J. Curtis (Hrsg.): The World of Achaemenid Persia

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Titel
The World of Achaemenid Persia. History, Art and Society in Iran and the Ancient Near East. Proceedings of a Conference at the British Museum 29th September – 1st October 2005


Herausgeber
Curtis, John; Simpson, St. John
Erschienen
London 2010: I.B. Tauris
Anzahl Seiten
XVII, 626 S.
Preis
£ 59,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Klingenberg, Historisches Institut, Universität zu Köln

Die Forschung zu den Achaimeniden hat in den letzten Jahren einen großen Aufschwung erfahren, wofür zahlreiche Tagungen und die zugehörigen Publikationen ein beredtes Zeugnis ablegen. So geht auch der vorliegende Band auf eine internationale Konferenz zurück, die vom British Museum und der Iranian Heritage Foundation in Zusammenarbeit mit der Persian Cultural Foundation im Jahr 2005 anlässlich einer groß angelegten – und sehr erfolgreichen – Ausstellung zum Antiken Persien ausgerichtet wurde.1 Die von den Herausgebern als „landmark conference“ (S. xiii) charakterisierte Tagung verfolgte ebenfalls große Ziele, wie bereits die monumentale Zahl von 49 Vorträgen verdeutlicht, von denen 45 im hier zu rezensierenden Band in schriftlicher Form vorliegen. Hinzu kommen sechs Abstracts von Vorträgen, die nicht gehalten oder schriftlich abgefasst werden konnten. Der Band besticht aber nicht nur durch die Zahl, sondern vor allem auch durch die Prominenz vieler Beiträger.

Im ersten Abschnitt sind unter der Überschrift „History and Historiography“ (S. 1–71) Aufsätze verschiedener Thematik versammelt. Behandelt wird das frühneuzeitliche Persienbild, das sich auf der Basis der Überzeichnung durch antike griechische Autoren entwickelt hat und teilweise bis in die Gegenwart fortbesteht (Pierre Briant, S. 3–15; Parvin Loloi, S. 33–40). Jedoch gab es schon früh auch andere Stimmen; daher trifft die in der Forschung der letzten 25 Jahre gelegentlich postulierte ‚Neuerfindung‘ der achaimenidischen Geschichte gegenüber der vorherigen hellenozentrischen Sicht nur teilweise zu, wie Thomas Harrison darlegt (S. 21–31). Vor der Überschätzung von Analogieschlüssen zu mittelalterlichen Feudalstrukturen warnt zu Recht Christopher Tuplin (S. 51–61). Weitere Beiträge dieses Abschnitts behandeln die Bedeutung der Meder für die Herrschaft des Kyros und Dareios (Richard N. Frye, S. 17–19; Matt Waters, S. 63–71).

Aspekten aus dem Bereich der Religion widmen sich die Beiträge des zweiten Abschnitts, in denen – wie eine Leitfrage – fast durchweg der umstrittene Zoroastrismus der Achaimeniden thematisiert wird. Den Bestattungsriten kommt diesbezüglich jedenfalls keine Beweiskraft zu (Oric Basirov, S. 75–83; Bruno Jacobs, S. 91–101). Viele Widersprüche lösen sich aber auf, wenn man nicht von einer Lehre ausgeht, die sich bereits vor den Achaimeniden verfestigt hatte, sondern die Entwicklung der Religion als dynamischen Prozess betrachtet (Philip G. Kreyenbroek, S. 103–109), auf den auch das Handeln einzelner Herrscher Einfluss haben konnte (Albert de Jong, S. 85-89; Abolala Soudavar, S. 111–138).

Eher knapp fällt der mit ‚Gender Studies‘ betitelte dritte Abschnitt aus: Darstellungen von Frauen finden sich vornehmlich in der Kleinkunst, nicht aber auf den Großreliefs mit ihrer politisch-symbolischen Thematik. Entgegen der lange vorherrschenden Sicht, bei den weiblichen Darstellungen auf Siegeln handele es sich um Göttinnen, ist hier eher von Frauen der Elite bzw. aus der Familie des Königs auszugehen (Maria Brosius, S. 141–152; Judith A. Lerner, S. 153–164). So lassen sich den Abbildungen von Audienzszenen vielleicht auch Hinweise auf das Leben dieser Frauen entnehmen. Das gilt jedoch nicht für erotische Szenen, wie sie einige graeco-persische Siegel zeigen (Lloyd Llewellyn-Jones, S. 165–176).

Breiten Raum nimmt hingegen der vierte Teil zu Kunst und Architektur ein. Nach der Funktion achaimenidischer Großbauten fragen etwa Hilary Gropnik (S. 195–206) und Shahrokh Razmjou (S. 231–245). Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die Funde innerhalb der Gebäude, wie das offensichtlich intentional im Apadana deponierte Material (C. L. Nimchuk, S. 211–229). Eine Untersuchung der in Susa gefundenen Steinmetzzeichen zeigt, dass keineswegs nur babylonisches Baupersonal am Werke war (Sabrina Maras, S. 207–219), wie man nicht zuletzt auf der Grundlage von Dareios’ Bauinschrift (DSf) vermutet hat. Inwieweit die baulichen Veränderungen bei Wohnsiedlungen im babylonischen Raum im Zusammenhang mit den Achaimeniden stehen, bleibt in Heather Bakers Ausführungen (S. 179–194) allerdings unklar.

In den letzten Jahren sind einige archäologische Kampagnen im iranischen Gebiet durchgeführt worden. Über die unterschiedlich ertragreichen Surveys und Ausgrabungen berichten mehrere Beiträge des fünften Abschnitts („Archaeology“, S. 273–317). Bei allen Funden ist der Grabungs- bzw. Fundkontext zu beachten; diese auch in der Epigraphik wichtige Grundregel betont Kamyar Abdi (S. 275–284), da er sie für nicht immer in ausreichendem Maß beachtet hält. Die berühmte Daiva-Inschrift aus Persepolis (XPh) hat seiner Meinung nach keine langfristige Gültigkeit besessen, da keines der bekannten Exemplare in seinem primären Kontext gefunden worden sei.

Kleinfunde werden im sechsten („Seals and Coins“, S. 319–394) und siebten Abschnitt („Gold, Silver, Glass, and Faience“, S. 395–442) thematisiert. Von den zwölf Beiträgen sei an dieser Stelle nur der von Vesta Sarkhosh Curtis zu den Frataraka-Münzen (S. 379–394) herausgegriffen. Sie widmet sich der Fortdauer achaimenidischer Motive über das Ende des Perserreichs hinaus. Die interessante Frage nach der Nachwirkung der persischen Herrschaft, insbesondere in den Regionen außerhalb des iranischen Kernlandes, wird im vorliegenden Band zum Bedauern des Rezensenten ansonsten nicht weiter thematisiert. Der achte und letzte Teil versammelt verschiedene „Regional Studies“ (S. 443–563) zur achaimenidischen Präsenz in nichtiranischen Gebieten von der arabischen Halbinsel (Björn Anderson, S. 445–455; D. T. Potts, S. 523–533) bis Mittelasien (Peter Magee und Cameron A. Petrie, S. 503–522; Wu Xin, S. 545–563). Man vermisst indes einen Beitrag zum achaimenidischen Anatolien, zumal sich in der Forschung zu diesem Gebiet gerade in den letzten Jahren einiges bewegt hat.2

Ein umfangreiches Literaturverzeichnis (S. 565–606) und ein ausführlicher Index (S. 607–626) beschließen den schönen Band. Lediglich ein kleiner Wermutstropfen besteht darin, dass für die Publikation die 15 Sektionen der Tagung auf acht Rubriken verkürzt worden sind (S. xv). Stellenweise ist das deutlich zu erkennen, da es zu Überschneidungen in der Thematik kommt, und sich die Zuordnung einzelner Beiträge zu einzelnen Abschnitten nicht immer erschließt.3 Das schmälert indes nicht den positiven Eindruck, den der informative Band hinterlässt. Durch die vielen Anregungen und Denkanstöße, die er vermittelt, wird er sich zweifellos als bleibende Referenz etablieren.

Anmerkungen:
1 Der Katalog zur Ausstellung ist unter folgendem Titel erschienen: John Curtis / Nigel Tallis (Hrsg.), Forgotten Empire. The World of Ancient Persia, Berkeley 2005
2 Vgl. hierzu z.B. Tomris Bakır u.a. (Hrsg.), Achaemenid Anatolia. Proceedings of the First International Symposium on Anatolia in the Achaemenid Period (Bandirma 15-18 August 1997), Leiden 2001; İnci Delemen (Hrsg.), The Achaemenid Impact on Local Populations in Anatolia (Sixth-Fourth Centuries B.C.). Papers Presented at the International Workshop Istanbul 20–21 May 2005, Istanbul 2007.
3 Der unter den überwiegend historiographischen Beiträgen des ersten Teils eingeordnete Aufsatz von Anke Joisten-Pruschke (S. 41–49) hätte beispielsweise besser in den letzten Abschnitt mit Untersuchungen einzelner Regionen gepasst: Ihre Analyse aramäischer Dokumente aus Ägypten unterstreicht die bekannte achaimenidische Gepflogenheit, bestehende Strukturen in eroberten Gebieten weitgehend unangetastet zu lassen, solange es nicht zu Problemen kam. Auch Nigel Tallis’ Beitrag zur achaimenidischen Armee (S. 309–314), die er stärker in einem nahöstlichen Traditionskontext stellen möchte, wirkt im Archäologie-Abschnitt neben den Grabungsergebnissen etwas verloren.

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