnt bezeichnender Weise bei Ecos Meisterwerk und daran anknüpfend mit dem Dictum Gregors des Großen (gest. 604), nach dem die Bilder dem leseunkundigen Laien die Schrift ersetzen würden. Es stellt die Frage, wie Bilder auf den mittelalterlichen Betrachter wirkten und inwiefern diese eine ‚unheimliche‘ Wirkung zeitigten, die sich dem modernen Rezipienten allerdings völlig entzieht. Wovor sich der Mensch des Mittelalters tatsächlich fürchtete, ist umso schwerer zu ermitteln, versucht man die didaktisch motivierten Texte der Geistlichen und die Monstrositäten, die unter Chorgestühl, an Kapitellen und im Portal so vieler Sakralarchitekturen begegnen, miteinander in Einklang zu bringen. Eine bunte Welt mit verstörendem bis scheußlichem Formenrepertoire erregte nicht zuletzt das Missfallen des Bernhard von Clairvaux, das dieser für seine Ordensbrüder artikulierte als „deformis formositas ac formosa deformitas“.1 Seine Kritik richtete sich dabei gegen die zeitgenössischen Ausgestaltungen von Klosterbauten, da er in den unpassenden Bildwerken großes Ablenkungspotential sah. Seltsame und absonderliche Dinge begegnen dem Gläubigen in der Kirche, an halb verborgenen Orten oder oft auch prominent, den irritierten Blicken der Betenden entgegengesetzt. Immer wieder transportieren Buchmalereien die eine oder andere Mär von unheimlichen Planetenbewohnern am Ende der Welt, ohne Kopf oder mit überdimensioniertem Fuß, nebst menschlichen Körpern an tierischen Gesichtern, kurzum: Teufel, Geister und Dämonen und Monstrositäten scheinen visuell omnipräsent zu sein in der mittelalterlichen Kunst.

Wolfgang Metternichs Buch über Teufel, Geister und Dämonen ist an ein breites Publikum adressiert, es ist eine Reise in ein fernes und fremdes „Damals“, in dem die Menschen nach gängiger Vorstellung in einem Zustand permanenter religiöser Furcht zu leben schienen. In zwölf Kapiteln wirft Metternich verschiedene Schlaglichter auf die Ausprägungen des Unheimlichen in der mittelalterlichen Kunst. Zunächst wird die Einflussnahme der Heiligen Schrift, die „in langen Passagen nichts für zarte Gemüter“ (S. 9) sei, auf das Leben im Mittelalter geschildert und mit dämonischen Darstellungen in verschiedensten Medien, Buchmalerei und Portalplastik verglichen. Die Relikte antiker Kulte und das Fortleben mancher heidnischer Götterbilder im Mittelalter werden in einem zweiten Kapitel kursorisch zusammengefasst. Imaginationen des Teufels und seiner Helfer folgen ebenso wie Erörterungen zu wilden Männern, Fabelwesen und himmlischen Geschöpfen. Als Allgemeinplatz im Kanon von Teufeln, Geistern und Dämonen darf offenbar auch ein Kapitel zur Frau und verderblicher Sexualität nicht fehlen, in dem der Autor durchaus auch die humoristischen Seiten mittelalterlicher Bildfindungen erläutert, wenngleich sehr fraglich ist, ob die eine oder andere Grimasse tatsächlich durch die „unbewusste Antwort des Kirchenvolkes auf die Verdrängung der Sexualität“ (S. 102) zu erklären ist.

Es folgen schließlich Abschnitte zu fremden und wundersamen Völkern, wie sie bekanntermaßen in Reisebeschreibungen und Weltkarten visualisiert wurden, ebenso wie klassische mittelalterliche Randgruppen von Jongleurs bis zu den Juden. Ein letzter Abschnitt über Seuchen, Krankheit und Tod öffnet dabei ein weiteres Feld, das auch mit dem Isenheimer Altar zeitlich einen neuen Rahmen absteckt. Das Thema des Unheimlichen wurde hierbei weitestgehend verlassen, selbst wenn, wie Metternich betont, Unheimlichkeit „immer auch die Angst vor dem Fremden ist“ (S. 103). Die Teufel, Geister und Dämonen wären damit primär in den ersten acht Kapiteln abgehandelt, während der zweite Teil des Buchs sich mehr auf Fremde konzentriert – inwiefern dies die Kategorie des ‚Unheimlichen‘ wesentlich ergänzt, wäre zu hinterfragen. Statt dieses sehr großen Parcours durch verschiedenste Themenbereiche wären vielleicht mehr Beispiele mit engerem inhaltlichen Zuschnitt wünschenswert gewesen: Die teils topographisch und zeitlich auseinander liegenden Objekte sind oft schwierig zu verbinden.

Gesamtansichten über mittelalterliche Kunst, die an eine größere Leserschaft gerichtet sind, erschienen in den letzten Jahren einige. Michael Camille hat sich in seinen Forschungen immer wieder mit jenen Erscheinungsformen der mittelalterlichen Bildproduktion auseinandergesetzt, die hier in opulenter Farbigkeit zusammengestellt sind. Neben Camilles mehrfach übersetztem Standardwerk zur mittelalterlichen Kunst2, das auch ohne größere Vorkenntnisse gewinnbringend zu lesen ist, sei etwa auch Jacques Le Goffs unterhaltsames und üppig illustriertes Werk zum Mittelalter in Bildern hervorgehoben3, das in sehr prägnanter Zuspitzung wesentliche Aspekte mittelalterlicher Kunst nennt. Auch kleinere Buchformate wie etwa Bruno Reudenbachs „Kunst des Mittelalters“ gehen auf diese Präsenz Furcht einflößender Bilder zweifelsohne ein.4

Doch die in „Teufel, Geister & Dämonen“ zusammengestellten Bilder auf ihre unheimliche Funktion zu reduzieren, erscheint schwierig, funktionieren etwa die das strenge ikonographische Gesamtprogramm eines Portals konterkarierenden dämonischen oder monströsen Bilder auch auf anderer Ebene – in dem Sinne, dass sie durch Aufzeigen einer chaotischen Gegenwelt die Ordnung des christlichen Weltbildes zementieren. Die im Band verwendeten Beispielbilder wurden von Metternich dabei größtenteils im sozialgeschichtlichen Kontext interpretiert: Verschiedene Medien und Rezipientenschichten spielen bei der Analyse der Bilder jedoch durchaus eine wichtige Rolle, und so scheint doch das Studium fremder Völker in Jean de Mandevilles Reisebeschreibungen auf einer ganz anderen Ebene zu liegen als etwa Fragmente heidnischer Ikonographie in hochmittelalterlichen Portalen. Furchterregende Gestalten in der Buchmalerei dienten nicht selten als Herausforderung, sich im Akt der Kontemplation gegen die Geister der Einbildung zu wehren, während die an das Massenpublikum gerichteten Dämonen an und in Kirchen nach Willen der Geistlichen Furcht einflößend wirken sollten (aber vielleicht auch in ihrer didaktischen Drohgebärde am Betrachter vorbeizielten).

Die im Rahmen eines solchen Buchs vielleicht auch notwendigen Akzentuierungen, die von Metternich formuliert werden, manifestieren, gewollt oder ungewollt, ein Bild des finsteren Mittelalters, das die Mittelalterforschung eigentlich überwunden zu haben glaubte. Dabei wird im üppigen Literaturverzeichnis des Werkes alles genannt, was eine differenziertere Sicht auf die Dämonen mittelalterlicher Kunst erlaubt. Denn letztlich, um nun auch auf den vorangehenden Passus in Bernhards eingangs zitierten Äußerungen einzugehen, in dem er von lächerlichen Monstrositäten spricht, ist die ironische Brechung des Unheimlichen und der Übergang des Dämonischen zur Phantasie ein wesentliches Moment, auf das das vorliegende Buch nicht eingeht.

Anmerkungen:
1 Bernhard von Clairvaux, Apologia ad Guillelmum Sancti Theoderici abbatem, in: Jacques Leclercq / Henri Marie Rochais (Hrsg.), S. Bernardi Opera, Bd. III, Rom 1963, S. 106: „Ceterum in claustris, coram legentibus fratribus, quid facit illa ridicula monstruositas, mira quaedam deformis formositas, ac formosa deformitas?“
2 Michael Camille, Die Kunst der Gotik. Höfe, Klöster und Kathedralen, Ostfildern 1999.
3 Jacques Le Goff, Das Mittelalter in Bildern, Stuttgart 2002.
4 Bruno Reudenbach, Die Kunst des Mittelalters, Bd. 1: 800–1200, München 2008. Vgl. auch den zweiten Teil zur mittelalterlichen Kunst von Klaus Niehr, Die Kunst des Mittelalters, Bd. 2: 1200-1500, München 2009.